„Soave“ von Gallitelli

Heute in Frau Antjes Espressoverkostungs-Studio:

Gallitelli ‚Soave‘, bestehend aus  50% Arabica- und 50% Robustabohnen. Sehr sehr lecker, das gleich vorweg! 

Die Rösterei Gallitelli ist beheimatet in der süditalienischen Region Basilikata. Genauer gesagt, in Montescaglioso, einer kleinen Stadt und Gemeinde, die zur Provinz von Matera gehört.

Hier kann ich der Versuchung nicht widerstehen, einen kleinen reiseführerischen Schwenk zu machen (wer gleich zur Verkostung möchte, möge bitte nach unten scrollen. Das Wort ‚Verkostung‘ ist fett gedruckt):

Die Basilikata:

Die Basilikata (auch Lukanien genannt) ist nun mal eine meiner Herzensgegenden. Kaum jemand hier kennt sie.

Selbst eingeschworene Süditalien-Fans reisen vornehmlich in die Küstenregionen und, wenn in Städte, dann am ehesten nach Neapel, Bari oder Palermo.

Küste aber hat die Basilikata kaum, abgesehen von zwei handtuchgroßen Zugängen zum Meer, die sich wenige Kilometer um Metaponto und Maratea herum erstrecken.

Ich habe seit 1990 quasi familiäre Bande in die Basilikata – aber auch, wenn es diese nicht gäbe, wäre ich aus dem hingerissenen Staunen nicht mehr herausgekommen, als ich das erste Mal dort war.

So weit das Auge reicht atemberaubend schöne, weite, abwechslungsreiche Hügel- und Gebirgs-Landschaften und bezaubernde Ortschaften.

Die sehr besondere Provinzhauptstadt Matera mit ihren sogenannten „Sassi“ (= Felsen), womit die höhlenartig in die steilen, zerklüfteten Felshänge gebaute Altstadt gemeint ist,

…  und mit ihren uralten Felsenkirchen, war 2019 Weltkulturhauptstadt.

Dadurch ist sie wohl ein wenig bekannter geworden, zumindest unter kulturell Interessierten, und hat seither sicherlich ein paar mehr Touristen angezogen.

Es lohnt sich wirklich, nicht nur Matera, sondern überhaupt die Region zu erkunden, sowohl zu Fuß, als auch motorisiert.

Womit man jedoch, neben gigantischen Ausblicken und berührenden Entdeckungen, immer rechnen sollte ist, dass die Straßen manchmal abrupt im Nirgendwo enden. Oder gerade dabei sind, Stück für Stück den Hang runterzurutschen. Adagio!!! Achtsames Fahren ist hier angesagter denn je, und jedes Wenden, um passierbare Wege zu suchen, wird sehr wahrscheinlich mit noch spektakuläreren Aussichten belohnt werden.

Wer Metropolenflair und turbulentes, schrilles Szeneleben sucht, wird in der Basilikata garantiert nicht fündig werden.

Wer jedoch einsame, weite, unglaublich schöne Hügellandschaften und schroffe Berge („die Dolomiten der Basilikata“) mit verschlafenen, nestartig weit oben thronenden alten Dörfern und Städten mag, dafür umso mehr.

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Zurück zum Espresso. Bzw. erstmal zur Rösterei.

Die Antwort aus dem Hause Gallitelli, auf meine Bitte um Informationen hin, begann mit der zauberhaften Poesie von Google Translate: „Hey Frau Antje … Wie Gehts?? Gut??“
Fast schon bedauerlicherweise fand die weitere Korrespondenz mit dem Qualitätsmanager, Herrn Salluce, auf Englisch und Italienisch statt. Ich liebe internationalen 1:1-Sprach-Rock’nRoll, vor allem, wenn er so durch und durch arglos und schwungvoll auf’s Parkett gelegt wird!

1984, so erfuhr ich, begann Giuseppe Gallitelli mit dem Handel von Kaffeemaschinen und -mühlen. Seine Söhne, Luigi und Marco, stiegen irgendwann mit in das Geschäft ein.  1999 schließlich wurde, parallel zum Kaffee-Equipment-Sektor, die Rösterei Gallitelli aus der Taufe gehoben und fortan mit Enthusiasmus betrieben.

Es werde, schreibt Herr Salluce, das Ziel anvisiert „Medium“ zu rösten.

Die Robustabohnen, die Gallitelli verwende, stammten aus Indien, dem Kongo und aus Uganda. Die Arabicabohnen, die Gallitelli seinen Mischungen beifüge, seien aus Südamerika, vorwiegend aus Brasilien. 

Ab hier möchte ich Domenico Salluce selbst zu Wort kommen und aus seinem Alltag in der Rösterei plaudern lassen (Übersetzung von mir, nicht von Google Translate):

„Unsere tägliche Arbeit beginnt um 6 Uhr mit dem Aufheizen der Röstmaschine, während im Hauptlager mit dem Verladen der Güter für unsere Abnehmer (Privatunden oder Coffeeshops) begonnen wird.

Trotz der Pandemie sind wir zum Glück ziemlich beschäftigt. 

Gegen 7 Uhr morgens besuchen Marco, Luigi und ich die Produktion, um nachzusehen, ob dort alles seinen reibungslosen Gang geht.

Rohbohnen und geröstete Bohnen werden in Augenschein genommen und darauf überprüft, ob die Farbe so ist, wie wir sie haben wollen. 

Mit Hilfe unserer Arbeiter wird sichergestellt, dass sämtliche Maschinen in gutem Zustand sind. 

Nach unserem Rundgang trinken wir zusammen einen Espresso und diskutieren Pläne für die Zukunft, Möglichkeiten und was sonst so ansteht.

In der Regel veranstalten wir dreimal pro Woche ein kleines Cupping und schmecken uns durch Stichproben aus der laufenden Produktion …

Manchmal organisiere ich einen Grundkurs für einen neuen oder alten Kunden, in dem es um Espresso geht, und darum wie man mit der Milch richtig umgeht (Latte Art inklusive).

Letzten Donnerstag z.B. hatten wir hier 4 Kunden aus einem Café, das in unserer Gegend sehr bekannt ist. Wir hatten viel Spaß dabei, mit verschiedenen Extraktionen zu spielen und mit unter- oder überextrahierten Espressi fertig zu werden …“

Ganz herzlichen Dank, Herr Salluce, für die anschaulichen, persönlichen Einblicke! Mir ist, als wäre ich bei Ihrem morgendlichen Rundgang, beim gemeinsamen Espresso, beim Cupping und beim Barista-Einführungskurs dabei gewesen und hätte all das sehr genossen! Ich werde auf Ihre freundliche Einladung, Ihnen einen Besuch abzustatten und die Rösterei zu besichtigen, gerne zurück kommen!

Meine Bezugsadresse: https://italienische-feinkost-scarati.de/product/gallitelli-soave-espresso-kaffee-bohnen/

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Zur Verkostung:

Vor mir liegen Bohnen, deren Anblick Freude macht (kein Bruch, keine Mängel, keine verbrannten Stellen).

French Roast.
Mit Angabe des Röstdatums: 031120. Und mit Zubereitungsempfehlungen:

Beides ist ungewöhnlich und vorbildlich für eine süditalienische Rösterei!

Mir kommt ein sehr angenehmer, warmer, toastig-röstiger Duft entgegen.

Siebträger-Maschine: Strietman CT2.

Mühle: HG1 (Craig Lyn)

Meine Bezugs-Parameter:
14g – 14,2g, mittelfeiner bis feiner Espressomahlgrad. Die wohlschmeckendsten, rundesten Ergebnisse hatte ich bei 94-95ºC.

2 1/2 Schluck out in gezählten (!) 22-26 Sek.

