„Espresso Dark“ von Röstkartell

Einen guten Sonntagmorgen allerseits!

Im Dezember in Frau Antjes Espressoverkostungs-Studio: ‚Espresso Dark‘ (50% indischer Hochland-Robusta/50% südamerikanischer Arabica) von der Rösterei ‚Röstkartell‘, einem 4 köpfigen Familienbetrieb in Bohmte bei Osnabrück/ Niedersachsen. Seitdem lag diese Rezension unveröffentlicht im Datei-Ordner – Asche über mein Haupt! Es ist also höchste Zeit!

Eine tolle Huldigung an die Caffè-Traditionen südlich von Rom.
Frau Antje hat beide Daumen oben!

Dunkel, geschmeidig und dickflüssig fließt der Espresso in weichen Schichten in die Tasse.

Ich muss beim Anblick an den köstlichen, puddingartigen, heißen Kakao in italienischen oder spanischen Bars denken.
Und dann, beim Schmecken, fällt mir die, in Schokoladensommelierkreisen sträflich verkannte, unerwähnte ‚Tavoletta amara‘ ein, die dunkelste Dunkelschokolade von Gay Odin, dem alteingesessenen napoletanischen Chocolatier:

Ein wuchtig-bodenständiger, eng gebündelter Kakao, dessen holzige Würzigkeit sich zunächst gar nicht ausbreitet im Körper, sondern sich im Kopf-Gaumenbereich zentriert wie ein warmes, leicht schroffes Ausrufezeichen:
„Hier! Her! Platz!“ (Hund legt sich. Der Espresso Dark legt sich auch, bereit, seine weiteren Aromen preiszugeben. )

Nach und nach schälen sich Noten von Lebkuchen, Avocado, Tabak und Zeder heraus.
Sehr apart!
Unaufdringlich schiebt sich eine Spur von frisch gebackenem, haselnussduftendem, warm-weichem Florentiner in den Vordergrund.
Und sehr sehr gemächlich sinkt die Wärme dann hinab durch die Brust bis in den Bauch.
Das Tier schlummert selig im Körbchen.

Ein Espresso mit Retardwirkung.

Wirklich sehr beeindruckt bin ich vom laaaaaaangen, alle Schokosehnsüchte befriedigenden, mollig einhüllenden Nachklang.

Große Klasse, Familie Brinkhege!

„Soave“ von Gallitelli

Heute in Frau Antjes Espressoverkostungs-Studio:

Gallitelli ‚Soave‘, bestehend aus  50% Arabica- und 50% Robustabohnen. Sehr sehr lecker, das gleich vorweg! 

Die Rösterei Gallitelli ist beheimatet in der süditalienischen Region Basilikata. Genauer gesagt, in Montescaglioso, einer kleinen Stadt und Gemeinde, die zur Provinz von Matera gehört.

Hier kann ich der Versuchung nicht widerstehen, einen kleinen reiseführerischen Schwenk zu machen (wer gleich zur Verkostung möchte, möge bitte nach unten scrollen. Das Wort ‚Verkostung‘ ist fett gedruckt):

Die Basilikata:

Die Basilikata (auch Lukanien genannt) ist nun mal eine meiner Herzensgegenden. Kaum jemand hier kennt sie.

Selbst eingeschworene Süditalien-Fans reisen vornehmlich in die Küstenregionen und, wenn in Städte, dann am ehesten nach Neapel, Bari oder Palermo.

Küste aber hat die Basilikata kaum, abgesehen von zwei handtuchgroßen Zugängen zum Meer, die sich wenige Kilometer um Metaponto und Maratea herum erstrecken.

Ich habe seit 1990 quasi familiäre Bande in die Basilikata – aber auch, wenn es diese nicht gäbe, wäre ich aus dem hingerissenen Staunen nicht mehr herausgekommen, als ich das erste Mal dort war.

So weit das Auge reicht atemberaubend schöne, weite, abwechslungsreiche Hügel- und Gebirgs-Landschaften und bezaubernde Ortschaften.

Die sehr besondere Provinzhauptstadt Matera mit ihren sogenannten „Sassi“ (= Felsen), womit die höhlenartig in die steilen, zerklüfteten Felshänge gebaute Altstadt gemeint ist,

…  und mit ihren uralten Felsenkirchen, war 2019 Weltkulturhauptstadt.

Dadurch ist sie wohl ein wenig bekannter geworden, zumindest unter kulturell Interessierten, und hat seither sicherlich ein paar mehr Touristen angezogen.

Es lohnt sich wirklich, nicht nur Matera, sondern überhaupt die Region zu erkunden, sowohl zu Fuß, als auch motorisiert.

Womit man jedoch, neben gigantischen Ausblicken und berührenden Entdeckungen, immer rechnen sollte ist, dass die Straßen manchmal abrupt im Nirgendwo enden. Oder gerade dabei sind, Stück für Stück den Hang runterzurutschen. Adagio!!! Achtsames Fahren ist hier angesagter denn je, und jedes Wenden, um passierbare Wege zu suchen, wird sehr wahrscheinlich mit noch spektakuläreren Aussichten belohnt werden.

Wer Metropolenflair und turbulentes, schrilles Szeneleben sucht, wird in der Basilikata garantiert nicht fündig werden.

Wer jedoch einsame, weite, unglaublich schöne Hügellandschaften und schroffe Berge („die Dolomiten der Basilikata“) mit verschlafenen, nestartig weit oben thronenden alten Dörfern und Städten mag, dafür umso mehr.

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Zurück zum Espresso. Bzw. erstmal zur Rösterei.

Die Antwort aus dem Hause Gallitelli, auf meine Bitte um Informationen hin, begann mit der zauberhaften Poesie von Google Translate: „Hey Frau Antje … Wie Gehts?? Gut??“
Fast schon bedauerlicherweise fand die weitere Korrespondenz mit dem Qualitätsmanager, Herrn Salluce, auf Englisch und Italienisch statt. Ich liebe internationalen 1:1-Sprach-Rock’nRoll, vor allem, wenn er so durch und durch arglos und schwungvoll auf’s Parkett gelegt wird!

1984, so erfuhr ich, begann Giuseppe Gallitelli mit dem Handel von Kaffeemaschinen und -mühlen. Seine Söhne, Luigi und Marco, stiegen irgendwann mit in das Geschäft ein.  1999 schließlich wurde, parallel zum Kaffee-Equipment-Sektor, die Rösterei Gallitelli aus der Taufe gehoben und fortan mit Enthusiasmus betrieben.

Es werde, schreibt Herr Salluce, das Ziel anvisiert „Medium“ zu rösten.

Die Robustabohnen, die Gallitelli verwende, stammten aus Indien, dem Kongo und aus Uganda. Die Arabicabohnen, die Gallitelli seinen Mischungen beifüge, seien aus Südamerika, vorwiegend aus Brasilien. 

Ab hier möchte ich Domenico Salluce selbst zu Wort kommen und aus seinem Alltag in der Rösterei plaudern lassen (Übersetzung von mir, nicht von Google Translate):

„Unsere tägliche Arbeit beginnt um 6 Uhr mit dem Aufheizen der Röstmaschine, während im Hauptlager mit dem Verladen der Güter für unsere Abnehmer (Privatunden oder Coffeeshops) begonnen wird.

Trotz der Pandemie sind wir zum Glück ziemlich beschäftigt. 

Gegen 7 Uhr morgens besuchen Marco, Luigi und ich die Produktion, um nachzusehen, ob dort alles seinen reibungslosen Gang geht.

Rohbohnen und geröstete Bohnen werden in Augenschein genommen und darauf überprüft, ob die Farbe so ist, wie wir sie haben wollen. 

Mit Hilfe unserer Arbeiter wird sichergestellt, dass sämtliche Maschinen in gutem Zustand sind. 

Nach unserem Rundgang trinken wir zusammen einen Espresso und diskutieren Pläne für die Zukunft, Möglichkeiten und was sonst so ansteht.

In der Regel veranstalten wir dreimal pro Woche ein kleines Cupping und schmecken uns durch Stichproben aus der laufenden Produktion …

Manchmal organisiere ich einen Grundkurs für einen neuen oder alten Kunden, in dem es um Espresso geht, und darum wie man mit der Milch richtig umgeht (Latte Art inklusive).

