„La Stanza“ von Blasercafé

Guten Morgen aus Frau Antjes Espressoverkostungs-Studio!

Vor einigen Wochen hat ein netter Mensch aus der Kaffee-Community mir als Anerkennung für meine Blog-Beiträge 1kg Espresso-Bohnen geschickt, die es nur vor Ort im Café „La Stanza“ in der Innenstadt von Zürich zu kaufen gibt.

Für die, die hier stutzen: Frau Antje schreibt weiterhin keine Gefälligkeitsrezensionen und nimmt daher weiterhin keine Werbegeschenke an. Das wird auch so bleiben. Der erwähnte Kaffeefreund hat weder Verbindungen zur Rösterei der Bohnen noch zum Café La Stanza.

„La Stanza“ heißt auch die Hausmischung des Cafés, geröstet von der Berner Traditionsrösterei Blasercafé, von deren Espresso-Röstungen ich hier bereits mehrere begeistert rezensiert und ausgezeichnet habe. Nun also eine Exklusiv-Röstung, die online nicht zu erwerben ist. Wir können halt doch noch nicht alles jederzeit aus dem Internet herbei bestellen – und das ist aus meiner Sicht auch gut so, selbst wenn ein Teil von mir bedauert, dass ich diese sau-leckere Miscela nicht mal eben nachordern kann. So bleibt sie etwas wirklich Besonderes, Nicht-Alltägliches, wie heimische Himbeeren direkt vom Strauch im Garten, selbst gesammelte Waldheidelbeeren oder Pilze, die es im Januar halt nicht gibt.

Das Mischungsverhältnis Arabica/Robusta soll laut vertrauenswürdigen, inoffiziellen Quellen bei 50:50 liegen. Röstgrad Dark French. Sauberes, gleichmäßig rotstichig röstbraun gefärbtes, dunkles Bohnenbild mit zu vernachlässigend wenigem Bruch.

Wunderbar warmer, weichröstiger Duft beim Öffnen der Tüte. Mir kommen, neben Kakao, Leder, Grapefruitkern und trockenes Herbstlaub in den Sinn.

Ich nehme 14g für einen Ristretto, wähle einen sehr feinen Espresso-Mahlgrad, beziehe am liebsten bei 96ºC.

Siebträgermaschine: Strietman CT2, Mühle: Titus Hybrid.

Was ich beim ersten Schluck sofort assoziiere, ist reiner Nacional Kakao. Da ist eine recht enge, doch deutliche, sehr harmonische Süße und eine Andeutung von Orangenblüte. Etwas Edles, Pointiertes. Bei 93ºC erlebe ich eine winzige Spur von Restsäure, die sich jedoch durch eine Erhöhung der Brühtemperatur auf 95-96ºC ins Unschmeckbare verbannen lässt. Was an (für manche sicherlich interessantem) Säurespiel dadurch verloren geht, wird an Röstaromenverdichtung und Schokoladigkeit gewonnen, was letztlich eine Nuancefrage und  Geschmackssache ist. Die Orangenblüte zeigt sich jedenfalls auch noch bei 95ºC, nur bleibt sie mehr im Hintergrund.

Des weiteren kommen mir, wie anfangs schon erschnuppert, auch beim Schmecken trockenes, warm-aromatisches Herbstlaub und Zitruskern entgegen. Letzterer vielleicht eher von der milderen, süßeren Orange als von der bitteren Grapefruit. Auch Lakritze lugt aus dem Aromenspektrum hervor. Sowie eine klitzekleine Prise weißer Pfeffer, die die Komposition perfekt abrundet.

Alles in Allem ein Traum-Espresso aus der eher wuchtigen Liga! Wer nach Zürich kommt, sollte unbedingt das Café „La Stanza“ aufsuchen und die ausschließlich dort erhältlichen Bohnen kaufen. Die Zubereitung im Café selbst, habe ich mir sagen lassen, werde den Bohnen nicht gerecht. Das habe ich bisher nicht selbst überprüfen können.

Frau Antje verleiht voller Überzeugung ihre Tazzina d’oro.

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‚Espresso Originale‘ von der Kaffee-Rösterei Saerve

Heute in Frau Antjes Espressoverkostungs-Studio: Der ‚Espresso Originale‘, eine Arabica-/Robusta-Mischung (schätzungsweise 60/40 – das werde ich hoffentlich noch genau in Erfahrung bringen) von der Kaffee-Rösterei Saerve in Eichstätt/Oberbayern .

Süditalienisch-dunkle Röstung. Wirklich dunkle, leicht ölige Bohnen.

Als Ristretto, sehr fein gemahlen, bei 96ºC bezogen. Ja, der ‚Espresso Originale‘ zeigt sich mir bei 96-97ºC und als kurzer Tröpfelshot am wohlmundigsten.

13,82g in/11,46g out, by the way. Im 49mm-IMS-Sieb, wohlgemerkt.

Siebträgermaschine: Strietman CT2, Mühle: Titus Hybrid.

Rabenschwarze Finsterschokolade (100% Kakao) vom Feinsten! Ich fühle mich an die sehr besondere, sehr köstliche ‚Saloy‘ von Auro aus den Philippinen erinnert.

Ganz zart rauchig. Tabak. Ein winziger Hauch von getrockneten, schwarzroten, vollreifen Kirschen. Eine herbe Spur von kandierter Bergamotte. Etwas geröstete Mandel.

Keinerlei schmeckbare Säure.

Weiches, schwer-schokoladiges, langes Echo, das Gaumen, Brustraum und Bauch wohlig-warm erfüllt.