Der ‚Soave‘ hat ein weites Toleranzfenster, er verzeiht Abweichungen von der perfekten Temperatur und vom optimalen Mahlgrad (der natürlich, wie immer, je nach Luftfeuchtigkeit und Alter der Bohnen variiert), ohne sich zu perfiden Racheakten verleiten zu lassen. Auch bei 92ºC, 93ºC oder 96ºC und etwas langsamerer wie etwas schnellerer Fließgeschwindigkeit schmeckt er immer noch sehr angenehm und bleibt weich.

Mit den bestmöglichen Einstellungen zeigt sich ein geschmeidiger, dicker Fluss, ähnlich wie Ahornsirup, der sich schön zähtröpfelnd sammelt zu Beginn.

Das Mundgefűhl ist samtig weich, warm, schoko-schmelzig.

Seine Koffein-Gewichtsklasse liegt, ebenso wie die Textur, zwischen Halbschwergewicht und Schwergewicht, abhängig von der verwendeten Bohnenmenge und dem Mahlgrad. Er ist eindeutig von der stämmigeren, wuchtigeren Fraktion.

Erster Schmeck-Eindruck: Buttertoast mit geraspelter, dunkler Criolloschokolade, erinnernd an Domori Javablond. Dann weht ein Hauch von Macchiakräutern hinzu, winzige Noten von kandierter Grapefruit (mit Schale!). Eine Spur von sanfter, erdig-holziger, milder Paranuss lehnt sich genüsslich an. Eine winziger, würziger Anflug von Tabak, ganz zart und zurückhaltend. Süße! Eine weiche, runde, gar nicht so schwere Süße! 

Insgesamt ist der ‚Soave‘ für mich ein ungemein befriedigender Espresso, der mir vor allem den Brustraum weitet und wärmt.
Langer, weicher Abgang, wirklich mindestens eine dreiviertel Stunde lang. Das ganze Treppenhaus riecht sowas von köstlich nach dem Bezug, dass ich mehrfach von meinen Nachbarn begeistert darauf angesprochen worden bin.

Wer ein Café hat, und Kundschaft über die Nase anlocken möchte, sollte diese Bohnen für den Ausschank in Erwägung ziehen! Was der Nase versprochen wurde, wird auch dem Gaumen gegenüber ganz und gar gehalten!

Eindeutiges Wow!

P. S. : Die Fotos sind teils von Erminia Viccaro, meiner Lebensgefährtin, teils von mir. Das Foto mit den Rad-Rennfahrern habe ich von der Gallitelli-Facebook-Homepage stibiezt. Ich hoffe, das ist okay  …

 

 

„Espresso No.2 – Hallo wach“ von Kaffee Brewda

Frau Antje testet zur Abwechslung mal wieder eine Röstung aus ihrer Nachbarschaft:

Den ‚Espresso No.2 – Hallo wach‘ (50% Arabica/50% Robusta) von Kaffee Brewda. Geröstet in der Hamburger Speicherstadt. Zufällig gefunden beim Einkaufen in der Rindermarkthalle. 7,50€ für’s halbe Pfund.

Erik Brockholz, der Röster, ist, so verrät mir Kaffee Brewdas Website, zweifacher deutscher Vizeröstmeister und Goldmedaillengewinner der Röstergilde. Also offenbar jemand mit viel Erfahrung und Können.

Noch bevor es mit dem Testen losgeht, scheitere ich gleich mal am Verschluss der 250g-Packung: Durch ein Aufziehen der Lasche soll die Clipleiste freigelegt werden. Stattdessen reißt mir die Lasche ab. Und das sowohl auf der einen, wie auf der anderen Seite. Grmpf.

Ich öffne die Packung notgedrungen mit der Schere und stelle fest, dass der Clipverschluss nur an einer Innenseite der Packung befestigt ist.

Okay, doofe Tüte, kann passieren. Es gibt ja Klammern.

Die recht dunklen, paranussbraunen, matten Bohnen darin duften warm und sehr angenehm röstig.

Der Duft enthält erfreulicherweise nichts Grünes, das mich, die eingeschworende „Ab-Second-Crack-Anhängerin“, abschrecken könnte.

Der Espresso läuft sämig und glatt. Rehbraune Crema mit schöner, satter Konsistenz (kein Wunder bei 50% Robusta). Geschmeidiges Mundgefühl.

Beim Schmecken fällt mir als Erstes ein ganz kurzes, mild-säuerliches Aufblinken auf der Zungenspitze auf. Oh! Das hatte ich nicht erwartet! Dann kommt etwas Herbes, Rauhes, leicht Wildledrig-Stumpfes durch, während das Mild-Säuerliche sich nach einem Sekundenbruchteil verliert.

Ich fühle mich ein klein wenig an die zarte, sich an kräftigere Aromen anlehnen wollende Mehligkeit von grünen Bohnen erinnert. Des weiteren an zuckerreduziertes Mandelmarzipan, an kratzige Mostbirnenschale und an, auf wenige, malzige Aromen konzentrierte, dunkle Schokolade.

In meinem Körper wirkt der ‚Hallo wach‘ eher neutral bis kühlend als warm. Auch das erstaunt mich, nachdem er so warm geduftet hatte.

Nach 6 Bezügen stelle ich fest:
Was mir bei diesem Espresso persönlich fehlt, sind die Obertöne, das Erhebende, Feine, Betörende von nachtschwarzen, temperamentvollen Edelkakaokompositionen und die marmeladig-schwingende Süße von kandierter Frucht – also das, was die großen süditalienischen Röstungen allesamt mitbringen, so unterschiedlich diese ansonsten auch voneinander sein mögen.

‚Hallo wach‘ ist eine Mischung, die eher das Bild eines umgepflügten schleswig-holsteinischen Ackers im nebligen Spätherbst in mir wach ruft. Alles ein bisschen schwer, kühl, gedämpft und klobig an den Schuhen. … Und damit kein falscher Eindruck entsteht: Ich liebe Schleswig-Holstein im November! Nur im Espresso wünsche ich mir mehr Vulkanerde, auf der Orangenbäume wachsen, und weniger neblige Ackerfurche. Was sicherlich von einem norddeutschen Röstmeister etwas viel verlangt ist.

In jedem Fall handelt es sich um hochwertige, kunstvoll geröstete Bohnen. Der ‚Hallo wach‘ sorgt durchaus für eine interessante Erfahrung und ist sicherlich eine Empfehlung für alle, die es auch mal friesisch-herb, karg und schnörkellos-bodenständig mögen.

„Napoletano Dok“ von Kenon

Heute möchte ich euch den ‚Napoletano Dok‘ von der Rösterei Kenon vorstellen.

Die  napoletanische Traditions-Kaffeerösterei wurde im Jahre 1892 als Familienbetrieb ins Leben gerufen.

1962 gründete der Nachfahre Vittorio Wurzburger, der damals eine renommierte Bar in Neapels Via Nazionale besaß, das Unternehmen „Café Centro Brasil“, von dem Caffè Kenon seither produziert wird.

Mittlerweise wird das Unternehmen in dritter Generation erfolgreich  weitergeführt von den Brüdern Walter (Marketing), Giovanni (Verwaltung) und Guglielmo Wurzburger (Produktion).

Ich habe in vielen Bars in Neapel Caffè Kenon getrunken. Allerdings günstigere Mischungen als die hier besprochene, welche, gut zubereitet, wie überall dort, durchaus auch ziemlich lecker sind.  …  Wobei ich mich in Neapel mehr zu Bars hingezogen fühle, in denen ich ein Tässchen Passalacqua (am liebsten den ‚Moana‘), Atene von Caffè Partenope oder ‚Gran Miscela Bar‘ von Moreno bekommen kann. Aber ich schweife ab …

Von allen Bohnenmischungen die Kenon im Programm hat, ist der ‚Napoletano Dok‘ die wohl hochwertigste, edelste und daher teuerste (dicht gefolgt vom ‚Karamell‘, den ich hier sicherlich auch noch ausführlich rezensieren werde. Von manchen Espresso-Gourmets weiß ich, dass sie den ‚Karamell‘ gegenüber dem ‚Napoletano Dok‘ bevorzugen. Wir werden sehen … ).