Letzten Donnerstag z.B. hatten wir hier 4 Kunden aus einem Café, das in unserer Gegend sehr bekannt ist. Wir hatten viel Spaß dabei, mit verschiedenen Extraktionen zu spielen und mit unter- oder überextrahierten Espressi fertig zu werden …“

Ganz herzlichen Dank, Herr Salluce, für die anschaulichen, persönlichen Einblicke! Mir ist, als wäre ich bei Ihrem morgendlichen Rundgang, beim gemeinsamen Espresso, beim Cupping und beim Barista-Einführungskurs dabei gewesen und hätte all das sehr genossen! Ich werde auf Ihre freundliche Einladung, Ihnen einen Besuch abzustatten und die Rösterei zu besichtigen, gerne zurück kommen!

Meine Bezugsadresse: https://italienische-feinkost-scarati.de/product/gallitelli-soave-espresso-kaffee-bohnen/

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Zur Verkostung:

Vor mir liegen Bohnen, deren Anblick Freude macht (kein Bruch, keine Mängel, keine verbrannten Stellen).

French Roast.
Mit Angabe des Röstdatums: 031120. Und mit Zubereitungsempfehlungen:

Beides ist ungewöhnlich und vorbildlich für eine süditalienische Rösterei!

Mir kommt ein sehr angenehmer, warmer, toastig-röstiger Duft entgegen.

Siebträger-Maschine: Strietman CT2.

Mühle: HG1 (Craig Lyn)

Meine Bezugs-Parameter:
14g – 14,2g, mittelfeiner bis feiner Espressomahlgrad. Die wohlschmeckendsten, rundesten Ergebnisse hatte ich bei 94-95ºC.

2 1/2 Schluck out in gezählten (!) 22-26 Sek.

Der ‚Soave‘ hat ein weites Toleranzfenster, er verzeiht Abweichungen von der perfekten Temperatur und vom optimalen Mahlgrad (der natürlich, wie immer, je nach Luftfeuchtigkeit und Alter der Bohnen variiert), ohne sich zu perfiden Racheakten verleiten zu lassen. Auch bei 92ºC, 93ºC oder 96ºC und etwas langsamerer wie etwas schnellerer Fließgeschwindigkeit schmeckt er immer noch sehr angenehm und bleibt weich.

Mit den bestmöglichen Einstellungen zeigt sich ein geschmeidiger, dicker Fluss, ähnlich wie Ahornsirup, der sich schön zähtröpfelnd sammelt zu Beginn.

Das Mundgefűhl ist samtig weich, warm, schoko-schmelzig.

Seine Koffein-Gewichtsklasse liegt, ebenso wie die Textur, zwischen Halbschwergewicht und Schwergewicht, abhängig von der verwendeten Bohnenmenge und dem Mahlgrad. Er ist eindeutig von der stämmigeren, wuchtigeren Fraktion.

Erster Schmeck-Eindruck: Buttertoast mit geraspelter, dunkler Criolloschokolade, erinnernd an Domori Javablond. Dann weht ein Hauch von Macchiakräutern hinzu, winzige Noten von kandierter Grapefruit (mit Schale!). Eine Spur von sanfter, erdig-holziger, milder Paranuss lehnt sich genüsslich an. Eine winziger, würziger Anflug von Tabak, ganz zart und zurückhaltend. Süße! Eine weiche, runde, gar nicht so schwere Süße! 

Insgesamt ist der ‚Soave‘ für mich ein ungemein befriedigender Espresso, der mir vor allem den Brustraum weitet und wärmt.
Langer, weicher Abgang, wirklich mindestens eine dreiviertel Stunde lang. Das ganze Treppenhaus riecht sowas von köstlich nach dem Bezug, dass ich mehrfach von meinen Nachbarn begeistert darauf angesprochen worden bin.

Wer ein Café hat, und Kundschaft über die Nase anlocken möchte, sollte diese Bohnen für den Ausschank in Erwägung ziehen! Was der Nase versprochen wurde, wird auch dem Gaumen gegenüber ganz und gar gehalten!

Eindeutiges Wow!

P. S. : Die Fotos sind teils von Erminia Viccaro, meiner Lebensgefährtin, teils von mir. Das Foto mit den Rad-Rennfahrern habe ich von der Gallitelli-Facebook-Homepage stibiezt. Ich hoffe, das ist okay  …

 

 

Die Strietman CT2

Um es gleich vorwegzuschicken: Ich war wirklich glücklich mit meinen beiden La Pavoni Handhebelmaschinen, den Diven. Sie haben mir treu täglich allerleckersten Espresso kredenzt und ich habe sie dafür geliebt und gehegt und gepflegt. Win win.

Ich habe vor dem Kauf der CT2 überhaupt kein bisschen diese oder jene andere tolle, teure Espressomaschine alternativ in Betracht gezogen. 

Keine bezaubernde Bezzera Strega, keine coole Profitec Pro 800, keine aufregende Londinium R oder R24, keine kesse Olympia Cremina, keine verführerische, eingruppige Bosco. Zwar fand ich all diese Hebel-Primadonnen toll, aber ich hatte keine Sekunde lang vor, so viel Geld in eine Espressomaschine zu investieren. Schon allein, weil ich sie alle viel zu klobig fand für meine kleine Küche.

Außerdem war mir klar: Ich brauch viele Ausstattungsmerkmale nicht, die diese Maschinen mitbringen.

Ich trinke ausschließlich dunkel gerösteten Espresso, das erfordert wahrlich keine Raketentechnik.

Na gut, die Olympia Cremina ist nicht wirklich klobig. Und sie gehört als einzige der genannten Maschinen zum Stamme der Direkthebler, wie die Pavonis und die Strietman. Ich mag das Prinzip der Direkthebler, mit all den Möglichkeiten der unmittelbaren manuellen Beeinflussung des Bezuges. Und ja, ich gebe zu, ich habe mich eine zeitlang halbherzig nach gebrauchten Creminas umgesehen. So richtig überzeugt war ich nicht. Weder von der Optik, noch von ihren Vorzügen. Die Pavonis finde ich optisch um Längen ansprechender.

Es schien für mich sehr deutlich darauf hinauszulaufen, mit meinen beiden Diven, in trauter Einstimmung aufeinander, alt zu werden.

Wär auch sehr okay gewesen.

Dann erblickte ich sie eines Tages – und es war um mich geschehen: Zooooooooooosch! Die Strietman! Crash!!!! Schnappatmung!!!!! 

Es ging mir nicht um ein Upgrade, das sei hiermit klargestellt. 

Es ging mir um SIE!

Von einem Moment auf den nächsten war ich hoffnungslos verknallt in genau diese schlichte, rotschopfige, kerzengerade, unendlich lasziv dreinblickende, edle Direkthebler-Schönheit.

Ich fing also an, auf sie zu sparen, und ein paar Monate später saß ich, samt einer Sackkarre, im Zug nach Eindhoven, um MEINE Madame Strietman persönlich abzuholen. 

Ich war aufgeregt wie vor einem Schicksals-Date.  … Am nächsten Morgen wanderte ich vom seelenlosesten Hotel, in dem ich je genächtigt habe, ca. 5 km weit bis zu dem eindhovener Industrie-Areal, in dem sich die Wiege der Strietman-Espressomaschinen befindet.

Ich ließ mir von Wouter und seinem Assistenten Dorus alles ganz genau zeigen und erklären und durfte mich ausgiebig in der Werkstatt umschauen.

Es war wirklich nett und ich wurde durch und durch bestätigt in meinem Gefühl, dass die neue Espresso-Queen an meiner Seite aus sehr gutem Hause stammt.

Später fuhr Wouter mich und meine Eroberung in seinem alten Mercedes zurück zum Hotel, wo dann die Sackkarre, die ich dort gelassen hatte, zum Einsatz kam.

Am gleichen Abend trug ich sie über die Schwelle meiner Wohnung. Wir waren vereint.

Geigen.

Vorhang.

Okay. Kommen wir nun auf den Boden der Tatsachen: 

Was hab ich mir da eigentlich ins Haus geholt?

Und wie läuft es mit Frau Antje und Madame Strietman jetzt, wo der Honeymoon vorbei ist und wir seit Monaten Alltag miteinander leben? 

Soviel sei gleich verraten: Ich finde meine CT2 auch nach Monaten noch toll und freu mich jeden Tag wie eine Schneekönigin an ihr!

Was hat sie also, diese Maschine, was mir so sehr gefällt, dass ich sie auch nach dem Honeymoon und weiteren 6 Monaten der eingehenden Bewährungs-Prüfung nicht mehr missen möchte? 

Sie ist simpel. Sehr simpel. 