Der ‚Espresso Originale‘ ist ein wahres Fest für Tiefdunkel-Espresso-Fans!

Frau Antje freut sich, einer kleinen, einheimischen Rösterei ihre Tazzina d’oro für ausgezeichneten süditalienisch gerösteten Caffè zu verleihen!

„Silver“ von Caffè Izzo

Frau Antje hat sich aus ihrem Hamburger Lieblingscafé (‚I due baristi‘ in Eimsbüttel) eine 250g-Dose Caffè Izzo „Silver“ aus Neapel mitgenommen. Nach langer Zeit mal wieder.
Röstdatum 10/22 – also perfekt trinkreif für eine neapolitanisch-dunkle Mischung.

Dieser Espresso ist einfach göttlich!

Ca. 90-95% Arabica/5-10% Robusta (Arabica-Lastigkeit ist ja sonst nicht so meins …!), tiefdunkel geröstet.

Der „Silver“ mag es heiß (95-96ºC, er wird aber auch bei 93-94ºC nicht garstig, sondern bringt nur seine Röstaromen nicht ganz so rund und üppig hervor).

Sehr feiner Mahlgrad.

14g in/10,7g out in 45 Sekunden.

Mühle: Titus Hybrid, Siebträgermaschine: Strietman CT2

Und da ist er: Samtweich und finsterschokoladig, womit er mich an die „100% Cocoa“ von Chocolat Madagascar erinnert: Eine unglaublich leckere, herb-sanfte Masse aus edlem, madegassischem Criollo- und Trinitariokakao, die sich in umwerfender Aromen-Komplexität präsentiert – Liebhabern sehr dunkler Schokoladen sei sie unbedingt ans Herz gelegt!

Hinzu kommt eine angenehme, zurückhaltende, geradezu gemütlich anmutende Tabaknote. Womit wiederum eine klitzekleine, sehr weiche, harmonische Rauchigkeit einher geht, die ganz und gar nichts Verbranntes hat (das wäre dann nicht weich, sondern alles andere wegbeißend).

Dunkelkaramellige Süße, mit einer zarten, winzigen, kaum wahrnehmbaren Spur abrundender Salzigkeit – und bei all dem ist der „Silver“ recht klar und leicht.

Frau Antje verleiht aus vollem, überzeugten Herzen ihre Tazzina d’Oro!

„Palermo Rosso“ von Schamong

Frau Antje hat den ‚Palermo Rosso‘ (80% Robusta/20% Arabica) von der Kölner Rösterei Schamong getestet und für köstlich befunden.

Feiner Mahlgrad, 93ºC, 14,2g in/11,8g out.

Mühle: Titus Hybrid, Siebträgermaschine: Strietman CT2

Wohliges Keks-Karamell-Samtschokoladen-Glück! Durchaus dunkel, jedoch haben wir es hier nicht mit einer der allerschwärzesten Schokoladen zu tun.

Eine buttrige, süßgetreidige Zwiebacknote bestimmt in unmissverständlicher Robusta-Manier die geschmackliche Gangart, der Kakao folgt bar jeden Widerstrebens und findet sanftmütigen Einklang.

Ausgesprochen süß, dabei wärmend, weich und walnuss-krokantig.

Sattes, volles, samtiges Mundgefühl.
Üppige Crema natürlich.

Ausgedehntes, warmes Edelkakao-Zwieback-Echo.

Absolute Empfehlung für Liebhaber dunkler, robusta-trunkener Röstungen!

„Hesperia“ von Barbera (Napoli)

Heute möchte ich euch die Miscela ‚Hesperia‘ der renommieren neapolitanischen Rösterei Barbera vorstellen. Die Mischung setzt sich zusammen aus ca 60% Robusta- und ca. 40% Arabica-Bohnen. Sie ist, wie es sich für eine neapolitanische Mischung gehört, süditalienisch-dunkel geröstet. Es ist die wuchtige Schwester meiner ersten riesengroßen Espresso-Liebe, des wundervollen Barbera ‚Mago‘.

Mit ‚Hesperia‘ bezeichneten die antiken Griechen Italien.

Die Bohnen kommen im weißtütigen Kilopack, mit dem bekannten Barbera-Logo darauf, das ich noch nie verstanden habe: Es zeigt einen grimmig dreinblickenden Zwerg mit langem, weißem Bart, weit aufgerissenen, schielenden Augen und vielen Zahnlücken, der, ganz in rot, mit Zipfelmütze, Wams und Schnabelschuhen bekleidet, eine Tasse mit dampfendem Kaffee, welche er auf dem Rücken trägt, auf den Fußboden entleert.  Warum??!? Auf der Tasse steht am Rand „Miscela Barbera“. Hm. Merkwürdig.

Jedenfalls duften die kleinen und größeren Bohnen sehr angenehm und vielversprechend malzig-röstig.

Ich wähle einen feinen Mahlgrad. Bei einer Brühtemperatur von 94ºC hat mir dieser Espresso am besten geschmeckt. Doch er weist ein breites Toleranzfenster auf und kommt auch bei 93 und 95-96ºC wirklich gut.

Unter 1:1 (14,5g in : 11,3g out) in 57 Sekunden als knackigen Ristretto bezogen. Kurze, aktive PI (3 Sekunden).

Siebträgermaschine: Strietman CT2. Mühle: Titus Hybrid.