Gleich zu Beginn sei gesagt: Von dieser Mischung bin ich wirklich sehr sehr begeistert!

Ca. 10% Robusta werden für den ‚Napoletano Dok‘ angegeben, sowie 90% erlesene Arabicabohnen, die, so die offiziellen Angaben, vorwiegend bzw. vollständig von brasilianischen Plantagen stammen. Café Centro Brasil … Nomen est Omen.

Die, auf typisch napoletanische Art, sehr dunkel gerösteten Bohnen duften warm und verlockend nach fortgeschrittenem Karamell und nachtschwarzer, edler Schokolade.

Es sind etliche verschiedene Bohnen-Größen und -Formen zu erkennen. Die Röstfärbung ist durchgehend gleichmäßig. Bruch befindet sich so gut wie gar nicht in der Tüte.

Das Röstdatum liegt, als ich die Packung öffne, keine 3 Monate zurück. Es dürfte, meinen Überschlagungen zufolge, eher bei 3-4 Wochen liegen. Casa Napoli, die einzige Bezugsquelle für Caffè Kenon in Deutschland, bietet sinnvollerweise 3 Röstdatums-Kategorien, mit entsprechender Bepreisung, an: Weniger als 3 Monate alt, kurz vor Ablauf des MHD und die Zeitspanne dazwischen. Wer wirklich frische Bohnen will, zahlt, sofern diese aktuell vorrätig sind, ein bisschen mehr. Das lohnt sich, wie ich finde, und ist fair.

Die Bohnen, die ich teste, sind also wirklich frisch. Was bei italienischen Röstungen, die es in Deutschland zu kaufen gibt, bekanntlich nicht so oft der Fall ist.

Mühle: HG1
Mahlgrad: Fein (bei meiner Mühle 6’2“)
Maschine: Strietman CT2
14,2g in.
3 Schluck out.
94-95ºC.

(Die beiden rattenscharfen Schnitten, die ihr auf dem Foto seht, sind übrigens die teuersten, wertigsten Gegenstände, die ich mir in meinem ganzen, fast 60jährigen Leben bisher geleistet habe – und ich beabsichtige, mit ihnen alt, sehr alt, zu werden.

Bei nächster Gelegenheit werde ich euch meinen neuen Super-Duper-Luxus-Direkthandhebler und meine neue kosmische Edel-High Society-Handmühle in jeweils einem eigenen Gala-Beitrag vorstellen. Versprochen! So stolz wie ich darauf bin, kann ich gar nicht anders … ) 

Zurück zum ‚Napoletano Dok‘. Ich habe verschiedene Mahlgrade ausprobiert und das Ergebnis in der Tasse war jedes Mal lecker.

Bei etwas gröberem Mahlgrad und somit leichterer Extraktion kommt eine betörende, elfenhafte Karamelligkeit in den Vordergrund, während ein feinerer Mahlgrad obertonreichen, schwerer klingenden, warm-aromatischen Dunkelschokoladennoten den roten Teppich ausrollt, auf dem sich sodann satte Espresso-Kõrperfülle räkelt. In jedem Fall ist da eine tanzende Süße, die mal karamellig-ätherisch dahinschwebend und mal schokoselig-wohlgerundet wogend daherkommt.
Ich persönlich gebe der schokoladig-wohlgerundeten Ausprägung den Vorzug. 

Mit 10% Robusta-Anteil ist der ‚Napoletano Dok‘ bei aller fülligen Sämigkeit, die ihm bei feinerem Mahlgrad entlockt werden kann, natürlich kein gewichtestemmender Crema-Protz, sondern eher ein Feingeist im Samt-Cape.

In dieser feinen Samtigkeit finden sich exquisite, schmelzende, nussig-rahmige Dunkelkakao-Aromen mit leichter, vornehm-zurückhaltender Grapefruitschalen-Note. Insgesamt erinnern sie mich an die gerösteten Oro Verde-Kakaobohnen aus Peru von der österreichischen Schokoladen-Manufaktur Zotter, die einfach köstlich sind.
Zu den Dunkelkakao-Aromen gesellen sich zart-erdige, minimal tannenhonigherbe, etwas rauchig-holzige Noten von ungerösteter, frischer Paranuss. Sowie tiefschwingendes Dunkelkaramell, das jedoch im Hintergrund bleibt.

Im Mund verweilt lange noch ein weicher, edelbitterer Dunkelkakao-Nachgeschmack, während mein ganzer Körper sich ausgiebig tiefer, warmer, sinnesgenährter Zufriedenheit erfreut .

Alles in allem siebter Espresso-Himmel, wirklich!

„Espresso Black“ von der Kaffeerösterei Burg

Die Traditions-Kaffeerösterei Burg im Hamburger Stadtteil Hoheluft-Ost ist ein Laden, der wie aus der Zeit gefallen ist. Null stylish, schon gar nicht minimalistisch, kein bisschen durchdesignt lichtdurchflutet mit kargem, kühlem Chrom und Glas …

Im Gegenteil: Der Laden strahlt für mich sowas wie kinderfreundliche, heimelige Ofenwärme aus. Er ist schummrig und gestapelt voll mit einer museal anmutenden Mischung aus Blechspielzeug, Kaffee-Porzellan, Schokoladen aus aller Welt, Stövchen, Teedosen, einer alten, großen Blech-Registrierkasse, die tatsächlich noch in Betrieb ist, Handpuppen, Mobiles, Postkarten, alten Kaffeemühlen und Kaffeemaschinen, Keksen, dazwischen hochwertigen Pour Over-Wasserkochern, Edelstahl-Herdkännchen, neuen Espressomaschinen (Ascaso) und … Kaffeebohnen. Diese befinden sich in einer langen Reihe von alten Kaffee-Schütten. Viele der Bohnen sind irgendwie so 70er-Jahre-mäßig aromatisiert. Wie diese ganzen Lucy-in-the-Sky-Schwarztees von damals: Karamell, Erdbeere, Sahne-Toffee, Schoko und so. Dann gibt es auch die hochpreisigen Ikonen-Kaffees wie Hawaii Kona und Jamaika Blue Mountain und – sehr sehr verwerflicherweise – Kopi Luwak. Da möchte ich den zuständigen Menschen gerne schütteln und rufen: „Hallo?!! Das geht gar nicht! Wirklich! NICHT!“ Ein empörter Teil von mir schlägt mir vor, den Laden zu boykottieren. Pfui! (Liebe Leute vom Teehandelskontor Sturm GmbH, dies ist ein Wink mit der Schiffsplanke!) 

Andererseits hat Jens Burg, der langjährige Chef und Röstmeister, der inzwischen wohl in Rente gegangen ist, vor Jahren eine Initiative ins Leben gerufen, die bewirkt hat, dass der gelbe Postkasten auf dem Gehweg, der abgeschafft worden war, zurückkam. Dafür bin ich ihm heute noch dankbar. Außerdem schlägt das Herz meiner inneren Vierjährigen jedesmal sofort um ein Vielfaches höher, wenn ich über die Schwelle geh. Da drin ist es einfach märchenhaft verwunschen und es duftet hinreißend nach leckeren Dingen und überall ist etwas, bei dem meine Augen gerne verweilen und an dem ich schnuppern oder das ich gerne anfassen mag.
Und schlussendlich gibt es neben den ganzen Aroma-Kaffees und den fiesen Schleichkatzenquäler-Bohnen auch richtig guten Espresso dort.

Ja, ich geb’s zu: Ich liebe diesen Laden!

Geröstet wird einmal pro Woche. Meistens sind die Bohnen so frisch, dass sie noch gut 8-10 Tage zum Ausgasen lagern sollten.