Nun mag ja simpel für manchereins mit allzu romantischen Vorstellungen vom einfachen, überschaubaren Leben verknüpft sein, die den realen Alltagsanforderungen des modernen Lebens und den individuellen Bedürfnissen nach Bequemlichkeit dann doch nicht standhalten. 

Mir fallen dazu spontan alte Wanderausrüstungen aus den 50ern und 60ern ein, die ich, so schön Vintage sie auch sein mögen, beileibe nicht mehr durch die Berge schleppen möchte. Ich hab’s allerdings getan. Lang ist’s her. 

Simple Dinge können sich als allzu fummelig, zeitintensiv, schwergängig, störanfällig und nervenaufreibend erweisen, um noch Spaß zu machen. Wobei das freilich nicht jeder gleich erlebt. 

Mein Gasherd, zum Beispiel, stammt vermutlich aus den 70ern. Könnte auch noch älter sein. Während ich bestens damit klar komme und viel darauf koche und im schrabbeligen Ofen, ohne Umluft und Oberhitze, schmore, findet meine Liebste, dass er eine Zumutung sei.

Zurück zur CT2. 

Für mich verkörpert diese Maschine eine Art von Einfachheit, die mich entspannt.

Eine Heißwassersäule wird mithilfe eines Kolbens und eines Handhebels durch gepresstes Kaffeemehl gedrückt. Das Wasser wird zuvor per integriertem Boiler auf die gewünschte Temperatur erhitzt. 

Das war’s. Frau Antje versteht alles, was da passiert und findet das gut.

Ich empfinde die Strietman weder als fummelig noch als zeitintensiv oder störanfällig in ihrer Handhabung, sondern als einfach und komfortabel zugleich. 

Nervenaufreibend ist ihre Handhabung schon gar nicht.

Sie ist ausgesprochen leicht zu bedienen, leichtgängig, leicht sauber zu machen und leicht instand zu halten. Frau Antje mag es simpel – aber nicht unnötig kompliziert.

Hinzu kommt, dass die Strietman wunderbar anzufassen ist. 

Ich mag jeden Handgriff, den es zu verrichten gilt, um der CT2 hervorragenden Espresso zu entlocken.

Sie ist überschaubar. Außer der Boiler-Heizung und dem Thermostat liegt bei der CT2 alles offen und ist somit einsehbar und im Falle eines Falles höchstwahrscheinlich leicht reparierbar. Das beruhigt mich. 

Sie ist schön.  Für mich jedenfalls. Ich kenne keine schönere Espressomaschine. Die drei verschiedenen Metalle mit ihren verschiedenen Farben, das Holz der Griffe und die Kombination der eckigen und runden Formen ergeben  in meinen Augen etwas ästhetisch Vollkommenes. 

Mein Blick verweilt heute noch so gerne auf diesem Schmuckstück in meiner Küche, wie am ersten Tag.

Sie verbraucht kaum Strom, verglichen mit anderen Espressomaschinen. Lief ihre Vorgängerin, die CT1, noch mit einer Leistung von 750 Watt, so sind es bei der CT2 nur noch 500 Watt. Ganz schön wenig. 

(Zum Vergleich:  Sowohl die La Pavoni Handhebelmaschinen Professional und Europiccola als auch die Olympia Cremina laufen mit einer Leistung von ca. 1000 Watt. 

Die Profitec Pro 800 hat eine Leistung von um die 1600 Watt.

Die Bezzera Strega startet mit 1450-1650 Watt durch.

Für die Londinium R24 werden gar 2400 Watt in die Waagschale geworfen.)

Die Strietman wird aus hochwertigen, massiven, ungiftigen Materialien in einer kleinen holländischen Manufaktur gebaut. 

Kupfer, Messing, Edelstahl, Holz.

Da trifft es sich gut, dass ich ein Faible sowohl für langlebige, wertige, massive Werkstoffe, als auch für gutes, solides, kreatives Handwerk habe.

Wenn ich etwas Schönes, Wertiges, das in geringer Stückzahl, in einem kleinen, selbstständigen Betrieb produziert wurde, kaufen kann, macht mich das nachhaltig froh.

Sie hat eine recht kurze Aufheizzeit:  Nach zwanzig Minuten ist die Strietman temperaturstabil und betriebsbereit. Ganz schön schnell. 

Wenn ich sie also während des Frühstückens einschalte, kann ich mir direkt nach dem Frühstück einen Espresso zubereiten. Falls mir danach ist, sogar einen zweiten. Und einen dritten. Das empfinde ich, nach der Zeit mit meinen beiden Diven der zweiten Generation, als echten Luxus. Denn nicht umsonst hatte ich zwei davon nebeneinander stehen. Zwei Bezüge hintereinander mit dergleichen Maschine fanden die Diven nämlich doof und überhitzten dann gleich mal in steter Zuverlässigkeit.

Klar, ein Temperaturmod hätte Abhilfe geschaffen. Aber dieses Ergänze und Rumgebastle fand wiederum ich doof.

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„The Strietman is probably the easiest lever to use/dial-in. But you should know first if you do like levers :-).“ 

„Die Strietman ist wahrscheinlich die am einfachsten zu bedienende /erschließbare Handhebelmaschine. Aber du solltest schon wissen, ob du Handhebel überhaupt magst 🙂 .“ 

(Zitat aus Home-Barista) 

Wer sich eine Strietman zulegen möchte, sollte folgende Ansprüche auf keinen Fall haben:

1. Milch damit aufzuschäumen. 

2. Den Output während des Bezuges zu wiegen. 

3. Mehr als 3 Espressi kurz hintereinander zu ziehen. 

4. Tasten zu drücken. 

5. Parameter von Displays ablesen zu wollen. 

6. Mit den üblichen 58mm- oder 54mm-Sieben zu arbeiten. 

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Zu 1.: Die Strietman hat keine Dampflanze.

Sie wurde einzig und allein für den Bezug von Espresso konzipiert.

(Natürlich gibt es für Leute, die irgendwann einen Sinneswandel durchmachen und dann plötzlich doch Cappuccino zubereiten wollen, die Möglichkeit, sich eine separate Dampfmaschine zuzulegen. Da gibt es einiges an eindrucksvollen Eigenbau-Beispielen im Internet zu finden. Außerdem gibt es, fertig zu kaufen, sogenannte Stove Top Milk Steamer, z.B. von Bellman oder von Belpasta. Von Vesubio wird ein Vintagemodell gelegentlich gebraucht angeboten).

Zu 2.: Unter den eingedrehten Siebträger passt entweder eine Tasse oder eine Baristawaage. Aber nicht beides. 

Ich habe, rein aus Neugier, Versuche mit einer ganz dünnen Münzwaage unternommen, über die ich, als Nässeschutz, ein Kondom gezogen habe. Geht. Ist nur irgendwie voll unelegant.

Die Strietman wurde also sehr offensichtlich für Menschen gebaut, die ihren Espresso gerne nach Sicht und Gefühl beziehen. Ohne Bezugs-Gewiege. Sozusagen für Menschen wie mich.

Update: Es gibt doch eine Waage, die genug Platz zwischen CT2-Siebträger und Tasse zum Zukucken beim Bezug lässt: Die 6,5×6, 5 cm winzige, 13mm flache ‚Pyxis‘ von Acaia. Teuer wie ein Juwel aus der Krone der Queen. Hypersensibel. Aber passt. Umso mehr noch, wenn man ein quadratisches Loch ins Abtropfgitter schneidet, so dass die Pyxis ein gute Stück weit darin versenkt werden kann. Dann bleiben nämlich üppige 2,2cm zum Espressoflow-Watching.

Ich persönlich nutze die Waage höchst selten. Mein Augenmaß reicht mir und ist sehr zuverlässig. Da ich ja aber Espresso verkoste und mich öffentlich darüber auslasse, werde ich öfter nach Bezugszeit und Output befragt. Also danach, in wieviel Sekunden sich wieviel g Espresso in der Tasse befanden. Solche Auskünfte kann ich jetzt geben, anstatt zu schreiben: „Tröpfelnder Bezug, im Kopf gezählte 50 Sekunden, 2 1/2 Schluck out.“ Falls ich daran denke, auf das Display zu kucken, bevor ich meinen Espresso genieße …

Zu 3.: Die Strietman hat einen relativ kleinen offenen Boiler. Da passen maximal 400ml rein. Laut Handbuch sollen sogar nur maximal 350ml eingefüllt werden. Wouter Strietman meinte auf meine Nachfrage hin („Why only 350ml?“), 400ml einzufüllen sei völlig okay und führe sogar zu noch mehr Temperaturstabilität. Die offizielle Angabe beinhalte eine Sicherheits-Pufferzone. Damit auch ein Mr. Bean die Küche nicht überflutet beim Befüllen. 

