„XO Fera“ von Kaffeeleben

(Dieser Beitrag wurde von mir am 19. Juni 2019 erstmals in der Facebook-Gruppe „Espresso Spezialisten und Kaffeeliebhaber“ veröffentlicht)

Einen sommerlichen guten Morgen aus Frau Antjes Espressoverkostungs-Studio Heute im Test: Der tiefdunkle „Fera“ aus dem Hause Kaffeeleben im schleswig-holsteinischen Bad Bramstedt. Eine Sonder-Röstung, die exklusiv űber die Kaffeezentrale erhältlich ist. Die Bohnen kommen in umweltfreundlicher, schwarzer Papiertűte mit malvenfarbenem Aufkleber. Zum Glűck riecht diese heute nicht mehr nach Dosenthunfisch, wie gestern direkt nach dem Auspacken. Röstdatum 13.5.19. 80% Arabica/20% Robusta. Die Bohnen sind wirklich dunkel, fast schwarz, und glänzen appetitlich. Null Bruch. Duft: Etwas, was mir den Brustraum wärmt. Samtig. Auf jeden Fall bitterschokoladig mit dunklem Karamell. 12,3g. Mahlgrad 17 (Comandante mit RedClix-Tool). Sehr angenehmes, gleichmäßiges Mahlgefűhl. BG-Temperatur 92ºC (Brűhtemperatur sicherlich etwas höher). 10 Sek Präinfusion. 20 Sek Bezugszeit (La Pavoni Professional Handhebelmaschine von 1998). Läuft super. Ich hatte mit deutlich dunklerer Crema gerechnet – die ist erstaunlich hell-karamellfarben. Riecht wűrzig. Was auf der Packung steht, passt: Backstube. Es gibt Brownies. Einer ist schon etwas angebrannt. Und nun der erste Schluck: Wumms! Oha! Der kommt nicht auf leisen Sohlen daher! Die dunkelkaramellige 99%-Bitterschokoladenwucht rennt mit vollem Anlauf, wie ein seine Kraft unterschätzender, jugendlicher, schwarzer Bär, durch meinen Kopf und meine Brust. Holla! Ach so, ja, Geschmack hat er auch! Das hätte ich fast vergessen vor lauter Ungestüm. Ich nehm dann mal einen zweiten Schluck … Hmmmm, lecker! Gar nicht sauer. Hat auch nichts Fruchtiges anbei. Weiches Mundgefűhl. Der Bär kann auch kuscheln. Wűrzig. Schwer. Direkt. Wenn ein Wort hier nicht passt, ist es ‚zurűckhaltend‘. Der zeigt sofort alles, was er kann und hat. Dritter Schluck: … … … Nee, der hat wirklich nichts in petto gehalten. Geradlinig, kraftvoll. Schwärzeste Schokolade, dunkles Karamell, Brownie. That’s it. Für Tage, die weniger nach Raffinesse und Eleganz als nach einer knuffig-zotteligen Rauferei verlangen. Den mag ich bestimmt gerne und öfter wieder trinken!

2. Bezug bei gleichen Parametern, etwas längere Laufzeit (22 Sek). Eine weitere Begegnung mit dem adoleszenten, lautstarken Raufbären, der erst beim zweiten Schluck kurzfristig ein bisschen anschmiegsam wird. Warmes, weiches Mundgefűhl. Wer Kakaomasse ohne jeglichen Zuckerzusatz mag, könnte an diesem Espresso Gefallen finden.

Er ist mir dann doch etwas zu eindimensional in Geschmack, Aroma und Wirkung auf meinen Körper, um in meine persönliche Top-Liga zu kommen. Dafür műsste er sich schmeichelnd, exquisit, mehrdimensional űber den Nasenrachenraum und den zentralen Brustraum hinaus im Körper ausbreiten und im Ausbreiten weitere Aromen-Schattierungen entfalten. Was der „Fera“ nicht tut. Dieser Espresso landet *kawumm*und krallt sich gewissermaßen genau dort fest, wo er gelandet ist. Was ihm total fehlt, ist etwas das den Geist beflűgelt. Er ist eher wie Kicken mit Halbwűchsigen auf einer Matsch-Wiese bei schwűlem Wetter. Es macht durchaus Spaß, trotz des allgemeinen Gebrűlls, die Schwűle drűckt und der Matsch klebt schwer. Gut, wenn endlich einer ein Tor schießt und sich alle mal aufeinander legen dürfen.

Langer Abgang. Olé olé olé. Kakaomasse pur winkt triumphierend aus dem Gaumen, Karamell sitzt auf der Strafbank, Backstube hat längst geschlossen.

Dritter Versuch:

Heute Morgen bin ich schwer begeistert vom „Fera“. Fand ihn (bei gleichen Einstellungen – außer dem Wetter, es hat gegenüber vorgestern ein wenig abgekühlt) gar nicht so kraftprotzig, was vermutlich daran lag, dass ich nach den beiden ersten Shots viel geschmackliche Wucht erwartet habe. Er zeigte sich voll, weich, tief dunkelschokoladig und samtig-karamellig. Direkt nach wie vor. Und in dieser Direktheit wunderbar geschmeidig und warm. Langer Bitterschokoladen-Nachklang. Ja, der „Fera“ und ich, wir mögen uns