Mein Espresso-Favorit von Burg ist der „Espresso Black“ (unten rechts im Bild – die Bohnen sehen auf dem Foto heller aus, als sie sind. Links der „Espresso Dunkel“) . 65% Arabica/35% Robusta-Bohnen aus Brasilien, Kolumbien und Indien.

Ich ziehe diese Mischung dem (von der Deutschen Röstergilde) goldprämierten „Espresso Dunkel“ von Burg vor. Der ist auch lecker – aber der „Black“ ist besonderer.

Beim Öffnen der Packung duftet es rauchig-würzig und, unerwarteterweise, ein bisschen nach Dosen-Thunfisch. Moment mal! Das hatte ich schon mal! Und zwar beim „Xo Fera“ von Kaffeeleben. Vielleicht ist dieses ganz leichte Odeur von Thunfischigkeit etwas, was passiert, wenn es norddeutsche Kaffeeröster röstgradmäßig nach Sizilien zieht … Oder die Bohnen riechen auch auf Sizilien so, wenn sie noch sehr frisch sind – so frisch, wie sie als Importware hier in Deutschland leider so gut wie nie zu kriegen sind …
Geschmacklich bleibt der Thunfisch dann aber zum Glück brav in seiner fest zugeschweißten Dose. Es ist also gar nix davon zu schmecken!

Der „Espresso Black“ ist tatsächlich black, also wahrhaft finster.
Im Geschmacks- und Aromenprofil zeigt er sich ausgesprochen eigen:
Pompös dunkelkaramellig, ein bisschen herb-bärendreck-lakritzig, zart edel-dusterschokoladig. Rauchig. Süß. Klar. Elegant. Und unter der Eleganz aufregend ungebändigt.
Ein toller, mittelleichter, lasziver Nachmittags-Espresso.

Schnurr!

„Siena“ von Bohnendealer

Heute möchte ich wieder einmal einen tollen Espresso aus Österreich vorstellen: Den „Siena“ vom Bohnendealer aus Münchendorf bei Wien.

Wien und Umgebung scheint eine Fundgrube für guten, dunklen Espresso zu sein!

Es handelt sich um eine 100% Robusta-Mischung: Zwei verschiedene Hochland-Robusta-Sorten aus Kerala/Indien. Das war’s. Kein Arabica – obwohl die Mischung Aspekte von Klarheit aufweist, die mich zunächst einen geringen Arabica-Anteil haben vermuten lassen.

Röstgrad: French. Also anständig dunkel, aber nicht  napoletanisch-dunkel.

Zum Glück keinerlei Grünnoten im Geschmack.

Frau Antje schnurrt.

14g, 2’8“0 mit der Kinu M47 Phoenix.

Zubereitet sowohl mit einer La Pavoni Handhebelmaschine (mit recht sicher geschätzten 95ºC), als auch mit der Strietman CT2 – aus letzterer mit amtlichen, stabilen 95ºC.

Wie immer 3 Schluck out.

Sehr schön dunkelkaramellig, von der schmelzenden Konsistenz her etwas an Fudge erinnernd. Angenehme, warme, dunkle Kakaonoten, die weit hinten im Rachen ihre Aromen ausbreiten. Zarte Butter-Toastbrotaromen. Dazu kommen feine, fast schon moussierende Anklänge von süßer, kleiner, hellgelber Weintraube. Eine ganz liebliche, weiche, harmonisch eingebundene, klitzekleine Säure rundet die Komposition wunderbar ab.

Der „Siena“ ist unkompliziert in der Zubereitung. Der Sweet Spot hat Spielraum, so dass diese Mischung auch mit einfacheren Espresso-Maschinen ohne PID oder Temperatureinstellbarkeit (wie der La Pavoni Handhebelmaschine) zuverlässig zu guten Ergebnissen führt.

Chapeau, Daniel Platzer ! Ich verleihe dem „Siena“ hiermit Frau Antjes Tazzina d’Oro für herausragende Schmeck-Erlebnisse.

„Impossibile“ von Martermühle

„Impossibile“ (100% brasilianischer Robusta „Conillon Robusta Tropical“) – punktgenau dunkel geröstet von der Rösterei Martermühle.

Meiner Einschätzung nach ist der Röstgrad bei French Roast einzustufen.

Zunächst ein kleiner Exkurs zum Thema „Robusta und Aromenfülle“:

Es ist oft zu lesen, dass Arabicas ein nuancierteres, irgendwie tolleres Geschmackspotential hätten – mir ist das allerdings so bisher nicht aufgefallen. Arabicas sind anders. Ich würde sie als tendenziell aufgespreizter bezeichnen. Die Aromen von Robustabohnen liegen meistens dichter beieinander, sind oft gebündelter. Eine dunkle Röstung wird natürlich einen weiteren Teil zur Bündelung der Aromen beitragen. Dadurch mag für Menschen mit weniger ausgeprägter sensorischer Wahrnehmungsfähigkeit möglicherweise der Eindruck entstehen, es seien in hochwertigem Robusta weniger Aromen vorhanden, als in hochwertigem Arabica, und die Vielfalt sei geringer. Dabei würde ich, im Falle vieler hochwertiger Robustas, eher von eng geschnürten Aromen-Paketen sprechen, innerhalb derer sich ganze Aromen-Universen abbilden können. Weswegen ich in einer guten, dunklen 100% Robusta-Röstung, wie der hier beschriebenen, sehr schwelgen kann. 

Wir haben es erneut mit einem wundervoll weichen, kraftvollen Espresso aus Aßling zu tun, der wirklich dazugewinnt, wenn er ein paar Wochen ruht.

Die Rösterei Martermühle hat zur Herkunft dieses sortenreinen Robusta-Espresso folgendes geschrieben:

‚Die Robusta Bohnen „Conillon Robusta Tropical“ für unseren Espresso Impossibile kommen aus Brasilien aus der Nähe von Espiritu Santo unweit von dem Verschiffungshafen Vittoria und sind das großartige Ergebnis eines einzigartigen Projekts.

Ein Professor – el professore – hat die Vision, dass er Kleinbauern vor Ort in Brasilien durch sein Kaffee-Wissen unterstützen, fördern und mit Kaffee-Knowhow versorgen kann. Sein Ziel: Die Bauern sollen direkt profitieren. Er setzt sich dafür ein, dass sie für ihre Robusta Bohnen deutlich mehr erzielen können. Das Geheimnis? Qualität. Der Plan geht auf und wir finden: Das ist ein Projekt genau nach unserem Geschmack‘

Zur Verkostung:

Dunkelnussbraune, seidenmatte, recht kleine Bohnen, die warm und süß nach dunklem Kakao, gerösteten Haselnüssen, Butter und, ein ganz kleines Bisschen, nach Rosinen duften.

8 Wochen nach dem Röstdatum sind die warmen, vielschichtigen Aromen auf dem Olymp ihrer Reife angelangt:

Buttrige, edle Dunkelschokoladen-Noten, haselnussige Röstaromen, eine Spur dunklen Karamells, ein Klecks dunkles, lange, zusammen mit Rosinen gekochtes, Pflaumenmus.

Warm, komplex, singend, voller aromatischer Obertöne.

Ein Traum!

Besonderheit: Dieser Espresso verträgt auch eine deutliche Hochextraktion (meist „Überextraktion“ genannt) ausgesprochen gut. Was sich zunächst beim Mahlgradeinstellen ungewollt ergeben hatte, habe ich deswegen noch einige Male wiederholt, weil es SO köstlich und dicht war:

14g, Apollo Mahlgrad 7’2“ (sehr fein), Tröpfelzeit 64 Sek. (alla napoletana) > Premium-giga-schokoladig-samtigweich-aromenwuchtig-lecker!

Frau Antje verleiht hiermit die dritte Tazzina d‘ Oro an einen Espresso aus dem Hause Martermühle! Chapeau !