Typisch knarzige Robusta-Noten sind hier wirklich vordergründig: Trockenes Holz, Leder, karamellmalzige, sehr dunkle, vollmundige Schokolade.
Noten von würzigem Waldhonig.
Viel Süße, null schmeckbare Säure.

Tolle Textur, wunderbare Crema, langer herbschokowürzig-ledriger Nachklang.

Der ‚Hesperia‘ zeigt sich nicht sonderlich komplex, jedoch rund, breit, herzerwärmend und erfüllend in seiner anschmiegsamen, weichen Süße.

Frau Antje mag den. Sehr.

 

„100% Napoletano“ und „Caffè Napoletano“ von Nurri Caffè

Der Neapolitaner Antonio Nurri kann nicht nur sehr besondere, hochwertige Espressomaschinen und nerdige Profi-Tools für die Espressozubereitung bauen, … 

* (siehe Fußnote) 

… sondern auch hervorragenden Espresso rösten und blenden!

Ich hab mir inzwischen mehrmals sowohl den ‚100% Napoletano‘ (die rote Packung, 50% Arabica/50% Robusta), als auch den ‚Caffè Napoletano‘ (die Packung mit der himmelblauen Banderole, 80% Arabica/20% Robusta) zum Verkosten bestellt – und bin von beiden schwer begeistert!

Soviel sei schonmal verraten:
Mein Favorit von den beiden ist der Rote. Er hat mich noch punktgenauer in meinen persönlichen 7. Espressohimmel katapultiert, als der Blaue – vor allem, nachdem ich irgendwann begonnen hatte, ihn nicht mehr, wie anfangs, mit 95ºC, sondern nur noch mit 90-92ºC zu beziehen.

Doch bevor ich zu den Verkostungen komme, möchte ich Antonio Nurri die Gelegenheit geben, ein wenig darüber zu erzählen, wie er zum Kaffeerösten und zum Espressomaschinenbauen gekommen ist und wie sich sein Alltag heute damit gestaltet. (An dieser Sie ein herzliches Danke für den netten Austausch, Antonio!) Voilà! 

„Für die meisten jungen Italiener meiner Generation war es ziemlich normal, mit einem einfachen Frühstück aufzuwachsen, das aus einer Tasse Milch mit Kaffee und dazu Brot bestand.

Wenn du in meiner Stadt keinen Espresso trinkst, reduziert sich dein soziales Leben mindestens um die Hälfte. Es ist so absolut natürlich für uns, dass wir in Neapel tagsüber regelmäßig in Bars gehen, und Kämpfe auszutragen, weil jeder die Zeche für die ganze Gruppe bezahlen will. Das gehört zu unserer Lebensweise.

Ich habe als Exportmanager gearbeitet, der um die Welt gereist ist, um neapolitanischen Espresso und Espressomaschinen zu verkaufen. Ich war sehr stolz auf die Produkte, die ich verkauft habe, zusammen mit den Gewohnheiten, die diese Produkte mit sich bringen. Selbst in Kulturen, die weit von der unseren entfernt sind, und in denen traditionell noch nicht einmal das Trinken von gewöhnlichem Kaffee üblich ist, wurde das Ritual, das ich mitbrachte, als etwas Angenehmes akzeptiert.“

So fing es also an.

Nurri hat sich, wie viele anspruchsvolle Röster, auch hierzulande, bewusst für das sogenannte Post Blending entschieden, bei dem die einzelnen Rohkaffees separat und schonend langzeitgeröstet werden, um dem Aromenpotential des jeweiligen Kaffees die Gelegenheit zu geben, sich in seiner ganzen Fülle zu entfalten. Das ist natürlich aufwendiger, zeitintensiver und somit auch teurer, als alle Bohnen für eine Mischungsrezeptur gemeinsam und, im schlimmsten Fall, auch noch schnell zu rösten.
Zum Blend, der Miscela (Mischung), wie wir sie in der Kaffeepackung vorfinden, kommt es erst nach dem Rösten der einzelnen Rohbohnen-Chargen.

Er erzählt: „Ich liebe es, mich dem Rösten zu widmen, wenn ich genügend Zeit finde, um es wirklich gut zu machen. Vor allem neue Blends und Stichproben von Rohkaffee-Chargen, direkt nach ihrer Lieferung, röste ich gerne selbst. Danach genieße ich meine Röstungen in Gesellschaft von Freunden.
Die Konstruktion und das Bauen von Maschinen hält mich unter der Woche extrem beschäftigt. Aber auch diesen Job liebe ich. Das Verständnis für den gesamten Prozess, vom Rohkaffee bis zum fertigen Espresso in der Tasse. Man muss jeden einzelnen Schritt gut kennen, um sowohl dem Rösten, als auch aus der Extraktion das Bestmögliche zu entlocken. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe, die viel Zeit erfordert, doch wenn du schließlich ein perfektes Resultat in der Tasse hast, ist das Gefühl, was du zurückbekommst, schlicht unbezahlbar.“

Beide, der ‚Caffè Napoletano‘ und der ‚100% Napoletano‘ werden in einem 120kg-Röster von Trabattoni napoletanisch-dunkel geröstet. Letztere Bohnen noch eine winzige Nuance dunkler, so dass wir das intensive, glänzende Dunkelbraun eines Italian bzw. Neapolitan Roast zu sehen bekommen.

Auf dem Foto oben ist das nicht gut zu erkennen, doch ich habe selten erlebt, dass Bohnen SO geschreddert bei mir ankamen, wie die Mischungen von Nurri. Und zwar, außer bei meiner allerersten Packung, buchstäblich jedes Mal. Keine Ahnung, was damit – offenbar standardmäßig – passiert.

