„Edition Trieste“ von Harry&Phil’s

Heute möchte ich euch eine wirklich herausragende, dunkle Espresso-Delikatesse aus Wien vorstellen: „Edition Trieste“ aus der kleinen Rösterei ‚Harry & Phil’s‘.

Die Empfehlung stammt vom Espresso-Liebhaber Philipp Wanivenhaus, einem der drei Betreiber des Wiener Kaffeegeschäftes Vettore (vettore.at).

Als die Bohnen, die ich dort bestellt hatte, bei mir eintrafen, lag das Röstdatum erfreulicherweise gerade mal 8 Tage zurück. Philipp riet mir auf meine Nachfrage hin, sie noch weitere 6 Tage liegen zu lassen, damit sie weiter „ausgasen“ (d.h. CO2 abgeben, welches bei der Röstung entsteht) und allmählich Trinkreife erlangen. Was ich auch eisern befolgte. Erschwert dadurch, dass es aus der noch verschlossenen Packung ungeheuer verlockend vor sich hinduftete ….

Ab Tag 14 nach dem Röstdatum hatte ich die Gelegenheit, diese sehr besondere Espressomischung Stufe für Stufe in ihrer Entfaltung erschmecken zu dűrften. Es war eine eindrucksvolle Metamorphose, die sich mir offenbarte – und ich sage es gleich vorweg: Jede einzelne Entfaltungs-Stufe war köstlich und anders!

Bevor ich jedoch weiter auf das Geschmacks- und Aromenbukett des „Trieste“  eingehe, möchte ich Philipp Pyrek, den „Phil“ von Harry&Phil’s, einladen, mit eigenen Worten etwas űber ihr kleines Vater&Sohn-Unternehmen und die „Edition Trieste“ zu erzählen:

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„Harry“ ist mein Vater Harald. Mittlerweile schon im (Un)ruhestand, hat er über 45 Jahre im Hause Julius Meinl gearbeitet und war hauptsächlich für den Tee- und Rohkaffeeeinkauf zuständig. Er ist es also, der die reiche Erfahrung mitbringt und auch sehr gute Beziehungen zu Hamburger Händlern. Unsere Kaffees beziehen wir auch vorwiegend auf diesem Weg und sind ca. ein mal im Jahr bei Ihnen in der schönen Hansestadt.

„Phil“ bin ich. Seit mittlerweile knapp 5 Jahren stehe ich am Röster und wenn sich mit der Zeit eine gewisse Routine und Erfahrung eingestellt hat, ist es immer noch ein spannendes Handwerk, das mir sehr viel Freude bereitet!

Wir rösten von Hand auf einem 5 Kilo Probat Röster. Alle Rohkaffees werden einzeln geröstet und nach einem Tag – während dieser Zeit kann der Kaffee schon etwas ausgasen – nach unserer Rezeptur gemischt, händisch eingewogen und abgepackt. Während dieser zahlreichen Handgriffe, bleibt genug Zeit, Bohnen, die nicht unseren hohen Ansprüchen gerecht werden, auszusortieren. Auf der Packung geben wir, zusätzlich zum MHD auch das Röstdatum an, damit unsere geschätzten Kunden wissen, dass sie frische Bohnen bekommen. Wir sind überzeugt, dass dieses Qualitätsdenken und der respektvolle Umgang mit den Kaffees, nicht nur wichtig, sondern auch schmeckbar ist.

Unsere Edition Trieste besteht aus drei verschiedenen Kaffeesorten. (80 % Arabica, 20 % Robusta)

Hauptbestandteil ist unser süßer Brasilianer – Santos, pulped natural, aus Mogiana. Für Crema und Körper zeichnet unser gewaschener Robusta aus Indien, Kaapi Royale verantwortlich. Feine Säure und Würze stammen von unserem gewaschenen Arabica ebenfalls aus Indien.