„Black Queen“ von der Hollfelder Kaffeemanufaktur

Heute möchte ich euch einen sortenreinen 100% Robusta/Canephora-Espresso aus Uganda vorstellen, von dem ich ausgesprochen angetan und positiv überrascht bin:

„Black Queen“ von der Hollfelder Kaffeemanufaktur in Oberfranken.

Wie immer gilt: Wer gleich zur eigentlichen Verkostung eilen möchte, möge nach unten scrollen bis dorthin, wo ein fettgedrucktes „Verkostung“ zu finden ist.

Für alle anderen habe ich zuvor einiges an Informationen zum Herkunftsland, den Kaffeehändlern und ihren Ansätzen und Projekten, der Rösterei und zur Anbau-Methode zusammengetragen.

Die Grundlage der „Black Queen“ sind sonnengetrocknete („natural aufbereitete“) Robusta-Bohnen der Varietät Nganda aus der Region Masaka in West-Uganda.

Anbauhöhe: 1100-1300m.

Uganda, so habe ich bei der Recherche gelernt, ist der zweitgrößte Kaffee-Exporteur Afrikas.

Das Land führt jährlich rund 225.000 Tonnen Rohkaffee aus, was ungefähr ein Viertel der gesamten ugandischen Exporteinnahmen ausmacht. 80% davon sind Canephora-Varietäten (Robusta) und 20% Arabica.

Zu 90% werden die Kaffees von Kleinbauern angebaut.

Die Robusta-Rohbohnen für die „Black Queen“ werden von „GERUGA coffee“ bezogen, einem kleinen Kaffeehandel mit Sitz im nordhessischen Vellmar bei Kassel, der, so entnehme ich es der GERUGA-Website, Rohkaffees von Kleinbauern im direkten Handel aus Uganda importiert. Dabei werde besonderer Wert auf Transparenz, Fairness und Qualität gelegt.

Einer der Mitarbeiter des dreiköpfigen Teams, Vincent Mulindwa, ist in Uganda geboren und aufgewachsen.

„Auf der Suche nach außergewöhnlichen, hochqualitativen Kaffees“, so lese ich mit Interesse weiter, „sind wir quer durch Uganda gereist und haben viele Kaffeefarmerinnen und Kaffeefarmer kennengelernt und deren Plantagen besucht.

Die meisten beklagen die selben Probleme: Neben den fortschreitenden Klimaveränderungen, sind die lokalen Marktpreise für Kaffee so niedrig, dass viele von dem Kaffeeanbau allein nicht mehr leben können. Sie sind gezwungen, alternative Agraprodukte für den Verkauf mit anzubauen und können dem Kaffee nicht mehr die notwendige Aufmerksamkeit bieten.

GERUGA möchte das ändern und den Farmerinnen und Farmern ermöglichen, ihr oftmals über mehrere Generationen übermitteltes Wissen, mit den Voraussetzungen für Spezialitätenkaffees, zu kombinieren.

Wir bezahlen die Kaffeefarmerinnen und -farmer fair für ihr aufwändiges Handwerk und erhalten dafür ein hochqualitatives Produkt.

Von einem Teil der erzielten Einnahmen, fördern wir neben den Produzenten  auch Projekte in den jeweiligen Regionen, aus  denen wir unsere Kaffees  beziehen.“ (Zitat aus der GERUGA-Website https://www.geruga.de)

Klingt nach einem tollen, unterstützenswerten Direct-Trade-Projekt, vorbei an großen Zwischenhändlern und dubiosen Fairtrade- und Bio-Siegeln.

Besonders wunderbar finde ich, dass der Kaffee nachhaltig in Permakultur in kleinen Bauerngärten, zwischen Bananenstauden, Kakao- und Papayabäumen und anderen Pflanzen, angebaut wird.

Der Begriff Permakultur löst echte Freude in mir aus, weswegen ich ein paar Extra-Zeilen darüber loswerden möchte:

In den 1970er Jahren als nachhaltiges, ökologisches, visionäres Gestaltungskonzept entworfen, hat sich Permakultur inzwischen von einer landwirtschaftlichen Gestaltungsmethode zu einer ökologischen Lebensphilosophie und einer weltweiten Graswurzelbewegung entwickelt, der ich mich von Herzen verbunden fühle.

Die Idee hinter dem Begriff „Permakultur“ ist eine durch und durch ganzheitliche: Mit der Natur im Einklang zu leben anstatt gegen sie (einschließlich dessen, was wir gewöhnlich vom Begriff „Leben“ trennen, und mit „Arbeit“ bezeichnen). Es wird explizit auf Monokulturen und den Einsatz chemisch-synthetischer Pestizide und Düngemittel verzichtet. Die natürliche Artenvielfalt soll durch Ansiedlung und Kultivation unterschiedlicher Pflanzen und Tiere unterstützt und gefördert werden.

An dieser Stelle möchte ich der Tradition meines Blogs weiter folgen, und den Menschen, der die getesteten Bohnen geröstet hat, selbst zu Wort kommen lassen. Voilà:

„Kaffeebohnen direkt vom Bauern, schonend geröstet und fair (auch ohne Siegel) gehandelt. Am wachsenden Kaffeemarkt findet sich diese Philosophie heutzutage nur noch selten wieder. Wir, Sonja Gmünd, Marion Deinlein und Wolfgang Bornschlegel von der Rösterei Garten-Cafe aus Hollfeld im Herzen von Oberfranken, haben dem „Industrie-Kaffee“ den Kampf angesagt und uns für fairen Handel und traditionelles Rösten in der Trommel entschieden.

Es ist die Liebe zum Kaffeetrinken, die uns antrieb, eine eigene, kleine Rösterei zu betreiben. Dabei ging es vor allem darum, den Kaffee dort zu erwerben, wo er seinen Ursprung hat, nämlich direkt bei den Bauern. Ein persönlicher Kontakt nach Afrika, genauer nach Kamerun, diente als Türöffner. Seit der Gründung vor rund 6 Jahren hat sich der Betrieb stetig vergrößert. Unsere Lieferanten kennen die Bauern im Ursprungsland persönlich und tauschen sich regelmäßig mit ihnen aus. Beide haben ein gemeinsames Ziel: direkt gehandelten Kaffee und höchstmögliche Kaffeequalität. Neben dem Onlinegeschäft beliefern wir heute auch Büros, Groß- und Einzelhändler in der Region Oberfranken.“

Herzlichen Dank, Wolfgang Bornschlegel.

Und nun zur Verkostung:

Sämtliche Espressi aus diesen Bohnen wurden in der La Pavoni Professional mit IMS-Duschsieb und – Sieb bezogen.

Die Charge wurden am 18.3.20 geröstet.
Die Bohnen sind leicht dunkelbraun (Röstgrad schätzungsweise Viennese/Light French), farblich Richtung Paranuss.

Duft: Warm-röstig, karamellig, süß.

Erster Bezug am 17. Tag nach dem Röstdatum:

13,7g, Mahlgrad Kinu M47 Phoenix 2’8“2“‘,

93ºC, 3 Schluck out nach Augenmaß.

Wow! Auf Anhieb saulecker!
Sehr weich, den Brustkorb durchwärmend und weit machend.
Vordergründig leicht gedunkeltes Karamell und etwas geröstete Walnuss. Mitschwingend: Sanfte Criollo-Schoko-Noten, flüssige Sahne und ein winziger Hauch von vollreifer, süßer, schwerfruchtiger Mango.
Ein langer, warmer, wunderbar besänftigender Nachklang, sowohl im Gaumen als auch im ganzen Körper.

Nach einer Woche fast täglicher Bezüge, bei leicht variierten Parametern (so weit es eben mit einer Diva möglich ist, von genauen Ausgangswerten zu sprechen):

Vordergründig weiterhin leicht gedunkeltes Karamell und etwas geröstete Walnuss. Hinzu kommen nach wie vor sanfte Criollo-Schoko-Noten und eine wunderbare, milde Sahnigkeit.