Wie dem auch sei: Der weichen, röstigen Aromenkomplexität, dem vollen Geschmack und dem wirklichen Hochgenuss, den ich gleich beschreiben werde, tut dieser optische Makel keinen Abbruch.

Lasst uns mit dem ‚Caffè Napoletano‘ (blau) beginnen. Er setzt sich zusammen aus 80% zentralamerikanischen Arabicas und 20% gewaschenem, afrikanischem Robusta.

14,8g, mittelfeiner Mahlgrad, 94ºC, 9,7g out in insgesamt 24 Sekunden (24 Sek. (9 Sekunden aktive und passive PI, 15 Sek. ab dem ersten Tropfen). 

Insgesamt rund, weich, warmröstig, mit einer tollen, samtigen Textur. Recht viel Süße und so gut wie keine schmeckbare Säure. Eine ganz leicht rauchige, edle, weiche, wohlige Bitterkeit.

Antonio Nurri beschreibt ihn auf seiner Website mit „Andeutungen von Honig, gerösteten Haselnüssen und den aromatischen Noten zentralamerikanischer Arabicas“.

Da im Internet bekanntlich meist einer vom anderen abschreibt, findet sich genau diese Beschreibung auf den Websites der unterschiedlichen Kaffeevertriebe, die diese Nurri-Mischung im Programm haben.

Okay, mit Honig kann ich mitgehen. Doch was für ein Honig?

Wer nicht nur irgendeinen 08/15-Billig-Blütenhonig zuhause hat, sondern auch hier, wie beim Espresso, dem vielfältigen, feinschmeckerischen Sinneserleben zu frönen gewillt ist, weiß, wie sehr sich ein Buchweizenhonig von einem Lavendelhonig, einem Akazienhonig, einem Rapshonig oder einem Kastanienhonig unterscheidet. So ziemlich das Einzige, was alle Honigsorten geschmacklich gemeinsam haben, ist ihre warm-enzymatische Grundsüße. Und ja, diese Art von Grundsüße ist da. Ich möchte an dieser Stelle jedoch gerne etwas weiter gehen. 

Die Honignoten im ‚Caffè Napoletano‘ erinnern mich am ehesten an kräftig-herben, karamellmalzigen, nadelholzwürzigen Weißtannenhonig (der, im Gegensatz zu Blütenhonigen, nicht vorwiegend aus Blütennektar, sondern aus den glukosehaltigen Ausscheidungen von Blattläusen besteht, welche sich zuvor die Siebröhrensäfte ihrer Lieblingsbäume (zumeist Tannen, Fichten oder Eichen) einverleibt haben. Man nennt das Sekret Honigtau, was natürlich ungleich leckerer klingt, als „Blattlaus-Ausscheidung“.

Weißtannenhonig schmeckt tatsächlich ein bisschen so, wie Tannenwaldboden riecht: Das hat was von gemischten, waldwürzigen Kräutern und sich zersetzenden Tannennadeln, hat was Flechtenherbes, was Holziges und was Pilziges, hat durchaus auch wild-tierische Komponenten – und vor allem eine harzig-rustikale, dunkelkaramellige Süße.

Das breit-intensive, dichte, süßbuttrige Aroma von gerösteter Haselnuss schmecke ich hingegen nicht raus. Für mich hat der blaue Nurri (wie auch der rote) deutliche Noten von frisch gerösteter Mandel – nicht minder köstlich, aber eben anders: Enger im Mund und in der Körperresonanz, sanft-bitter und eine klitzekleine Spur salzig, ein bisschen rosenfruchtig-duftig, was die Haselnuss überhaupt nicht hat, und insgesamt nicht gar so warm wie getoastete Haselnüsse.

Und Schokolade, ja, natürlich, Schokoladennoten sind da auch. Und zwar satt. Tiefdunkler, edler Kakao, vielleicht Piura. Durch die oben beschriebenen Tannenhonignoten fühle ich mich jedenfalls an die ‚Piura Quemazon‘ von Pacari erinnert. (Off-topic: Für mich produziert Pacari mit die genialsten Bitter-Schokoladen überhaupt. Vor allem seine 100%igen Rohkakao-Schokoladen sind für mich absolute Highlights, die ich allen fortgeschrittenen, puristischen Dunkelkakao-Fans wärmstens empfehlen möchte. Die ‚Piura Quemazon‘ ist allerdings conchiert und enthält „nur“ 70% Kakao – was sie auch für weniger hartgesottene Schoko-Gourmets interessant machen dürfte) . 

Des weiteren habe ich Noten von heller, an der Rebe zur Rosine gewordener süßer Weintraube wahrgenommen, die einen klitzekleinen, weichen, süßfruchtigen, wunderbar harmonierenden Säurespritzer in den Geschmacksreigen treten lässt. Dies vor allem bei Brühtemperaturen unter 93ºC. 

Im Abgang hallt Dunkelschoko-Karamell lange nach. Saulecker! 

Nun zum ‚100% Napoletano‘, dem Roten, Wuchtigeren ‚ (50% mittelamerikanische Arabicas und 50% gewaschene, afrikanische Robusta-Bohnen).

Samtig, zutiefst dunkelschokoladig, mit weichen Aromen von gerösteten Mandeln, getoastetem Weizenbrot mit süßer Butter, Grapefruitmarmelade und einem Körnchen Meersalz.

Null, hier wirklich NULL schmeckbare Säure. 