Nach 3 Shots inklusive kurzem Flushen war’s das jedenfalls mit Brühwasser. 

Es sollen auch schon Leute 4 Shots aus einer Boilerfüllung bezogen haben, hab ich im Internet gelesen. Na ja, vielleicht so ganz ohne Nachspülen, wer weiß. Oder sie haben den Boiler mit mehr als 400ml bis an den Rand gefüllt ….

Zu 4.: Die Strietman hat keine einzige Taste. Geschweige denn ein Touchpad. Was sie hat, ist ein kleines, metallenes An-/Aus-Hebelchen für Strom und einen analogen Temperaturregler, der per robustem Drehknopf eingestellt wird. 

Da es sich um eine Direkthandhebelmaschine handelt, ist sie natürlich mit einem Handhebel ausgestattet, mit welchem der Kolben in der Brühgruppe auf- und abwärts bewegt werden kann. Kurz vor dem eigentlichen Hochziehen des Hebels, dort, wo der Hebel ca. 1-2 mm Spiel hat, öffnet sich kurz das Ventil im Kolben, so dass etwas Wasser unten durch das Duschsieb in das mit Kaffeemehl gefüllte Sieb im Siebträger strömt, sofern der Bezug entsprechend vorbereitet wurde. Dies kann als passive Präinfusion gelten. Das leichte Ausströmen des Wasser wird gestoppt, sobald das eigentliche Hochziehen des Hebels beginnt, und setzt wieder ein, wenn das Hochziehen, wo auch immer auf der Strecke, gestoppt und der Hebel im oberen Spiel gehalten wird. Drückt man den Hebel runter, wird, solange der Hebel in der Abwärtsbewegung ist, der Puck geduscht und ausgepresst. Das Duschen stoppt, sobald die Abwärtsbewgung angehalten wird. So können die aktive Präinfusion und sowohl die Länge, als auch der Druck des Bezuges präzise gesteuert werden.

Alles manuell.

Zu 5.: Madame Strietman trägt keine Displays. Sie sagte mir, sowas stehe ihr nicht.

Wouter Strietman hatte bei der CT2 , die er in seiner Werkstatt zum Espressomachen benutzt, ein Milchthermometer oben im offenen Boiler hängen. So eins hab ich mir dann zuhause auch gekauft. 

Um das Thermometer auch zusammen mit dem Edelstahldeckel für den Boiler nutzen zu können, habe ich beherzt, mit einem entsprechend dicken Nagel, ein Loch in diesen getrieben. Der Thermometerfühler passt perfekt hindurch. Damit er die Wand des Boilers nicht berührt, habe ich mir die Holzknopf-Lösung (siehe Foto) einfallen lassen.

So wird tatsächlich ausschließlich die Temperatur des Wassers gemessen, ohne dass die Boilerwand die Messung verzerrt. 

Warum überhaupt ein zusätzliches Thermometer? 

War das nicht so, dass man die Temperatur einstellen kann?

Ja, kann man.

Es ist so: Die Maschine durchläuft Heizzyklen. Wenn sie die angestrebte Temperatur erreicht hat, was nach ca. 20 Minuten und 5 Heizzyklen der Fall ist, bleibt sie stabil innerhalb eines Spektrums von 1,5ºC unterhalb und maximal 1,5ºC oberhalb der Zieltemperatur. Sinkt die Temperatur darunter, wird der nächste Heizzyklus ausgelöst. Wenn man seinen Espresso punktgenau mit einer bestimmten Zieltemperatur beziehen möchte, und nicht nur Pi mal Daumen, hilft einem das Thermometer, diesen Zeitpunkt abzupassen. 

Allerdings werden die meisten Strietman-Besitzer*innen recht bald, wenn ihnen ihre Maschine geläufig geworden ist, auch ohne Thermometer, anhand der Phasen des Heizzyklus, wissen, wann der entsprechende Moment gekommen ist:

Stoppt die Maschine den Heizvorgang, dann springt mit einem leisen Klick das rote Lämpchen an, welches ihre Bereitschaft zum Bezug anzeigt.

Ab hier warte ich noch 10 gezählte Sekunden, während das Wasser im Boiler sich, dem Lämpchen etwas hinterherhinkend, vollends die ganze Heizwärme nimmt.

Dann erst stimmt die Temperatur genau.

Als weiteres Messinstrument gibt es von der Firma Naked (www.naked-portafilter.com) ein sogenanntes ‚Piston Pressure Kit‘ zum Nachrüsten, mit dem der Kolbendruck den man während des Bezuges anwendet, gemessen werden kann. Es gibt bei Naked sogar einen passenden Deckel für den Strietman-Boiler zu kaufen. Er ist mit einer Öffnung versehen, durch die sich die Kolbendruck-Anzeige auf und ab bewegen kann. Insgesamt sicherlich ein cooles Teil, das ich bisher jedoch nicht käuflich erworben habe. 

Reguliert wird der Kolbendruck so oder so manuell, ob man ihn nun währenddessen misst oder nach Gefühl vorgeht.

Zu 6.: Die Siebe, die in den Strietman-Siebträger passen, haben einen Durchmesser von 49mm. Genauso, wie die Siebe der alten La Pavoni Handhebelmaschinen und die der Olympia Cremina. 

Die zur Strietman gehörigen Präzisions-Siebe werden von der Firma IMS gefertigt. 

Das kleinere Strietman-Sieb ist, bis auf das fehlende Pavoni-Logo am Boden, identisch mit dem 49er La Pavoni-Doppelsieb von IMS. 

Die maximale Füllmenge beträgt 14,5g (dunkle Röstung).

In das große Strietman-Sieb können allerhöchstens 18,5g Mahlgut (dunkle Röstung) gefüllt werden. Bei mittleren bis hellen Röstungen dürften es jeweils 1-3g mehr sein. 

Für die, die es ganz genau von mir wissen wollen –

Meine Routine für einen Doppio Ristretto sieht folgendermaßen aus:

Flushen und mit dem heißen Flush-Wasser die Tasse vorwärmen.

14,5g Mahlgut (kleines Sieb) oder 16g (großes Sieb) + Pucksieb

Hebel zu ca. 2/3 anheben

(die Zeit des Hebelhochziehens sollte bereits als passive Präinfusionszeit gerechnet werden, da sofort mit dem Anheben Wasser auf das Mahlgut im Siebträger strömt),

Hebel senken (Ausströmen des Brühwassers stoppt, sobald der Hebel nicht weiter nach oben bewegt wird), bis ein feiner Widerstand spürbar wird. Ab hier beginnt entweder die aktive Präinfusion, solange in dieser Position verweilt wird, oder der Bezug, sobald der Kolben gegen den Widerstand weiter nach unten gedrückt wird.

Ich beende den Bezug, wenn der Espresso in der Tasse meinen Vorstellungen entspricht („2 1/2 – 3 Schluck out“). Der Hebel ist zu diesem Zeitpunkt nicht vollständig nach unten gedrückt, sondern hat noch einiges an Strecke vor sich. Ich zieh die Tasse unter dem Siebträger raus, lass den Hebel auf Halbmast stehen, stell ein Henkeltöpfchen zum Tropfen-Auffangen drunter, und geh in Ruhe meinen Espresso genießen. …

Der Siebträger kann – anders als bei den unter Druck stehenden La Pavoni Handhebelmaschinen – auch bei hochgezogenem Hebel ausgespannt werden, was sehr zeitsparend ist, vor allem wenn kurz nach dem ersten ein zweiter Bezug erfolgen soll.

In punkto Bezug von zwei Espressi gleichzeitig, unter Zuhilfenahme des Doppelauslaufes, wünsche ich mir von Wouter Strietman eine elegantere Lösung! Sprich: Einen eigens konstruierten Siebträger aus Messing, mit formschönem, gut funktionierendem Doppelauslauf, dem Adel der Maschine angemessen! 

Der einklickbare Doppelauslauf aus Stahlblech funktioniert zwar ganz gut, aber er wirkt wie die Plastik-Ketchupflasche beim Dinner im Sterne-Restaurant.

Meine Doppelauslauf-Routine gestaltet sich wie folgt:

Tassen mit heißem Wasser aus dem Wasserkocher vorwärmen.

Kurzes (!) Flushen.