Und dann diese changierenden, schillernden Fruchtnoten!
Sie ändern sich interessanterweise von Mal zu Mal, was höchstwahrscheinlich auch abhängig ist von der Brühtemperatur. Anfangs gab es Anklänge von vollreifer Mango, zwischendurch kam mir, bei ca. 94-95ºC, vollreife Birne in den Sinn, und bei noch höherer Brühtemperatur (mein Brühgruppen-Thermometer zeigt zu Beginn des Bezuges 96,8ºC an, was sich während des Bezuges noch steigert) klingt süßer, reifer, roter Apfel durch.

Der lange, warme, besänftigende Nachklang, sowohl im Gaumen als auch im ganzen Körper bleibt bestehen
Bemerkenswert finde ich die thermischen Eigenschaften dieses 100% Robusta: Er kann sowohl wärmen, was sich bei kühleren Außentemperaturen zeigt, als auch sehr sanft kühlen, wenn es draußen eher warm bis heiß ist.

Verkostungen bis zur vierten und fünften Woche nach Röstdatum:
Insgesamt ist bei der „Black Queen“ ein komplexes, deutlich aufgespreiztes Aromenspektrum wahrnehmbar.
Leicht dunkles Karamell und eine Spur von gerösteter Walnuss bleiben im Vordergrund. Sanfte Noten von edlem Criollo-Kakao, dessen leicht malzige Schokoladigkeit eine zurückhaltende und dennoch tragende Hauptrolle inne hat.
Milde Sahnigkeit. Weiterhin etwas an frisches Gras Erinnerndes. Ein lieblicher Hauch von Apfelblüte.
Von den bereits genannten Fruchtnoten ist der süße, reife, rote Apfel insgesamt am häufigsten hervorgetreten.
Jedes Mal ein langer, warmer, besänftigender Nachklang, balancierend zwischen wärmend und kühlend.
(Kirsche, wie im Datenblatt beschrieben, konnte ich hingegen nicht herausschmecken. Sensorische Wahrnehmung ist eben individuell unterschiedlich nuanciert.)
Die Aromen-Schwingungen bewegen sich für mein Empfinden zwischen singend und stumpf.

Ein überaus wohlschmeckender, ungewöhnlicher, komplexer und bekömmlicher Espresso, der obendrein mit gutem ökologischem und sozialem Gewissen getrunken werden kann! Jede einzelne Tasse war für mich etwas ganz Besonderes und ein wirklicher Genuss!

Frau Antje verleiht der „Black Queen“ voller Überzeugung ihre „Tazzina d’Oro“!

 

„„Black Queen“ von der Hollfelder Kaffeemanufaktur“ weiterlesen

„St. Pauli Deathpresso Bio“ von Deathpresso

Heute möchte ich euch einen Espresso aus meiner Nachbarschaft vorstellen, der mich beim Verkosten als erstes hat denken lassen:

„Schoko pur. Einfach nur tiefdunkle Edelschokolade. Ohne Schnörkel.

SCHO KO LA DE.  Punkt.“

Das klingt vielleicht erstmal nach wenig Komplexität – aber seid euch gewiss:    Dem ist nicht so!

Die Komplexität liegt hier nicht um die Schokoladigkeit herum, sondern inmitten der Schokoladigkeit.
Stop. Eins nach dem anderen.

Mein heutiger Espresso-Gast im Studio heißt: „St. Pauli Deathpresso Bio“ von der kleinen Hamburger Rösterei Deathpresso.

Um es hinter mich zu bringen, gleich zu Beginn mein einziges bisschen Bemängelung an Deathpresso:
Das Design und der Name sprechen mich spontan so gar nicht an, wenngleich die schwarze Papier-Verpackung mit dem weißen Totenschädel-Tassen-Logo sicherlich einen hohen Wiedererkennungs-Wert hat – und natürlich Geschmackssache ist.
Der Slogan „Schlafen kannste, wenn du tot bist“ klingt im ersten Moment frech und witzig. Wer allerdings mal eine Zeit lang unter echten Schlafstörungen gelitten hat, so wie ich, oder bedauerlicherweise noch darunter leidet, zuckt wahrscheinlich eher zusammen. Denn ausreichend schlafen zu können, ist ein wahrer Segen, und die Erinnerung an eine Serie von schlaflosen Nächten wahrlich keine witzige.
Doch das nur als Notiz ganz am Rande. Denjenigen, die, wie ich, beim Lesen des Werbespruches erstmal Unwohlsein assoziieren, oder deren buntgestimmter Sinn für Ästhetik, angesichts der zu erblickenden Düsternis, auf Weitergehen (oder – klicken) plädiert, möchte ich dringend raten, sich von der Hülle nicht täuschen zu lassen.
Der Inhalt lohnt sich!

Ich rezensiere den „Deathpresso Bio“, weil er mir außerordentlich gut schmeckt und ich ihn sehr besonders finde.

Er setzt sich zusammen aus 60% verschiedenen südamerkanischen Arabicabohnen und 40% gewaschenem indischem Robusta.

Thomas Haack, der Röster, war bereit, uns mehr zu erzählen über die im „Deathpresso Bio“ verwendeten Bohnen, über Anbau-Hintergründe, und über die Hürden bei der Suche nach geeigneter Bio-Rohware, die daraus erwachsen:

»Espressi sind immer Kaffeemischungen und keine sortenreinen Kaffees.
Das hat etwas damit zu tun, dass ein Espresso geschmacklich eine Fülle
(in der Fachsprache „Körper“) braucht und natürlich auch die Crema. Das
schafft kein einzelner Kaffee. Beim Espresso-Blend sagt man „Alle guten
Dinge sind drei“.

Unverzichtbar ist ein hoher Brasil-Anteil (wenn man der italienischen
Lehre folgt), und die gibt es in Europa nicht mehr.

Unbeachtet vom deutschen Verbraucher gab es in Brasilien einen
Glyphosat-Skandal. Durch die räumliche Nähe zu den konventionellen
Plantagen gelangte Glyphosat auf die Bio-Kaffeeplantagen.

Das veranlasste die EU zur Kontrolle JEDES EINZELNEN Containers mit
Biokaffee aus Brasilien und siehe da, überall wurde Glyphosat entdeckt.
Der Kaffee durfte nicht in die EU eingeführt werden und musste zu
konventionellem Kaffee umdeklariert werden.

Das typische nussige und würzige Brasilaroma war plötzlich aus allen
Bio-Espressi in Europa verschwunden. Hmm, merkt das der Verbraucher? Und
ob! Unser Bio-Espressi-Verkauf sank um ca. 10% in drei Monaten.

Was tun? Alle Kontakte im Rohkaffeehandel ausschöpfen! Und so entsann
ich mich eines Rohkaffeehändlers den ich vor vielen Jahren kennengelernt
hatte und der nur direkt  Spezialitätenkaffees importiert.

Er führt Kaffee von einer brasilianischen Demeter-Plantage, die weit
genug weg vom Glyphosat-Geschehen ist… Bingo! Ein hervorragendes
Tassenprofil.

Und das war noch nicht alles: Seit Jahren suchte ich nach einem
hochwertigen gewaschenen Robusta, der ein viel saubereres Robusta-Aroma
hervorbringt als die trocken aufbereiteten Robustas. Und nochmal Bingo,
den hatte er auch, einem Parchment AB aus Indien, ebenso ein
fantastisches Tassenprofil.

Das Gute an diesen beiden Kaffees ist auch, dass die Verfügbarkeit sehr
begrenzt ist. Oft wird davon nur ein Container pro Jahr (ca 230 Sack)
importiert, mehr gibt es davon nicht. Und das ist perfekt für kleine
Röstereien wie für uns.