15g in, 11 Sek. passive PI, 4 Sek. aktive PI, 10 Sek ab erstem Tropfen, moderater Hebeldruck, 11,12g out bei 90ºC.
– und der Olymp der Schokolikörigkeit ist für mich erreicht:

Göttlich! Samtig weich, rund, üppig, süß, süffig-dunkelkakaoiger, laaaaanger Abgang. Betörend köstlich! 

Auch der ‚100% Napoletano‘ hat Kakaonoten, die mir erneut eine Kreation von Pacari in den Sinn kommen lassen: Die wunderbare, wuchtige ‚Raw organic 100% Cacao‘ (eine Rohschokolade aus Arriba Nacional-Kakao, die trotz ihrer kraftstrotzenden Intensität erstaunlich gefällig ist, jedenfalls für 100% Kakao, der keinem Conchierungsprozess unterzogen wurde. Sicherlich deswegen hat sie bei den American Chocolate Awards 2017 eine Goldmedaille abgeräumt … Das nur nebenbei, für all diejenigen, deren Finsterschokoladen-Leidenschaft sich nicht allein auf neapoletanischen Espresso beschränkt). 

Solange der ‚100% Napoletano‘ noch sehr frisch ist (bis ca. 6 Wochen nach dem Röstdatum) bleiben sprödere Aromen im Vordergrund. Etwas wie sommertrockenes, Strandkiefernholz, das in der Nähe eines Lagerfeuers gelegen hat, was sich als salzig-holzig-rauchige Nuance auch sehr gut macht in der Gesamtkomposition. Während sich mit zunehmender Reifung das Sahnige, Süffige, Süße, Dunkelschokolikörige die Bühne aneignet, zeigt sich bei allzu frischen Bohnen eher eine angenehme, jedoch noch etwas ungeschliffene, zusammengehaltene Herbheit. Das ist dann mehr was für die Pilsenertrinker unter den Dunkel-Espressofans. 

Also, wenn ihr süße, sahnige Dunkelschokoladigkeit wollt, die sich warm und wohlig im ganzen Körper ausbreitet, lasst ihn lieber noch ein bisschen ruhen! Es lohnt sich! Und bezieht ihn nicht zu heiß! Da dieser Espresso keinerlei schmeckbare Säuren aufweist, müsst ihr niedrigere Temperaturen nicht fürchten, sofern ihr zu den Zeitgenossen gehört, für die Säure im Espresso nichts verloren hat. Bei 90-92ºC und etwas mehr Reife entfaltet er seine Schokolikörigkeit am aromenbreitesten und -sattesten – finde ich. Probiert es selbst aus. 

Kommen wir nun zum Ende dieser Rezension:

Frau Antje verleiht mit großer Überzeugtheit und Freude zwei Mal ihre Tazzina d’Oro! 

 

* (Oberes Maschinen-Foto: Die Nurri L-Typ Leva S.A.

Unteres Maschinen-Foto: Die sogenannte Nurri ‚Barista Multiple Station‘ (BMS), die ein ‚Vibration Distribution Tool‘ (VDT) beinhaltet, welches es auch solo käuflich zu erwerben gibt.) 

 

 

 

 

 

 

 

„Jamaica Blu“ von der Jamaica Coffee Corporation

„Jamaica Blu“, 100% Robusta, French Roast – Auftragsröstung für Benvenuto durch die Jamaica Coffee Corporation in Alessandria.

Im Cashew-Cappuccino wuchtig und prägnant, herb-trocken, warm, aprikosenkernig. Lecker!

(Ja, das ansatzweise Herz versinkt im weißen Nebel. Ich übe weiter … und ihr dürft mich dabei begleiten  😉  ) 

„Decaf Espresso“ von Freshcoffee

 

Heute möchte ich euch in aller Kürze den „Decaf Espresso“ des Röstmeisters Walter Merkel aus Bad Friedrichshall vorstellen.

Schönes gleichmäßiges Bohnenbild, Röstgrad Dark French.

Sehr angenehmer Duft nach gerösteten Mandeln und leicht nach Apfelkuchen, bei dem die Äpfel schon ein bisschen karamellisiert sind.

Kraftvoll und wirklich durchsetzungsstark im Cashewdrink-Cappuccino. Auch hier begegnen mir warme, röstige, eher enge, trockene Mandelnoten, ein Hauch von karamellisiertem Apfel und von Mürbeteig oder Zwieback. Im Abgang gesellt sich eine winzige, kecke, würzige Prise von weißem Pfeffer hinzu.

Sehr lecker und absolut empfehlenswert für einen kräftigen, dunklen Abend-Cappu!

Frau Antje trinkt Cappuccino?!

Ja, ihr habt richtig gelesen.

Frau Antje, die Dunkelespresso-Gourmande, hat vor kurzem einen SCA-Barista-Intensivkurs bei Mark Czogalla in der Bonner Kaffeeschule absolviert. Und dort zum ersten Mal im Leben Cappuccino zubereitet. Infolgedessen hat sie sich zuhause, vis à vis vom Espresso-Altar, eine gebrauchte Thermoblock-Maschine in die Küche gestellt, mit der sie sich nun gelegentlich in der Milchschaum-Zubereitung und in Latte „Art“ übt.