18-18,5g Mahlgut (großes Sieb, Headspace gegen Null),

Hebel maximal nach oben,

aktive Präinfusion je nach Bohnen (nach der längeren Hebel-Hochzieh-Zeit eher keine, da die passive PI ja auch ihre Wirkung hat),

Abbruch des Bezuges, wenn beide Tassen je einen annehmbaren Ristretto in sich bergen. Der Hebel ist zu diesem Zeitpunkt fast ganz unten. Zwei normal lange Espressi gingen so grade eben.

Fazit bezüglich des Doppelauslaufes: Ja, die Strietman kann zwei auf einen Streich. Auch wenn sie dafür ursprünglich nicht gebaut wurde.

(Inzwischen habe ich zur Wasserwaage gegriffen und die Position der Maschine so gerichtet, dass die beiden Tassen nahezu gleichmäßig gefüllt werden. 🙂 )

Das Fließverhalten ist hierbei natürlich etwas zögerlicher als beim bodenlosen Bezug. Der Espresso muss die beiden Stanzlöcher im Blech erstmal finden, was so seine 1-2 zusätzlichen Sekunden dauert, wobei er minimal an Temperatur verliert (> Tassen heißer vorwärmen als beim Einerbezug!). Dann kommt er schließlich geflossen, wie er soll, und mit gutem Ergebnis in den Tassen.

Thema Support: Top! Wouter antwortet schnell und ist mit Rat und Tat zur Stelle. Das konnte ich erleben, als ganz zu Anfang der Siebträger zu viel Spiel hatte und es drüber raus suppte beim Bezug. Innerhalb von wenigen Tagen wurde per Express ein neuer geliefert.

Noch was?

Nö.

Die Strietman CT2 ist goldrichtig für mich. Und vielleicht auch für manch andere*n Espresso-Freak. Frau Antje ist jedenfalls restlos begeistert, wirklich ganz ohne Abstriche – bis auf den armseligen, blechernen Behelfs-Doppelauslauf.

Ich geh mir jetzt mit Madame S. einen perfekten Espresso machen und viel Spaß dabei haben.

The End.

 

 

 

 

 

 

Die HG 1

 

Für alle, die das Teil zum ersten Mal zu Gesicht bekommen und sich fragen, um was es sich wohl handelt: Nein, es ist KEIN Schleifstein,

sondern eine handbetriebene Espressomühle. Genau genommen handelt es sich um eine handbetriebene Stand-Espressomühle für zuhause – im Gegensatz zu mobilen Handmühlen, die, auch wenn viele Kaffee-Enthusiasten sie zuhause für Single-Dosing verwenden, ursprünglich eher für Reisen und Outdoor-Freizeit konzipiert wurden.

Die HG1 ist eine Design Klassikerin und die Grande Dame der sehr hochwertigen, handbetriebenen Stand-Kaffeemühlen. Im Internet sind Sätze zu lesen wie: „Die HG one ist nicht einfach nur irgendeine Handmühle. Sie ist DIE Handmühle“.

Nun gibt es natürlich noch ein paar mehr sehr sehr tolle Handmühlen und einige wenige andere supertolle Stand-Handmühlen für Kaffeebohnen. An der HG1 jedoch messen sich nach wie vor alle High End-Stand-Hand-Kaffeemühlen (was für ein Bandwurm-Wort!), die nach ihr gebaut wurden. Mir fallen da aus dem Stegreif die Kinu M68 (68mm konisches Mahlwerk), die Malwani Livi (83mm konisches Mahlwerk) und die MG1 von Mahlgut (68mm konisches Mahlwerk) ein. Wahrscheinlich gibt es mehr als diese. Jede der eben von mir genannten Mühlen habe ich vor dem Kauf ernsthaft in Erwägung gezogen, wobei die MG1 mittlerweile gar nicht mehr produziert wird und nur noch gebraucht erhältlich ist.

Alle vier Mühlen liegen bzw. lagen preislich bei um die 1000 Euro (Stand Herbst 2020), gelten als technisch ausgereift und hochwertig – und garantieren tolles Mahlgut.

Bei der HG1, der einzigen der genannten Mühlen, die nicht in Deutschland gebaut wird, kommt noch einiges Geld für Versand, Steuern und Zollgebühren dazu.

Letztlich habe ich mich aus reiner Leidenschaft für die HG1 entschieden, obwohl sie sicherlich diejenige Kandidatin ist, die am meisten Muskeleinsatz von ihrem Menschen verlangt. 

Warum? Weil ihr ausladendes, konisches 83mm-Mahlwerk nicht, wie das der Malwani Livi, dreifach übersetzt ist, sondern direkt gewuchtet werden muss. Die 68er Mahlwerke der anderen beiden Mühlen sind, aufgrund ihrer geringeren Größe, sowieso leichter zu bewegen.

Aber für mich ist die HG1 nun mal die Mühle mit der ansprechendsten Persönlichkeit und Optik. Wo die Liebe eben hinfällt … Frau Antjes Home-Fitness-Studio ist dadurch um ein effektives Gerät erweitert worden.

Wer sich für die HG1 interessiert und rumstöbert, wird im Internet auf zwei Adressen stoßen, wo diese verkauft wird:

Die von ‚Craig Lyn Design Studio‘ und die von ‚Weber Workshops‘.

Ich fand das zunächst ein bisschen verwirrend und habe recherchiert.

Folgendes hat es mit den beiden Adressen auf sich:

Die Erfinder und ursprünglichen Konstrukteure der HG1 sind Craig Lyn (der zuvor für die Spezialeffekte-Firma ‚Industrial Light + Magic‘ in der Filmindustrie tätig war) und Paul Nahhas (zuvor klassischer Violinist an der San Francisco Opera). Zusammen gründeten sie im Jahre 2012 eine Firma, die so hieß, wie ihr Produkt: HG1. Paul Nahhas verkaufte allerdings recht bald seine Firmenanteile wieder an Craig Lyn, welcher sich ein Jahr später geschäftlich mit dem Apple-Designer Doug Weber zusammentat. Fortan nannte sich die Firma eine Zeit lang Lyn-Weber-Workshops. Inzwischen sind Lyn und Weber keine Geschäftspartner mehr und die HG1 ist sowohl über das ‚Craig Lyn Design Studio‘ (ansässig in den USA) als auch über ‚Weber Workshops‘ (ansässig in Japan) erhältlich.

Die Mühlen, die Craig Lyn herstellt und verkauft, haben als Seele das Mahlwerk, das auch in der großen, elektrisch betriebenen, wesentlich teureren Gastro-Mühle ‚Mazzer Robur‘ verwendet wird.

Die Mahlwerke in den HG Ones von Weber Workshops werden ebenfalls als denen der Mazzer Robur gleich beworben (was von einem Käufer im Internet angezweifelt wird) und obendrein mit einer lebensmittelechten, sogenannten TiN-Beschichtung versehen, die eine längere Lebensdauer garantieren soll.

Ich gehe davon aus, dass sowohl Craig Lyn als auch Doug Weber Top Qualität verkaufen. Der Preis ist der gleiche. Meine Mühle habe ich bei Craig Lyn bestellt. Bei zwei bis drei Espressi am Tag dürfte das reguläre, ungepimpte Mazzer-Mahlwerk mich überleben. Und wenn nicht, lass ich mir mit 107 oder so halt ein neues schicken …

Außerdem ist das TiN-Coating von Weber Workshops wohl eher bei helleren Röstungen nötig, weil die Bohnen viel härter sind. Sowas kommt Frau Antje ja eh nicht in die Mühle.

Und die Shippinggebühren aus Kalifornien sind geringer als die aus Asien.

Bis das gute Stück dann endlich da war, hat es ein Weilchen gedauert. Schuld war der Zoll. Aus irgendeinem Grund pendelte Gräfin Mahlzahn zweimal zwischen Deutschland und Kalifornien hin und her, wenn das stimmte, was die Zoll-Status-Updates mir kund taten.

Irgendwann zog sie schließlich doch noch bei mir ein.

Für die, die sich bereits eine HG1 zugelegt haben und sich mit dem englischen Text der Bedienungsanleitung schwer tun, habe ich hier zusammengefasst, wie die HG1 eingestellt wird (Keine Sorge, es klingt tüdeliger als es ist!):

1 (orange) = Verschlussring

2 (türkis) = Mahlwerkkragen

3 (magenta) = Mahlwerk

Den Verschluss-Ring – 1 – (das runde Alu-Ding, wo die Zahlen drauf sind) anheben, bis die Stiftchen auf dem Mahlwerk-Kragen – 2 – zu sehen sind und ganz frei liegen.

