„Soave“ von Gallitelli

Heute in Frau Antjes Espressoverkostungs-Studio:

Gallitelli ‚Soave‘, bestehend aus  50% Arabica- und 50% Robustabohnen. Sehr sehr lecker, das gleich vorweg! 

Die Rösterei Gallitelli ist beheimatet in der süditalienischen Region Basilikata. Genauer gesagt, in Montescaglioso, einer kleinen Stadt und Gemeinde, die zur Provinz von Matera gehört.

Hier kann ich der Versuchung nicht widerstehen, einen kleinen reiseführerischen Schwenk zu machen (wer gleich zur Verkostung möchte, möge bitte nach unten scrollen. Das Wort ‚Verkostung‘ ist fett gedruckt):

Die Basilikata:

Die Basilikata (auch Lukanien genannt) ist nun mal eine meiner Herzensgegenden. Kaum jemand hier kennt sie.

Selbst eingeschworene Süditalien-Fans reisen vornehmlich in die Küstenregionen und, wenn in Städte, dann am ehesten nach Neapel, Bari oder Palermo.

Küste aber hat die Basilikata kaum, abgesehen von zwei handtuchgroßen Zugängen zum Meer, die sich wenige Kilometer um Metaponto und Maratea herum erstrecken.

Ich habe seit 1990 quasi familiäre Bande in die Basilikata – aber auch, wenn es diese nicht gäbe, wäre ich aus dem hingerissenen Staunen nicht mehr herausgekommen, als ich das erste Mal dort war.

So weit das Auge reicht atemberaubend schöne, weite, abwechslungsreiche Hügel- und Gebirgs-Landschaften und bezaubernde Ortschaften.

Die sehr besondere Provinzhauptstadt Matera mit ihren sogenannten „Sassi“ (= Felsen), womit die höhlenartig in die steilen, zerklüfteten Felshänge gebaute Altstadt gemeint ist,

…  und mit ihren uralten Felsenkirchen, war 2019 Weltkulturhauptstadt.

Dadurch ist sie wohl ein wenig bekannter geworden, zumindest unter kulturell Interessierten, und hat seither sicherlich ein paar mehr Touristen angezogen.

Es lohnt sich wirklich, nicht nur Matera, sondern überhaupt die Region zu erkunden, sowohl zu Fuß, als auch motorisiert.

Womit man jedoch, neben gigantischen Ausblicken und berührenden Entdeckungen, immer rechnen sollte ist, dass die Straßen manchmal abrupt im Nirgendwo enden. Oder gerade dabei sind, Stück für Stück den Hang runterzurutschen. Adagio!!! Achtsames Fahren ist hier angesagter denn je, und jedes Wenden, um passierbare Wege zu suchen, wird sehr wahrscheinlich mit noch spektakuläreren Aussichten belohnt werden.

Wer Metropolenflair und turbulentes, schrilles Szeneleben sucht, wird in der Basilikata garantiert nicht fündig werden.

Wer jedoch einsame, weite, unglaublich schöne Hügellandschaften und schroffe Berge („die Dolomiten der Basilikata“) mit verschlafenen, nestartig weit oben thronenden alten Dörfern und Städten mag, dafür umso mehr.

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Zurück zum Espresso. Bzw. erstmal zur Rösterei.

Die Antwort aus dem Hause Gallitelli, auf meine Bitte um Informationen hin, begann mit der zauberhaften Poesie von Google Translate: „Hey Frau Antje … Wie Gehts?? Gut??“
Fast schon bedauerlicherweise fand die weitere Korrespondenz mit dem Qualitätsmanager, Herrn Salluce, auf Englisch und Italienisch statt. Ich liebe internationalen 1:1-Sprach-Rock’nRoll, vor allem, wenn er so durch und durch arglos und schwungvoll auf’s Parkett gelegt wird!

1984, so erfuhr ich, begann Giuseppe Gallitelli mit dem Handel von Kaffeemaschinen und -mühlen. Seine Söhne, Luigi und Marco, stiegen irgendwann mit in das Geschäft ein.  1999 schließlich wurde, parallel zum Kaffee-Equipment-Sektor, die Rösterei Gallitelli aus der Taufe gehoben und fortan mit Enthusiasmus betrieben.

Es werde, schreibt Herr Salluce, das Ziel anvisiert „Medium“ zu rösten.

Die Robustabohnen, die Gallitelli verwende, stammten aus Indien, dem Kongo und aus Uganda. Die Arabicabohnen, die Gallitelli seinen Mischungen beifüge, seien aus Südamerika, vorwiegend aus Brasilien. 