Dafür benutzt sie Cashew-Drink – mit dem es NOCH schwieriger zu sein scheint, latte-art-fähigen Milchschaum zu produzieren, als mit der Kuhmilch im Barista-Kurs. Wir werden sehen, das Thema ist ja totales Neuland … Und Frau Antje ist eindeutig kein Latte Art-Naturtalent!  😀

Und, jetzt kommt’s: Neben der Cashew-Milchalternative benutzt Frau Antje für Cappuccino tatsächlich gerne (!) helle Röstungen. Während sie ihren Espresso bekanntlich absolut dunkel und röstaromig-kakaotrunken will, kann sie sich für fruchtige Kaffeearomen im Cashew-Cappuccino echt begeistern.

Außerdem trinkt sie im Cappu gelegentlich auch mal entkoffeinierten Kaffee. Abends nämlich. Etwas, was ihr nie und nimmer ins Espressotässchen käme. Es lebe die Vielfalt!

Deswegen werden hier demnächst in loser Folge Kaffees vorgestellt, die Frau Antje im Cappuccino besonders gemundet haben. Dunkle Röstungen, helle Röstungen und Decaf-Espressi.

„Modica“ von Caffè Maisto

Liebe Anhänger des Dunkelespresso-Kultes, ich sag’s euch gleich vorweg: In dieser Rezension wird es zunächst viel um Schokolade gehen. Wirklich um Schokolade. Und erst dann auch um eine wunderbare, schokotrunkene Espressomischung.

Maisto Caffè ist vielen von uns schon länger bekannt als Alleinvertreiber der köstlichen Caffè del Sole-Mischungen, die die neapolitanischen Rösterei ‚Coffee for Life srl‘ produziert. Daneben gibt es die Eigenmarke „Maisto Caffè“. Eine der Mischungen aus dieser Reihe trägt den Namen ‚Modica‘ – benannt nach einem barocken Städtchen am südlichen Dreieckszipfel Siziliens. Man betont Modica übrigens auf dem o und spricht es aus, wie das o in Konzert: [ˈmɔːdika]

Als meine Liebste und ich Modica vor Jahren besuchten, war es März. Wir hatten Dauerregen, gelegentlich sogar durchsetzt von großen, nassen Schneeflocken. Alles war klamm und die Fensterscheiben der Läden, Bars und Restaurants waren dick beschlagen. Draußen war es verdammt ungemütlich. Immerhin gab es eine Heizung in unserem Zimmer der bezaubernden Unterkunft, was in sizilianischen B&Bs ganz und gar keine Selbstverständlichkeit ist. Aber wer sitzt schon die ganze Zeit im Zimmer, wenn es, trotz Bindfadenregen und Kälte, vor der Tür viel zu entdecken gibt?

Sehr schnell fanden wir heraus, womit wir uns tagsüber gelegentlich aufwärmen konnten:
Mit köstlicher, heißer, dickflüssiger Trinkschokolade ! Die wurde wirklich in jeder Bar angeboten, pur, mit Chili, mit Zimt, mit Ingwer und in vielen anderen Varianten.

Modica ist seit dem 16. Jahrhundert bekannt für die Produktion und Verarbeitung von Schokolade, und auch jetzt noch arbeiten in der Stadt zahlreiche Chocolatiers (der wohl bekannteste ist ‚Bonajuto‘, des weiteren gibt es ‚Luchino‘, ‚Sabadì‘, die ‚Antica Dolceria Rizza‘ und sicher noch weitere).
Heute gilt Modica als einer der vier Schokoladen-Hotspots in Italien.

Achtung!
Der ab hier folgende, kursiv geschriebene Text ist exklusiv für Schoko-Nerds und Kulinarik-Neugierige!

Alle, denen Schokoladenkultur und – genuss komplett Latte sind, scrollen bitte weiter bis dort, wo nach der zweiten gestrichelten Linie fett das Wort „Verkostung“ zu lesen ist! Da geht’s dann richtig los mit dem zu besprechenden Espresso, versprochen …

Unverbesserliche Kakao-Schleckermäuler und Wissbegierige mögen mir hingegen ab hier unbeirrt durch’s Kursive folgen.

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Da ihr euch möglicherweise gefragt habt, welches denn die anderen drei italienischen Schokoladen-Hotspots sind, möchte ich diesbezüglich sogleich Licht ins Dunkel bringen. Es handelt sich um:

1. Turin im Piemont – mit den Chocolatiers ‚Domori‘, der Schokoladen der obersten Extraklasse herstellt, ‚Guido Gobino‘, dessen Schokoladen ich ebenfalls sehr schätze, ‚Peyrano‘, ‚Guido Castagna‘, ‚Baratti e Milano‘, ‚Venchi‘, ‚Leone‘ (Ja, die von den bekannten „Pastiglie Leone“! Die machen auch tolle Schokoladen!) und ‚Pfatisch‘ (Betonung auf dem a),

2. Perugia in Umbrien, wo die berühmten ‚Baci‘ aus der Schokoladenfabrik ‚Perugina‘ herstammen, und wo jedes Jahr Europas größtes Schokoladenfestival „Eurochocolate“ stattfindet.
Meine Liebste ließ dazu den folgenden Satz fallen: „Wirklich? Perugia? Also die Marke Perugina ist in Italien ungefähr so, wie Barilla für Nudeln.“ Da hat sie wohl recht. Mir ist das Zeug eh viel zu süß. Die Firma ‚Perugina‘ gehört übrigens zum Nestlé-Konzern (während Barilla ein eigener, weltweit agierender Konzern ist, der sich u.a. Marken wie ‚Wasa Knäckebrot‘ einverleibt hat). Hotspot heißt, wie wir also sehen, nicht zwingend, dass dort hohe Qualität zu finden ist.

und

3. die Region Toskana und ihr sogenanntes „Chocolate Valley“ – mit den Chocolatiers ‚Amedei‘ (der einige meiner absoluten Lieblingsschokoladen produziert. Einsame Spitze!), ‚Trinci‘, ‚de Bondt‘ und ‚Majani‘ in Pisa, der ‚Pasticceria Mannori‘ in Prato, und den Chocolatiers ‚Slitti‘, ‚Roberto Catenari‘ und ‚Casa Tuscani‘ bei Pistoia.
Trinci und Slitti sind übrigens gleichermaßen berühmt für ihre Kaffees, wie für ihre Schokoladen! So weit liegt beides eben nicht auseinander … .