Ich habe dann ganz schnell einen Kontrakt abgeschlossen der mich
mindestens bis Herbst eindeckt…..«

Ganz herzlichen Dank, Thomas, für deine interessanten Ausführungen und die Einblicke in dein Rösterhandwerk!

Was ist da also jetzt, aus meiner sinnlichen Perspektive, in der Tüte? Samtig-dunkelbraune, gleichmäßig geröstete Bohnen ohne Fehler oder Bruch, die angenehm würzig-schokadig nach warmen, weichen Röstaromen duften.
Gemahlen gesellt sich dem Duft eine winzige Nuance Cassis, also schwarze Johannisbeere hinzu. Mehr das Blatt als die Frucht.

Mit der Handmühle Kinu M47 Phoenix erziele ich das beglückendste Ergebnis bei Mahlgrad 2’8“0“‘ – das ist recht fein.

Bohnenmenge: 13,9g.

Der „Deathpresso Bio“ verträgt es gut, ja, verlangt geradezu danach, langsam tropfend durchzulaufen. Diese Zeit nutzt er, um sich voll zu entfalten.

Brühtemperatur: Hoch (95ºC).

In der Tasse zeigt er sich dunkelrötlichbraun, wie der Korpus der meisten Konzertgitarren. Ein betörender, dunkler Kakaoduft, durchwoben von der herben Fruchtigkeit schwarzer Johannisbeere, nun tatsächlich eher der Frucht als des Blattes.

Schon beim ersten Nippen fühle ich mich vordergründig an
Åkessons „Madagascar Bejofo Estate“ aus 100% Criollo-Kakao erinnert. Meinen persönlichen Schokoladigkeits-Prototypen.

Wer in das Thema Schokoladigkeits-Prototyp nun nicht weiter eintauchen möchte, möge bis nach dem Kursivgeschriebenen weiterscrollen.

Was macht diese spezielle Prototypen-Schokoladigkeit für mich aus? Kakao ist ja nicht gleich Kakao! Edelkakao ist genauso prall voller Aromen und präsentiert sich genauso unglaublich kompex und vielfältig wie richtig guter, schonend gerösteter Kaffee. Von „Schokoladigkeit“ und gar von einem Schokoladigkeits-Prototypen zu sprechen, kann also nur ein Versuch sein, etwas überaus Vielgestaltiges auf einen gemeinsamen Nenner herunterzubrechen.

Kaffee wie Kakao können bekanntlich ein sehr weit aufgespreiztes Aromenspektrum haben. Oder, im Gegensatz dazu, ein Aromenspektrum, das eher in einer Art Aromen-Cluster gebündelt ist.
Je nach Röstgrad der Kakao- oder Kaffeebohnen, kann so ein Aromen-Cluster mehr im fruchtig-säuerlichen, mehr im röstaromenbetonten Bereich, oder irgendwo dazwischen liegen.

Was ich unter einem Schokoladigkeits-Prototypen verstehe, genau genommen unter einem Dunkel-Schokoladigkeits-Prototypen, ist ein recht eng zusammengerafftes Kakao-Aromen-Bündel,  röstaromendeutlich, doch -mild, süßebetont, sich in sahnig-dunkler Gefälligkeit wiegend, ohne große Ausschläge in Richtung säuerlicher Fruchtigkeit, zusammenziehender Bitterkeit oder beißender Rauchigkeit.
Das heißt nicht, dass mein Prototyp sich aus nur wenigen Aromen zusammensetzt. Sondern dass etliche, durchaus unterscheidbare Aromen dicht beieinander liegen. Diese könnten theoretisch nussig, erdig, torfig, lakritzig, karamellig, kandiert, trockenfruchtig, marmeladig, tabakig, maronig, brotig, malzig, sirup- oder honigartig, pollenartig, marzipanig, buttrig, cognac-, armagnac-, portwein-, marsala- oder likörartig, geharzt, oder, in der einen oder anderen Art, holzähnlich sein.

Dunkel, schwer und satt in jedem Fall. Jenseits von aufwühlender Schrilligkeit. Nicht unbedingt bescheiden, sondern vornehm, geradlinig, ruhig und tief.

Soweit mein Exkurs in Sachen Schokoladigkeits-Prototyp.

Vordergründig also madegassischer Criollo-Kakao – um zum „“ St. Pauli Deathpresso Bio“ zurückzukehren:    Angenehm herbbitter-erdig mit einer sehr zurückhaltenden, zutiefst süßen, fast schon kandiert wirkenden Zitrusfruchtigkeit. Am ehesten Honey-Pomelo. Hinzu kommt, mit wenig Verzögerung, ein Hauch von Cassis-Likör, der in Süße badenden Essenz der Schwarzen Johannisbeere. Dann eine Note von Gianduia, das in dieser Komposition nicht, wie gewohnt, eine perfekt balancierte Verschmelzung von gerösteten Haselnüssen mit edlem Kakao ist. Denn statt der Haselnüsse hat die Pâtissière sich hier die Zutat gerösteter Zedernkerne erlaubt, die eine buttrige, leicht süße, ganz zarte Harzigkeit in sich bergen.

Durch und durch wärmend, einhüllend, besänftigend. Was will mensch mehr an einem frühlingshaften, sonnigen Samstagnachmittag?

Diese Espressomischung ist eine ganz wunderbare Entdeckung!

Ein dickes Lob an Thomas Haack!

„Autostrada“ und „Crema Roma“ von Martermühle

Heute möchte ich euch mit den ersten beiden in Deutschland gerösteten Espresso-Mischungen bekannt machen, die meinen Geschmack voll getroffen haben:

„Autostrada“ (70% Robusta/30% Arabica) und, mehr noch, „Crema Roma“ (60% Robusta/40% Arabica), beide von der Rösterei Martermühle in Aßling in Oberbayern.

Hannah Marks vom Martermühlen-Team hat mir, auf meine Bitte hin, freundlicherweise ein paar Zeilen zukommen lassen, in denen sie beschreibt, wer hinter dem Namen „Martermühle“ steckt und wofür die Rösterei steht:

„Wir sind ein Haufen von 25 Kaffeeverrückten, Peter und Ralf haben als Freunde vor 10 Jahren ihr Hobby zum Beruf gemacht und die Kaffeerösterei Martermühle gegründet. Den ersten Röster haben sie gebraucht von einem befreundeten Röster gekauft, kurzerhand mit einem Pferdehänger in einen alten Bauernhof vom Nachbarn gestellt – schon praktisch, wenn die Frauen reiten und man in Aßling zu Hause ist. Unser Bauernhof war damals ein alter Kuhstall – über 10 Jahre hinweg haben die beiden immer weiter restauriert, renoviert und inzwischen haben wir sogar zusätzlich eine kleine Produktionshalle in Grafing. Wir rösten bis zu 20 Minuten und das macht uns auch so besonders – dadurch kann sich das Aroma entfalten und die Säure baut sich ab. Insgesamt haben wir etwa 40 Sorten, gut die Hälfte ist Bio-zertifiziert. Uns sind Transparenz und direkter Handel wichtig.“
Herzlichen Dank dafür!

Die beiden Mischungen, die ich euch vorstellen möchte, unterscheiden sich deutlich voneinander – und haben doch auch Wesentliches gemeinsam:

Sie sind auf den Punkt dunkel geröstet – kein bisschen grün, kein bisschen verbrannt. Wahrscheinlich das, was unter Röstern „French Roast“ oder vielleicht schon „Dark French“ genannt wird. Für meinen Geschmack jedenfalls genau richtig!

Beide sind samtweich und geschmeidig im Mundgefűhl. Beide weisen tiefdunkle, süße, runde Edelkakao-Basisnoten auf und tolle, warme Röstaromen, die das  Aromen-Orchester nicht dominieren, sondern in voller Breite tragen.