Den Verschlussring mit einer Hand angehoben halten. Währenddessen das darunter befindliche Mahlwerk – 3 – (das sehr wichtige Ding, das beweglich innerhalb dessen Mahlwerk-Kragens mit den Stiftchen liegt) im Uhrzeigersinn komplett schließen. D.h. drehen, bis die inneren und die äußeren Mahlzähne sich berühren. Hier befindet sich der Nullpunkt. Von diesem Nullpunkt ausgehend wird das Mahlwerk nun 1 1/4 ganze Umdrehungen (360º +90º) gegen den Uhrzeigersinn bewegt. An dieser Stelle angekommen, kann wahlweise entweder die Null (0) oder die 3 oder die 6 oder die 9 auf dem Verschlussring über den Punkt (•) gesetzt werden. Das ist tatsächlich frei wählbar! Was du dir ausgesucht hast, ist dann dein persönlicher Referenzwert.

Ich habe die 9 gewählt. Über dem • befindet sich bei meiner Mühle also der Mahlgrad 9’0“. Von hier ausgehend liegt das Spektrum, innerhalb dessen ich meine dunklen Bohnen für einen Espresso-Singleshot mahle, zwischen ca. 5’0 und 6’2.

Der Mahlgrad 6’0 auf meiner (!) HG1 entspricht dem Mahlgrad 8’0 auf meiner Apollo.

Zum Lieferumfang der HG1 gehört etwas, was mich sehr begeistert: Ein sogenannter ‚Blind Tumbler‘.

Ein geniales Werkzeug, wie ich finde!

Das Kaffeemehl fällt durch den magnetisch unter dem Mahlwerk angebrachten Trichter in den Blind Tumbler hinein. In diesem rühre ich das Mahlgut ein paarmal mit einem Essstäbchen um (es sollte nichts dünneres sein, damit es nicht zur unerwünschten Redistribution des Mahlgutes kommt), was dafür sorgt, dass die Kaffeemehl-Partikel sich gleichmäßig verteilen und das Mahlgutvolumen sich entflufft. Dann setze ich den Tumbler auf mein vorgewärmtes Sieb, hebe den Verschlusspfropfen an und schlage diesen ein paarmal wie ein Glöckchen gegen die Innenseite des Tumblers. Dieser Glöckchen-Sound gehört mittlerweile zu meinem Espresso-Zubereitungsritual!

Mit dem Tumbler noch auf dem Sieb klopfe ich das Ganze ein paarmal von oben nach unten senkrecht auf die Tischplatte, so dass das Mahlgut im Sieb schön zusammensackt, anstatt sich über dessen Rand hinauszuwölben.

Ich entferne den Trichter des Tumblers, levele gegebenenfalls, tampe, setze das präparierte Sieb in den warmen Siebträger – und spanne den Siebtrager fertig zum Bezug ein.

Da nicht alle Espressomaschinen mit den gleichen Siebdurchmessern arbeiten, ist der Blind Tumbler sinnvollerweise an der Unterseite, wo er auf das Sieb (oder direkt auf den Siebträger) gesetzt wird, mit unterschiedlich großen Halte-Rillen versehen, so dass er auf jede Siebgröße passt.

Frau Antjes Troubleshooting:

Trouble? Ja, gab es. Die Mühle wackelte und kippelte beim Kurbeln auf ihrem Fuß herum und ich war genervt. Nach ein paar Wochen des Tanzens mit ihr war ich das Gewackele leid. Ich sah ein, dass es mehr Körperkraft braucht, als mir zur Verfügung steht, um die Mühle beim Mahlen stabil auf der Tischplatte zu halten. Also nahm ich Maß, wandte mich an einen benachbarten Schlosser und ließ der Gräfin eine 12 kg schwere Stahlplatte unter den Fuß schrauben. Und zwar so, dass ich sie jederzeit abschrauben kann.

Seither ist die Zusammenarbeit zwischen uns beiden eine reine Freude.

Und nun zum Wichtigsten, dem Mahlgut:

Im direkten Vergleich zu meiner anderen Lieblings-Handmühle für zuhause, der Apollo von BPlus, kann ich folgendes sagen:

Die HG1 bringt geschmacklich eindeutig mehr Klarheit. Bei gleichem Mahlgrad (Fingerspitzen- und Lupen-Test) hat das Mahlgut der HG1 etwas von einem mit Sternen übersäten Himmel über einem Nachtlager hoch in den Bergen im August. Ich sitze mit dem Schlafsack um die Schultern auf der Isomatte und trinke tiefdunklen, heißen, edlen Kakao, während es um mich herum Sternschnuppen regnet.

Das Apollo-Mahlgut ist qualitativ keineswegs schlechter – aber anders: Hier trinke ich den Kakao eher drinnen am prasselnden Kamin. Der Raum um mich herum ist enger, die Aromen sind dichter gebündelt und funkeln weniger. Der Körper des mit der Apollo gemahlenen Espresso ist schwerer, behäbiger, lulliger und voller, während der Körper des Espresso aus dem HG1-Mahlgut leichter, tänzelnder, weiter und schwingender ist, durchwoben von deutlich mehr Obertönen.

Beides hat seine Reize. Wer Schokolade, Schokolade und immer nur Schokolade will und warmes, gemächliches, süßetrunkenes Strömen dabei, wird mit der Apollo eventuell sogar die bessere Wahl treffen. Die Apollo betont die wuchtigeren, dichteren Kernaromen von Kakao. Ich spreche dabei von Tendenzen und Nuancen! Wie gesagt: Die Apollo ist meine zweite Lieblingsmühle, wenn es nicht ums Reisen geht (dafür ist sie zu schwer) …

Wem es mehr um den unendlichen, atemberaubenden Aromenkosmos geht, um das Klingen und Summen und Glitzern und Aufleuchten der Aromen im ganzen Körper, wird von den Mahlkünsten der HG1 hin und weg sein. Was im übrigen nicht heißt, dass das Schokoladige vor lauter Sternennacht in Vergessenheit geriete. Die Schokoladigkeit zeigt sich durchaus, wenn die Bohnen diese mit sich bringen – und zwar in all ihrem vielhundertfältigen, ausdrucksstarken Aromenreichtum, den richtig guter Kakao nun mal haben kann. Edler Kakao birgt nicht nur wuchtige, schwere, süße Noten in sich, sondern oft eine ganze, himmelfüllende Aromen-Symphonie. Was erst recht für guten, tiefdunkel gerösteten Espresso gilt! 

Fazit:

Frau Antje hat beide Daumen oben. Die HG 1 ist eine Anschaffung, die sich lohnt. Natürlich nur für Handkurbel-Freaks, die nicht darauf aus sind, 18g Kaffeebohnen per Tastendruck in 0,7 Nanosekunden staubfein zu bekommen.

Zum Schluss noch ein paar Maße:

Tiefe: 27 cm

Höhe: 67 cm

Breite: 23 cm

Gewicht: 11.5 kg

 

 

„Espresso No.2 – Hallo wach“ von Kaffee Brewda

Frau Antje testet zur Abwechslung mal wieder eine Röstung aus ihrer Nachbarschaft:

Den ‚Espresso No.2 – Hallo wach‘ (50% Arabica/50% Robusta) von Kaffee Brewda. Geröstet in der Hamburger Speicherstadt. Zufällig gefunden beim Einkaufen in der Rindermarkthalle. 7,50€ für’s halbe Pfund.

Erik Brockholz, der Röster, ist, so verrät mir Kaffee Brewdas Website, zweifacher deutscher Vizeröstmeister und Goldmedaillengewinner der Röstergilde. Also offenbar jemand mit viel Erfahrung und Können.

Noch bevor es mit dem Testen losgeht, scheitere ich gleich mal am Verschluss der 250g-Packung: Durch ein Aufziehen der Lasche soll die Clipleiste freigelegt werden. Stattdessen reißt mir die Lasche ab. Und das sowohl auf der einen, wie auf der anderen Seite. Grmpf.

Ich öffne die Packung notgedrungen mit der Schere und stelle fest, dass der Clipverschluss nur an einer Innenseite der Packung befestigt ist.

Okay, doofe Tüte, kann passieren. Es gibt ja Klammern.

Die recht dunklen, paranussbraunen, matten Bohnen darin duften warm und sehr angenehm röstig.

Der Duft enthält erfreulicherweise nichts Grünes, das mich, die eingeschworende „Ab-Second-Crack-Anhängerin“, abschrecken könnte.

Der Espresso läuft sämig und glatt. Rehbraune Crema mit schöner, satter Konsistenz (kein Wunder bei 50% Robusta). Geschmeidiges Mundgefühl.