Zurück nach Modica: Die Organisation ‚Slow Food‘ hat sogar ein Presidio für die sizilianischen Schokoladen-Spezialitäten eingerichtet, um sie aktiv zu fördern und zu schützen.

Seit vielen Generationen wird in Modica weitgehend dieselbe, schon bei den Mayas und Azteken bekannte, Verarbeitungstechnik angewandt: Das Vermischen von kalter Kakaomasse mit Zucker.
Während in der Schweiz Rodolphe Lindt im Jahr 1879 das Conchieren mittels eines speziellen Knet- und Rührwerkes erfand, das Schokoladen geschmeidig und einheitlich werden ließ, hielten die Chocolatiers von Modica an ihrer althergebrachten Tradition fest und stellten weiterhin gewalzte Schokolade mit typisch rauher, körniger Textur her: Diese ist matt, porös und, da die Zuckerkristalle durch die kalte Verarbeitung nicht aufgelöst sind, knuspert und kracht sie deutlich beim Kauen. In heißer Trinkschokolade bekommt man von Zuckerkristallen natürlich nichts mehr mit.

Ich konnte damals nicht umhin, mich auch der einen oder anderen bröckelig-körnigen Tafel-Schokolade zu widmen, da dort in den Bars überall Schalen voller Probierbröckchen zum Naschen rumstanden.

(Foto: Elizabeth Lemon)

Weil die Reise nun aber schon lange zurück liegt, habe ich, als Erinnerungsstützen, eigens für diese Rezension zwei Schokoladen-Spezialitäten aus Modica in mein Espressoverkostungs-Studio einfliegen lassen:

Die Sorte ‚Noce Moscata‘ (Muskatnuss) von ‚Bonajuto‘, die erwartungsgemäß sehr zuckerknirschig daherkommt, was ich durchaus reizvoll finde, zart muskatig und karamellig schmeckt, und, für meinen Geschmack, deutlich die Grenze meiner persönlichen Zuckertoleranz bei Schokolade überschreitet. Der Kakaogehalt liegt bei 65%.

Die zweite Besucherin aus Modica ist die ‚Crude 100% Bio‘ der jungen Chocolaterie ‚Sabadì‘, die mich wirklich begeistert.

Sie besteht einzig und allein aus ecuadorianischem Arriba-Nacional-Kakao (noch nicht einmal ein Zusatz von Kakaobutter!), und wurde, wie alle Schokoladen aus Modica, höchstens bis 45ºC erhitzt und nur gewalzt.

Da sie keinen Zucker enthält, entfällt das Knirschen beim Kauen. Dafür ist das Mundgefühl so unglaublich dicht und wuchtig, dass ich jedes mal assoziiere, in ein schwarzes Loch von staubtrockenen Kakaonoten gesogen zu werden. Bis zu den Fußsohlen geht der Sog, während die Geschmacksknospen minutenlang in einer schweren, spröden, streng-nektarischen, unglaublich intensiven Aromenmasse voller tropenblumiger Nuancen kleben bleiben. Die Venus Fliegenfalle für Fliegen, die es lieber herb als süß mögen!
Das Echo dieser Erstaunlichkeit hält gut eine Stunde lang an. Sensorisch hochinteressant – und tatsächlich überaus befriedigend. Wer sich für 100%ige Schokoladen zu begeistern vermag, sollte die puristischste Rohkakao-Kreation von Sabadì unbedingt probieren! Gibt’s u.a. bei Viani: https://www.viani.de/de/tafelschokoladen/crude-100-bio-raw-schokolade-sabadi-50-g, oder bei 1001 Sense: https://www.1001sense.com/marken/brands-o-s/sabadi/sabadi-crude-100.html. 

Nicht, dass jetzt bei meinen geschätzten Lesern die Idee aufkommt, kalt gewalzte, 100%ige Schokolade sei immer so, wie eben beschrieben. Mitnichten!

Ein wunderbares Gegenbeispiel dazu ist die komplett in Sao Tomé e Principe produzierte ‚100% Puro Cacau‘ des eigenwilligen Kakaoproduzenten, Meister-Chocolatiers und Kaffee(Liberica!) – bauern Claudio Corallo:

Die flachen, stumpfen Täfelchen duften süß-aromatisch und verlockend. Nach dem Abbeißen bahnt diese Schokolade sich ihre Aromen-Präsenz in Mund und Nase zunächst sanft und zurückhaltend wie eine laue, leicht herbe Brise. Ein ganz leises, fernes tropisches Echo ist da beim ersten Hinschmecken zu vernehmen. In keinem Moment kommt Corallos 100%ige wuchtig daher. Im Mundgefühl ist und bleibt sie recht unprätentiös. Und dann sitzt du da, und glaubst plötzlich, die Regenwälder selbst zu schmecken, zart und traumgleich, doch gleichwohl in all ihrer aromatischen Tiefe, Breite und Buntheit.  … Es reicht ein winziges Stück, und du bist für den Rest des Nachmittags erfüllt davon. 