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An dieser Stelle nochmal ganz herzlichen Dank, Herr Pyrek, dass Sie sich Zeit und Herz genommen haben, mir so ausführlich und leidenschaftlich Auskunft zu geben!

Die Verkostung:

Vor mir steht die mittlerweile halbleere Packung aus innen beschichtetem Papier. In meiner Hand absolut makellose, dunkelkastanienbraun geröstete Bohnen. 

Auch nach fast 4 Wochen duften sie noch warm, karamellig, angenehm wűrzig.

Doch zurück zur ersten Tasse, die ich getrunken habe:

Für den ersten Bezug, 14 Tage nach der Röstung, habe ich 12,2g genommen. Mahlung erstmalig mit meiner neuen Apollo Handműhle, űber die ich an anderer Stelle noch ausführlicher berichten werde. Nach zwei Fehlversuchen bin ich in der Mitte des Espresso-Mahlgrad-Spektrums gelandet. Es läuft gut, anfangs ein wenig zu lange tröpfelnd, dann jedoch schön dickflüssig. Duft nach dunkelkaramelligen Röstaromen.

Das Ergebnis in der Tasse ist noch ein bisschen schaumig.

Der erste Schluck: Viel dunkles Karamell. Gute, 100% Criollo-Kakaomasse. Zwieback. Und etwas an milde, sonnengereifte Weintauben Erinnerndes, leicht moussierend (noch?), tatsächlich champagnerartig. Jetzt schon klasse, trotz der leichten Űberextraktion. Mal schauen, wie der sich in den nächsten Tagen entwickelt.

Zweiter Tag (Tag 15 nach der Röstung):

Allmählich – und bei etwas gröberer Mahlung als bei den ersten beiden Malen, dafűr mit 13g Bohnen – kommt auch eine Marzipannote zum Vorschein. Mit einer ganz hintergrűndigen Spur sehr sűßer und gleichzeitig auch leicht säuerlicher Ananas.

Der „Trieste“ hat mich heute an mein Lieblings-Marzipan-Minibrot meiner Kindheit vom Lűbecker Marzipanhersteller Niederegger erinnert: Marzipan mit Ananas im Bitterschokoladenmantel. Weiterhin schmecke ich dunkles Karamell. Und Zwieback.

Fűnf Tage später (Tag 20 nach der Röstung):

Die Bohnen brauchen inzwischen einen deutlich feineren Mahlgrad. Ich bin bei 13g geblieben. Das Schaumige ist verschwunden. Etwas minimal Moussierendes auf der Zunge bleibt jedoch erhalten. Das Dunkelkaramellige ist weiterhin im Vordergrund. Fast ebenso deutlich zeigt sich tiefdunkler Kakao. Der Zwieback schmeckt kaum noch hervor. Die Ananas wurde nunmehr abgelöst von reifer Williams-Birne, die noch viel weichere Säurespitzen aufweist als zuvor die exotische Frucht. Eher als Spitzen sind es Säure-Rundungen, die in etwas behäbige, breite, sűffige Birnen-Sűße gebettet sind. Weiterhin auch Marzipan, jedoch zurűckhaltend. Soweit die Grundklänge.

Ganz hintergrűndig lugt eine Ahnung von Vanille hervor. Etwas Warm-Holziges gesellt sich hinzu. Spuren von sehr zarter Pilzigkeit … wie ein gehauchter Anklang von ganz frischem, jungem Fichten-Steinpilz, von dem ich, unmittelbar nach dem Finden, noch im Wald, ein winziges, hauchdűnnes Scheibchen abschneide und roh in den Mund stecke …

Exquisit! Rund, ausgewogen – und doch einzigartig!

Diese dritte Verkostungs-Sequenz entstand in Teamarbeit mit meiner wundervollen, feinschmeckenden Patentochter Sarah Petry. ❤️

Tag 25, 26 und 27 nach der Röstung:

13g, feiner Mahlgrad (Apollo 8’0“), PI 12 Sekunden, BG-Temperatur bei Bezugsbeginn 92ºC, 24 Sekunden Bezugszeit mit der Stakkato-Methode (ich werde diese an anderer Stelle unter „Diven“ beschreiben).