Auf etwas Säuerliches wird man bei beiden, trotz sehr zurückhaltender fruchtiger Obertöne,  nicht stoßen.

Früchte können halt reif oder unreif sein. In aller Fülle sonnenangereichert oder im Lager blass nachgereift. Explizit sauer, zusammenziehend und durchrüttelnd wie Zitronen – die natürlich auch noch viele andere Aromen in sich bergen – oder wie harte Kiwis oder unreife Stachelbeeren. Mild-säuerlich und fast schon parfümiert wie Litschis. Langweilig schal wie diese roten, leicht säuerlichen Pflaumen, meist aus Spanien, die aromatisch meist unentschieden bleiben und deren saftarmes, dumpfknarzendes Fruchtfleisch in hiesigen Regalen nicht reif wird, sondern tendenziell gleich braun. Säuerlich-sanft aromatisch und zugleich voller schwerer Süße, wie Waldheidelbeeren oder Zwetschgen, die schon fast vom Baum fallen vor Spätsommertrunkenheit. Eingleisig zuckrig wie die perfekt glänzenden Persimonen, denen alles weggezüchtet wurde, was Kakis, die Ursprungsfrüchte, interessant und lecker macht. Oder eben auf eine warme, umfassende, komplexe, nährende, breite, ausfüllende, tief klingende Weise süß. So, wie eben reife, schon fast matschige, vollaromatische Kakis. Wie richtig guter Kakao, der keinen extra Zucker braucht. Und wie ein wirklich erlesener, meisterlich dunkel gerösteter Espresso.

Beide hier vorgestellten Espressomischungen kommen von der komplexen, zutiefst nährenden, umschmeichelnden, süßen Sonnenreifungsseite.

Ab hier beginnen die gustatorischen Eigenheiten.

Auf den „Autostrada“ bin ich durch eine Kurzrezension in der Illustrierten „Crema“ aufmerksam geworden. Die Sätze „Dunkel geröstet, kurz vor ölig.“ und “ … trotzdem erstaunlich weich und rund.“, sowie „Nussaromen gefolgt von Zartbitterschokolade mit einem Sahnehäubchen.“ haben mich angesprochen.

Hannah Marks schreibt: „Ein bisschen was noch zum Autostrada. Wir sind hier ja im wunderschönen Oberbayern und Italien ist nicht weit. Der Autostrada ist letztes Jahr Pfingsten bei einer Fahrt über den Brenner entstanden: Ein Espresso, genau wie der erste Espresso an der Autostrada in Italien. Ein kräftiger Schluck La Dolce Vita eben.“

Die Bohnen, direkt bei der Rösterei bestellt, kamen 4 Tage nach dem Röstdatum. So frisch also, dass mir klar war: Die müssen noch mindestens 10 Tage liegen und CO2 abbauen. Vom Kundenservice der Rösterei erhielt ich per Mail die Info, der „Autostrada“ sei bereits nach 14 Tagen trinkreif.
An Tag 13 war ich so neugierig, dass ich einen ersten Versuch gestartet habe.

Paranussschalenfarbene, gleichmäßig dunkel geröstete Bohnen verschiedener Größe. Kein Bruch, keine Fehler.

 

Ich hatte, wie erwartet, recht viel Schaum in der Tasse. Und darunter einen Espresso mit ausgesprochen viel Kawumm, der bereits sehr überzeugend war in seinem noch nicht ganz entfalteten warmen, runden, vollen, weichen Potential.
Ich ließ ihn weitere zwei Tage ruhen. An Tag 15 war er breiter und deutlicher geworden in seinem Aromenprofil, schäumte aber nach wie vor erheblich, so dass die eigentliche Crema noch im Verborgenen blieb. Die Begegnung war, vermutlich gepusht durch das noch immer in recht hohem Maße vorhandene Kohlendioxid, weiterhin wie eine Kollision mit einer Koffeinfaust. Daher gab ich ihm weitere 5 Tage und probierte derweil den „Crema Roma“, den ich anschließend an den „Autostrada“ beschreiben werde.

Tag 20:
Der „Autostrada“ mit seinen 70% Robusta-Bohnen ist nun trink-zahm!
13,6g, Mahlgrad 8’0“ (Apollo) – d.h. im mittleren Espresso-Mahlgrad-Bereich.

Beim Mahlen entfaltet sich ein wunderbarer, warmer, herb-nusskrokantiger, verlockender Röstaromen-Duft.

Hohe Brühtemperatur. 12 Sekunden Präinfusion, zu Beginn der PI zeigt der Temperaturstreifen noch keine 95ºC, zu Beginn des Bezuges ist die 95ºC-100ºC-Markierung gerade eben verfärbt. Keine Messung der Bezugszeit oder Grammzahl. In meiner Tasse befindet sich ein Ristretto mit ca 2mm Schaum drauf, welcher kurz darauf abgesunken ist und den Blick auf eine noch nicht ganz feinporige, haselnussbraune Crema freigibt.

Der erste Schluck:
Einfach nur Wow!
Die Basisnoten: Tiefdunkler, purer Criollo-Kakao, ähnlich dem „Cusco Chuncho 100%“ von Original Beans. Dunkles, schweres Mandelkrokant, das in mir die Erinnerung an frisch gebackene Florentiner wachruft.
Die Kopfnote ein winziger, wirklich fast verschwindender Hauch unbehandelten, getrockneten Tabaks – so, wie es duftet, wenn ganz kurz neben dir eine Tabakdose geöffnet wird.  … Vielleicht auch ein bisschen wie Heublumen.
Und dazwischen, im Herzen des Geschmacks, ein gehauchter Anklang von dieser etwas erdigeren, herberen, dunkleren Orangenhaftigkeit, der reife Blutorangen ausmacht.
Das alles in sahnig.
Geschmeidig. Enorm kraftvoll.
Himmlisch!

Unglaublich, dass dieselbe Rösterei einen Espresso produziert, der für mich den „Autostrada“ noch ein wenig toppt:

Wiederum gleichmäßig geröstete, matt glänzende, pekannuss-braune Bohnen ohne Bruch oder Fehler, die wunderbar duften.

Der „Crema Roma“ zeigt sich mir im Vergleich noch einen Tick exquisiter und vielschichtiger als sein etwas rauhbeinigerer Bruder.

Ich habe die gleichen Parameter verwendet  wie beim Autostrada.

SO lecker, bereits beim ersten Versuch (Tag 29 nach der Röstung)!
Wirklich auf den Punkt dunkel geröstet. Erneut kein bisschen grün, kein bisschen verbrannt.
Samtweich und geschmeidig. Den Gaumen umschmeichelnde, wunderbar warme Röstaromen, die mich an dunkles Karamell und frisch geröstete Haselnüsse erinnern, wie ich sie im Piemont, dem europäischen Haselnuss-El Dorado, auf dem Markt genossen habe. Buttertoast. Tiefdunkle, natursüße Kakaonoten, ähnlich der köstlichen herb-aromatischen „100 %“ von Willies Cacao aus England.
Breit klingende Obertöne von sonnengereifter, süßer, heller Sultana-Weintraube. Ein Hauch von gutem, weichem, altem Brandy, dessen Tabak-, Leder- und dunkle Brombeer- und Pflaumenmarmelade-Aromen, direkt über die Nase ihren Weg ins Genusszentrum finden …
Cremig-schmelzendes Mundgefühl.
Dieser Espresso hinterlässt in mir ein zutiefst beglückendes, warmes Wonnegefühl, das sich breit fließend im meinem gesamten Körper ausbreitet, als würde ich im Hochsommer abends, irgendwo im Süden, vielleicht am Strand von Ostia, die letzten kraftvoll ausglühenden Sonnenstrahlen tanken.

Wow! Wow! Wow!
Ein begeistertes Lob nach Aßling!

Ich vergebe gleich zweimal Frau Antjes „Tazzina d’oro“!