Beim Schmecken fällt mir als Erstes ein ganz kurzes, mild-säuerliches Aufblinken auf der Zungenspitze auf. Oh! Das hatte ich nicht erwartet! Dann kommt etwas Herbes, Rauhes, leicht Wildledrig-Stumpfes durch, während das Mild-Säuerliche sich nach einem Sekundenbruchteil verliert.

Ich fühle mich ein klein wenig an die zarte, sich an kräftigere Aromen anlehnen wollende Mehligkeit von grünen Bohnen erinnert. Des weiteren an zuckerreduziertes Mandelmarzipan, an kratzige Mostbirnenschale und an, auf wenige, malzige Aromen konzentrierte, dunkle Schokolade.

In meinem Körper wirkt der ‚Hallo wach‘ eher neutral bis kühlend als warm. Auch das erstaunt mich, nachdem er so warm geduftet hatte.

Nach 6 Bezügen stelle ich fest:
Was mir bei diesem Espresso persönlich fehlt, sind die Obertöne, das Erhebende, Feine, Betörende von nachtschwarzen, temperamentvollen Edelkakaokompositionen und die marmeladig-schwingende Süße von kandierter Frucht – also das, was die großen süditalienischen Röstungen allesamt mitbringen, so unterschiedlich diese ansonsten auch voneinander sein mögen.

‚Hallo wach‘ ist eine Mischung, die eher das Bild eines umgepflügten schleswig-holsteinischen Ackers im nebligen Spätherbst in mir wach ruft. Alles ein bisschen schwer, kühl, gedämpft und klobig an den Schuhen. … Und damit kein falscher Eindruck entsteht: Ich liebe Schleswig-Holstein im November! Nur im Espresso wünsche ich mir mehr Vulkanerde, auf der Orangenbäume wachsen, und weniger neblige Ackerfurche. Was sicherlich von einem norddeutschen Röstmeister etwas viel verlangt ist.

In jedem Fall handelt es sich um hochwertige, kunstvoll geröstete Bohnen. Der ‚Hallo wach‘ sorgt durchaus für eine interessante Erfahrung und ist sicherlich eine Empfehlung für alle, die es auch mal friesisch-herb, karg und schnörkellos-bodenständig mögen.

„Ocoa“ von Blasercafé

Frau Antje ist lichterloh entflammt für einen Single Estate 100% Arabica aus der Dominikanischen Republik:

Den „Ocoa“ von Blasercafé (ein überraschendes Geschenk von einem Freund).

250g der erlesenen Spezialität kosten … ähm, ja … sie kosten knapp unter 20 Euro. Man reiche mir mein Diadem …

Dunkel geröstete, gleichmäßige Bohnen, die verlockend nach dunklem Kakao, Marzipan, roter Johannisbeere und Mango duften.

Im Mund vielschichtige, üppige, obertonreiche Noten von Marzipan, edelster Dunkelschokolade, Rotwein, Vanille, vollreifer Mango, rotem Johannisbeergelee und einer winzigen Spur von frischem, feuchtem Tabak. 

Geschmeidige, weiche Textur, schöne, beständige Crema. 

Der Ocoa löst eine sanfte, warme, beglückende Weitung innerer Räume aus. Ein endlos erscheinender, facettenreicher, äußerst harmonischer, Nachklang sorgt für ein paradiesisches Gefühl von langanhaltendem Wohlumsorgtsein.

Chapeau und Frau Antjes Tazzina d’Oro nach Bern!

„Napoletano Dok“ von Kenon

Heute möchte ich euch den ‚Napoletano Dok‘ von der Rösterei Kenon vorstellen.

Die  napoletanische Traditions-Kaffeerösterei wurde im Jahre 1892 als Familienbetrieb ins Leben gerufen.

1962 gründete der Nachfahre Vittorio Wurzburger, der damals eine renommierte Bar in Neapels Via Nazionale besaß, das Unternehmen „Café Centro Brasil“, von dem Caffè Kenon seither produziert wird.

Mittlerweise wird das Unternehmen in dritter Generation erfolgreich  weitergeführt von den Brüdern Walter (Marketing), Giovanni (Verwaltung) und Guglielmo Wurzburger (Produktion).

Ich habe in vielen Bars in Neapel Caffè Kenon getrunken. Allerdings günstigere Mischungen als die hier besprochene, welche, gut zubereitet, wie überall dort, durchaus auch ziemlich lecker sind.  …  Wobei ich mich in Neapel mehr zu Bars hingezogen fühle, in denen ich ein Tässchen Passalacqua (am liebsten den ‚Moana‘), Atene von Caffè Partenope oder ‚Gran Miscela Bar‘ von Moreno bekommen kann. Aber ich schweife ab …

Von allen Bohnenmischungen die Kenon im Programm hat, ist der ‚Napoletano Dok‘ die wohl hochwertigste, edelste und daher teuerste (dicht gefolgt vom ‚Karamell‘, den ich hier sicherlich auch noch ausführlich rezensieren werde. Von manchen Espresso-Gourmets weiß ich, dass sie den ‚Karamell‘ gegenüber dem ‚Napoletano Dok‘ bevorzugen. Wir werden sehen … ).

Gleich zu Beginn sei gesagt: Von dieser Mischung bin ich wirklich sehr sehr begeistert!

Ca. 10% Robusta werden für den ‚Napoletano Dok‘ angegeben, sowie 90% erlesene Arabicabohnen, die, so die offiziellen Angaben, vorwiegend bzw. vollständig von brasilianischen Plantagen stammen. Café Centro Brasil … Nomen est Omen.

Die, auf typisch napoletanische Art, sehr dunkel gerösteten Bohnen duften warm und verlockend nach fortgeschrittenem Karamell und nachtschwarzer, edler Schokolade.

Es sind etliche verschiedene Bohnen-Größen und -Formen zu erkennen. Die Röstfärbung ist durchgehend gleichmäßig. Bruch befindet sich so gut wie gar nicht in der Tüte.

Das Röstdatum liegt, als ich die Packung öffne, keine 3 Monate zurück. Es dürfte, meinen Überschlagungen zufolge, eher bei 3-4 Wochen liegen. Casa Napoli, die einzige Bezugsquelle für Caffè Kenon in Deutschland, bietet sinnvollerweise 3 Röstdatums-Kategorien, mit entsprechender Bepreisung, an: Weniger als 3 Monate alt, kurz vor Ablauf des MHD und die Zeitspanne dazwischen. Wer wirklich frische Bohnen will, zahlt, sofern diese aktuell vorrätig sind, ein bisschen mehr. Das lohnt sich, wie ich finde, und ist fair.

Die Bohnen, die ich teste, sind also wirklich frisch. Was bei italienischen Röstungen, die es in Deutschland zu kaufen gibt, bekanntlich nicht so oft der Fall ist.

Mühle: HG1
Mahlgrad: Fein (bei meiner Mühle 6’2“)
Maschine: Strietman CT2
14,2g in.
3 Schluck out.
94-95ºC.

(Die beiden rattenscharfen Schnitten, die ihr auf dem Foto seht, sind übrigens die teuersten, wertigsten Gegenstände, die ich mir in meinem ganzen, fast 60jährigen Leben bisher geleistet habe – und ich beabsichtige, mit ihnen alt, sehr alt, zu werden.

Bei nächster Gelegenheit werde ich euch meinen neuen Super-Duper-Luxus-Direkthandhebler und meine neue kosmische Edel-High Society-Handmühle in jeweils einem eigenen Gala-Beitrag vorstellen. Versprochen! So stolz wie ich darauf bin, kann ich gar nicht anders … ) 

Zurück zum ‚Napoletano Dok‘. Ich habe verschiedene Mahlgrade ausprobiert und das Ergebnis in der Tasse war jedes Mal lecker.

Bei etwas gröberem Mahlgrad und somit leichterer Extraktion kommt eine betörende, elfenhafte Karamelligkeit in den Vordergrund, während ein feinerer Mahlgrad obertonreichen, schwerer klingenden, warm-aromatischen Dunkelschokoladennoten den roten Teppich ausrollt, auf dem sich sodann satte Espresso-Kõrperfülle räkelt. In jedem Fall ist da eine tanzende Süße, die mal karamellig-ätherisch dahinschwebend und mal schokoselig-wohlgerundet wogend daherkommt.
Ich persönlich gebe der schokoladig-wohlgerundeten Ausprägung den Vorzug. 