Nun hat der tiefdunkle Kakao seinen großen Auftritt. Ich fűhle mich an die Labooko Peru 100% von Zotter erinnert (ebenfalls eine Delikatesse aus Österreich űbrigens). Die dunkelkaramelligen Röstaromen sind von der ersten Reihe zurűckgetreten und schmiegen sich – zusammen mit deutlichen Anklängen von Marzipan – in die  intensiver gewordene Schokoladigkeit hinein, wie in einen warmen, dicken, herbsűßen Mantel.

Sehr hintergrűndig ist etwas minimal Adstringierendes, Warmes, Holzig-Herbes mit spröder, tiefer Sűße zu erhaschen.

Die jugendliche schäumende Spritzigkeit der ersten Tage hat sich zu einem sämigen, gerade eben noch spűrbaren Moussieren transformiert. Die Noten von milder Birne sind als feiner, heller, sűß-fruchtiger Faden im dunklen Aromen-Teppich weiterhin wunderbar präsent, ohne sich auch nur eine Spur als sauer zu hervorzutun.

Vanille und das minimal Pilzige sind so sehr in den Hintergrund getreten, dass sie nur noch wie ein sehr fernes Echo zu erahnen sind.

Der „Trieste“ scheint mir nun komplett entfaltet zu sein. Er hat in diesem Stadium etwas von einer mit dunkelster Schokolade umhűllten, sehr edlen, herb-sűßen Praline.

Seine samtige Wärme erfűllt meinen Brustraum bis in die Seiten hinein. Sie strömt sanft bis hoch in die Stirnhöhlen und bis hinunter ins Becken.

Dieser Espresso hat – trotz Koffein! – etwas Besänftigendes, ruhig und tief Schwingendes, was gleichermaßen wohlig nachklingt wie höchst angenehm schokoladig nachschmeckt. Mmmmmmh! Lecker!

Ich bin wirklich sehr begeistert!

Chapeau, Harry und Phil!

 

 

 

9 Antworten auf „„Edition Trieste“ von Harry&Phil’s“

    1. Lieber Herr Böhnke,
      der Harry&Phil’s ist derzeit leider in Deutschland nicht erhältlich. Er wird ausschließlich von ‚Vettore‘ in Wien vertrieben, und der Vertrieb nach Deutschland wurde letztes Jahr bis auf weiteres eingestellt. Die einzige Möglichkeit, ihn nach D. geliefert zu bekommen, ist über persönliche Kontakte in Wien.
      Herzliche Grüße,
      Antje Brockmüller

  1. hallo frauantje,
    eine sehr schöne rezension, die lust macht den kaffee schon bald zu kaufen (als wiener kann man es ja). sie haben 13g in mit einer preinfusion von 12 sekunden und einem out von 26g verwendet?
    ich werde jetzt einmal ihre seite einwenig durchstöbern und gehe davon aus noch ein paar spannende artikel zu finden.
    bisher danke, und weiter so.

    1. Lieber Roger Rauscher,
      vielen Dank für Ihr nettes Feedback!
      Bzgl. der Parameter kann ich nicht mehr sagen, als in der Rezension steht. Es ist ja schon etwas länger her – und ich beziehe mehr nach Gefühl und Augenmaß, als nach Zahlen-Messwerten. Die einzigen Parameter, die ich messe bzw. einstelle, sind das Gewicht der Bohnen, die ich nehme, der Mahlgrad und die Brühtemperatur. Da jede Mühle, jede Maschine und auch jede Charge ein und derselben Mischung eigen ist, sind all das nur sehr grobe Richtwerte. Bedenken Sie bitte, dass ich mit 49mm-Sieben arbeite. Auch das beeinflusst den Bezug.
      Herzliche Grüße nach Österreich,
      Antje Brockmüller

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