Ganz schnell möchte ich noch erwähnen, dass Claudio Corallo eine Schokoladensorte in seinem Sortiment hat, die Libericakaffee enthält. Ich werde sie demnächst pflichtschuldigst probieren!

Soweit mein heutiger Lobgesang auf die betörende, vielgestaltige, Zwillingsschwester der dunklen Espressoröstung, die ich am allerliebsten habe, wenn sie nackt und völlig ungeschminkt ist. Nach diesem, für mich unumgänglichen, Schokoladen-Exkurs komme ich nun zurück zum eigentlichen Thema, Espresso, und zur hier zu verkostenden Bohnenmischung namens ‚Modica‘.

Ich war wirklich äußerst gespannt darauf, als wie schokoladig der Espresso sich bei aller Erwartung schließlich erweisen würde. Und an welche Schokolade er mich erinnern würde.

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Verkostung:

Für den Modica gilt: Die Bohnen sind am besten nach mindestens 8 Wochen ab Röstdatum. Vorher fand ich den Espresso eher enttäuschend aromenstumpf, wenig obertonreich und schüchtern in seiner Süße. Ich dachte schon „Na ja, geht so, die erste Charge war besser“ – und dann explodierten die Aromen plötzlich wie Knospen am ersten richtig warmen Frühlingstag.

Die Bohnen von unterschiedlicher Größe sind so gleichmäßig dunkelbraun und leicht glänzend, wie man es üblicherweise von dunklen Schokoladen kennt.

Wirklich satt dunkel.
Und sie duften warm, nach Tabak und spät geerntetem Heu, also ein bisschen cumarinwürzig, sowie nach getrockneten Feigen und tatsächlich auch nach dezidiert-aromatischer, purer, bestenfalls minimal gesüßter Schokolade.

Nicht allzu fein gemahlen fließt bei 95ºC ein sämiger Faden in die Tasse. Wunderbare Crema, weicher, warm-aromatischer Geruch, der alles enthält, was ich oben bereits geschrieben habe.

Eine Freundin, der ich nach dem gemeinsamen Abendessen diesen Espresso kredenzt hatte, drückte ihre ersten Eindrücke so aus: „Mmmmmmmh …  … Ganz weich! … Rund!  ….  Voll! …“.  Ja, das trifft es wunderbar. Danke für deine völlig unbefangenen Worte, Julia.

Bereits beim ersten winzigen Schluck zieht sodann eine warme, üppige, Dunkelkakaospur hinter’s Brustbein. Mächtig und fein zugleich. Erdig-holzig. Weiterhin Heu, Tabak, getrocknete Feige.

Keinerlei schmeckbare Säuren. Dafür eine austarierte, kaffeelikörige, ganz leicht rauchige Süße.

Dunkles Karamell ist auch vorhanden.

Die Dunkelkakaospur breitet sich wohlig in alle Richtungen aus. Eine klitzekleine Salzigkeit. Noten von gerösteter Pekannuss. Ein zartes Echo von Vanille.

Ich fühle mich an die köstliche ‚Extreme Dark 99% Kakao‘ des Amsterdamer Schokoladenherstellers Lovechock erinnert (übrigens auch eine Rohschokolade, der allerdings Kakaobutter zugefügt wurde. Plus das eine, sehr geschmacksprägende Prozent neben Kakaomasse und Kakaobutter, bestehend aus Vanille, Lucumapulver und Meersalz).

Während ich noch der warmröstigen Pekannuss und der Vanille nachhänge und darin schwelge, kommt sie unversehens um die Ecke gebogen, und zwar ohne die Harmonie auch nur im Geringsten zu stören:

Süße, RICHTIG SÜSSE, milde Zitrusfrucht. Oh! Etwas, was ich in unkandierter Form nur von der süßen iranischen Zitrone kenne, der Limu Shirin (der afghanische Obst- und Gemüse-Händler, bei dem ich diese Früchte zum ersten Mal gekauft habe, sprach es „Limuuuschrin“ aus, mit Betonung auf dem u – es klang unglaublich weich).

Die, im Gegensatz zu Zitronen, kugelrunden Limu Shirin haben null vernehmbare Säure und schmecken trotzdem auf ganz milde Weise zitronig. Vielleicht vergleichbar mit in Zuckerwasser gekochter Zitronenschale, einem Getränk, das in Italien ‚Canarino‘ (Kanarienvogel) heißt, und bei Magenverstimmung getrunken wird.

Süße Zitrone in schmelziger, üppiger, voll schwingender Dunkelschokolade: Ein absolutes Highlight der Espresso-Komposition!

Arabica/Robusta? Herkunft der Bohnen? Rösterei? Die Fragen hatte ich natürlich auch. Ich muss euch die Antworten noch ein Weilchen vorenthalten – aus Gründen. Ich kenne sie selber noch nicht. Diese Infos werden demnächst nachgeliefert. Habt bitte ein wenig Geduld! Bis dahin schätze ich einfach mal 70% Robusta und vermute, der süßen Zitronenaromen wegen, eine afrikanische Herkunft zumindest eines Teiles derselben. Dazu bestimmt irgendwas mit Brazilian Santos. Lassen wir uns überraschen und warten wir gespannt auf die Enthüllung … 

Frau Antjes ‚Tazzina d’Oro‘ möchte ich der wunderbaren Mischung jedoch jetzt schon verleihen. Chapeau, Caffè Maisto ! Ganz großes Dunkelespresso-Kino!