Mit 10% Robusta-Anteil ist der ‚Napoletano Dok‘ bei aller fülligen Sämigkeit, die ihm bei feinerem Mahlgrad entlockt werden kann, natürlich kein gewichtestemmender Crema-Protz, sondern eher ein Feingeist im Samt-Cape.

In dieser feinen Samtigkeit finden sich exquisite, schmelzende, nussig-rahmige Dunkelkakao-Aromen mit leichter, vornehm-zurückhaltender Grapefruitschalen-Note. Insgesamt erinnern sie mich an die gerösteten Oro Verde-Kakaobohnen aus Peru von der österreichischen Schokoladen-Manufaktur Zotter, die einfach köstlich sind.
Zu den Dunkelkakao-Aromen gesellen sich zart-erdige, minimal tannenhonigherbe, etwas rauchig-holzige Noten von ungerösteter, frischer Paranuss. Sowie tiefschwingendes Dunkelkaramell, das jedoch im Hintergrund bleibt.

Im Mund verweilt lange noch ein weicher, edelbitterer Dunkelkakao-Nachgeschmack, während mein ganzer Körper sich ausgiebig tiefer, warmer, sinnesgenährter Zufriedenheit erfreut .

Alles in allem siebter Espresso-Himmel, wirklich!

„Senza Parole ll“ von der Rösterei Kaffeekultur

Heute möchte ich euch grandiose Röstaromen-Pyrotechnik aus Fulda vorstellen!
„Senza Parole ll“ von Kaffeekultur Fulda.

50% Robusta/50% Arabica.

Ein ausdrucksstarker, köstlicher, dunkel gerösteter Espresso, dessen Geschmacksprofil mich auf Anhieb an saftigen Rotwein-Schokoladenkuchen denken lässt. Rotwein-Schokoladenkuchen, wohlgemerkt, der mit erstklassigem, schwerem, trockenem Barolo  und bestem, tiefdunklem, balanciert-aromatischem, warm-schmelzendem Criollo-Kakao zubereitet wurde.

Dazu gesellt sich interessanterweise, während ich den Schluck einen Moment im Mund bewege, eine sehr zurückhaltende, kühl-würzige Note von schwarzem Assamtee.

Wir haben also eine Mischung , die wohlige Wärme und sehr zarte Kühle zugleich in sich birgt.

Spannende Schattierungen!
Da ist ein winziger, feucht-erdiger, leicht nussiger Anklang an frische Waldchampignons. Daneben das tiefdunkle, marmeladig-fruchtige Aromenschwingen sonnengereifter, süffig-süßer Zwetschgen und gekochter Rosinen. Wohldosierte, abrundende, warme Rauchigkeit. … Und all das begleitet von einem sehr angenehmen Mundgefühl, das etwas an frischem Rahm erinnert, nachdem man zuvor, nur einmal kurz, an einer Zigarette (eher spanische Ducados als was Blondes) gezogen hat.

Der Nachklang ist lang anhaltend warm-röstig und ausgesprochen befriedigend.

Ein dickes Lob und eine Tazzina d’Oro gehen hiermit an den Röster Wolfgang Klose!

„Espresso Black“ von der Kaffeerösterei Burg

Die Traditions-Kaffeerösterei Burg im Hamburger Stadtteil Hoheluft-Ost ist ein Laden, der wie aus der Zeit gefallen ist. Null stylish, schon gar nicht minimalistisch, kein bisschen durchdesignt lichtdurchflutet mit kargem, kühlem Chrom und Glas …

Im Gegenteil: Der Laden strahlt für mich sowas wie kinderfreundliche, heimelige Ofenwärme aus. Er ist schummrig und gestapelt voll mit einer museal anmutenden Mischung aus Blechspielzeug, Kaffee-Porzellan, Schokoladen aus aller Welt, Stövchen, Teedosen, einer alten, großen Blech-Registrierkasse, die tatsächlich noch in Betrieb ist, Handpuppen, Mobiles, Postkarten, alten Kaffeemühlen und Kaffeemaschinen, Keksen, dazwischen hochwertigen Pour Over-Wasserkochern, Edelstahl-Herdkännchen, neuen Espressomaschinen (Ascaso) und … Kaffeebohnen. Diese befinden sich in einer langen Reihe von alten Kaffee-Schütten. Viele der Bohnen sind irgendwie so 70er-Jahre-mäßig aromatisiert. Wie diese ganzen Lucy-in-the-Sky-Schwarztees von damals: Karamell, Erdbeere, Sahne-Toffee, Schoko und so. Dann gibt es auch die hochpreisigen Ikonen-Kaffees wie Hawaii Kona und Jamaika Blue Mountain und – sehr sehr verwerflicherweise – Kopi Luwak. Da möchte ich den zuständigen Menschen gerne schütteln und rufen: „Hallo?!! Das geht gar nicht! Wirklich! NICHT!“ Ein empörter Teil von mir schlägt mir vor, den Laden zu boykottieren. Pfui! (Liebe Leute vom Teehandelskontor Sturm GmbH, dies ist ein Wink mit der Schiffsplanke!) 

Andererseits hat Jens Burg, der langjährige Chef und Röstmeister, der inzwischen wohl in Rente gegangen ist, vor Jahren eine Initiative ins Leben gerufen, die bewirkt hat, dass der gelbe Postkasten auf dem Gehweg, der abgeschafft worden war, zurückkam. Dafür bin ich ihm heute noch dankbar. Außerdem schlägt das Herz meiner inneren Vierjährigen jedesmal sofort um ein Vielfaches höher, wenn ich über die Schwelle geh. Da drin ist es einfach märchenhaft verwunschen und es duftet hinreißend nach leckeren Dingen und überall ist etwas, bei dem meine Augen gerne verweilen und an dem ich schnuppern oder das ich gerne anfassen mag.
Und schlussendlich gibt es neben den ganzen Aroma-Kaffees und den fiesen Schleichkatzenquäler-Bohnen auch richtig guten Espresso dort.

Ja, ich geb’s zu: Ich liebe diesen Laden!

Geröstet wird einmal pro Woche. Meistens sind die Bohnen so frisch, dass sie noch gut 8-10 Tage zum Ausgasen lagern sollten.

Mein Espresso-Favorit von Burg ist der „Espresso Black“ (unten rechts im Bild – die Bohnen sehen auf dem Foto heller aus, als sie sind. Links der „Espresso Dunkel“) . 65% Arabica/35% Robusta-Bohnen aus Brasilien, Kolumbien und Indien.

Ich ziehe diese Mischung dem (von der Deutschen Röstergilde) goldprämierten „Espresso Dunkel“ von Burg vor. Der ist auch lecker – aber der „Black“ ist besonderer.

Beim Öffnen der Packung duftet es rauchig-würzig und, unerwarteterweise, ein bisschen nach Dosen-Thunfisch. Moment mal! Das hatte ich schon mal! Und zwar beim „Xo Fera“ von Kaffeeleben. Vielleicht ist dieses ganz leichte Odeur von Thunfischigkeit etwas, was passiert, wenn es norddeutsche Kaffeeröster röstgradmäßig nach Sizilien zieht … Oder die Bohnen riechen auch auf Sizilien so, wenn sie noch sehr frisch sind – so frisch, wie sie als Importware hier in Deutschland leider so gut wie nie zu kriegen sind …
Geschmacklich bleibt der Thunfisch dann aber zum Glück brav in seiner fest zugeschweißten Dose. Es ist also gar nix davon zu schmecken!

Der „Espresso Black“ ist tatsächlich black, also wahrhaft finster.
Im Geschmacks- und Aromenprofil zeigt er sich ausgesprochen eigen:
Pompös dunkelkaramellig, ein bisschen herb-bärendreck-lakritzig, zart edel-dusterschokoladig. Rauchig. Süß. Klar. Elegant. Und unter der Eleganz aufregend ungebändigt.
Ein toller, mittelleichter, lasziver Nachmittags-Espresso.

Schnurr!

„Bombay R“ von der Kaffeerösterei Petrus

Österreich kann Espresso!
In diesem Fall schwelge ich gerade in einem dunklen 100% Robusta aus Indien von der Kaffeerösterei Petrus in Oberwart. „Bombay R“. Kraftvoll, wild und zottelig in seinen warmen, schoko-krokantigen Röstaromen, mit einem winzigen Schlückchen Champagner anbei. Extrem langer, superweicher, sich wunderbar warm ausbreitender, dunkelschokoladiger Nachgeschmack.
Köstlich !

(Herzlichen Dank für die tolle „Tazzina d’Oro“ – Grafik an Daniel Platzer ❤️)