Ab hier möchte ich Domenico Salluce selbst zu Wort kommen und aus seinem Alltag in der Rösterei plaudern lassen (Übersetzung von mir, nicht von Google Translate):

„Unsere tägliche Arbeit beginnt um 6 Uhr mit dem Aufheizen der Röstmaschine, während im Hauptlager mit dem Verladen der Güter für unsere Abnehmer (Privatunden oder Coffeeshops) begonnen wird.

Trotz der Pandemie sind wir zum Glück ziemlich beschäftigt. 

Gegen 7 Uhr morgens besuchen Marco, Luigi und ich die Produktion, um nachzusehen, ob dort alles seinen reibungslosen Gang geht.

Rohbohnen und geröstete Bohnen werden in Augenschein genommen und darauf überprüft, ob die Farbe so ist, wie wir sie haben wollen. 

Mit Hilfe unserer Arbeiter wird sichergestellt, dass sämtliche Maschinen in gutem Zustand sind. 

Nach unserem Rundgang trinken wir zusammen einen Espresso und diskutieren Pläne für die Zukunft, Möglichkeiten und was sonst so ansteht.

In der Regel veranstalten wir dreimal pro Woche ein kleines Cupping und schmecken uns durch Stichproben aus der laufenden Produktion …

Manchmal organisiere ich einen Grundkurs für einen neuen oder alten Kunden, in dem es um Espresso geht, und darum wie man mit der Milch richtig umgeht (Latte Art inklusive).

Letzten Donnerstag z.B. hatten wir hier 4 Kunden aus einem Café, das in unserer Gegend sehr bekannt ist. Wir hatten viel Spaß dabei, mit verschiedenen Extraktionen zu spielen und mit unter- oder überextrahierten Espressi fertig zu werden …“

Ganz herzlichen Dank, Herr Salluce, für die anschaulichen, persönlichen Einblicke! Mir ist, als wäre ich bei Ihrem morgendlichen Rundgang, beim gemeinsamen Espresso, beim Cupping und beim Barista-Einführungskurs dabei gewesen und hätte all das sehr genossen! Ich werde auf Ihre freundliche Einladung, Ihnen einen Besuch abzustatten und die Rösterei zu besichtigen, gerne zurück kommen!

Meine Bezugsadresse: https://italienische-feinkost-scarati.de/product/gallitelli-soave-espresso-kaffee-bohnen/

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Zur Verkostung:

Vor mir liegen Bohnen, deren Anblick Freude macht (kein Bruch, keine Mängel, keine verbrannten Stellen).

French Roast.
Mit Angabe des Röstdatums: 031120. Und mit Zubereitungsempfehlungen:

Beides ist ungewöhnlich und vorbildlich für eine süditalienische Rösterei!

Mir kommt ein sehr angenehmer, warmer, toastig-röstiger Duft entgegen.

Siebträger-Maschine: Strietman CT2.

Mühle: HG1 (Craig Lyn)

Meine Bezugs-Parameter:
14g – 14,2g, mittelfeiner bis feiner Espressomahlgrad. Die wohlschmeckendsten, rundesten Ergebnisse hatte ich bei 94-95ºC.

2 1/2 Schluck out in gezählten (!) 22-26 Sek.

Der ‚Soave‘ hat ein weites Toleranzfenster, er verzeiht Abweichungen von der perfekten Temperatur und vom optimalen Mahlgrad (der natürlich, wie immer, je nach Luftfeuchtigkeit und Alter der Bohnen variiert), ohne sich zu perfiden Racheakten verleiten zu lassen. Auch bei 92ºC, 93ºC oder 96ºC und etwas langsamerer wie etwas schnellerer Fließgeschwindigkeit schmeckt er immer noch sehr angenehm und bleibt weich.

Mit den bestmöglichen Einstellungen zeigt sich ein geschmeidiger, dicker Fluss, ähnlich wie Ahornsirup, der sich schön zähtröpfelnd sammelt zu Beginn.

Das Mundgefűhl ist samtig weich, warm, schoko-schmelzig.

Seine Koffein-Gewichtsklasse liegt, ebenso wie die Textur, zwischen Halbschwergewicht und Schwergewicht, abhängig von der verwendeten Bohnenmenge und dem Mahlgrad. Er ist eindeutig von der stämmigeren, wuchtigeren Fraktion.

Erster Schmeck-Eindruck: Buttertoast mit geraspelter, dunkler Criolloschokolade, erinnernd an Domori Javablond. Dann weht ein Hauch von Macchiakräutern hinzu, winzige Noten von kandierter Grapefruit (mit Schale!). Eine Spur von sanfter, erdig-holziger, milder Paranuss lehnt sich genüsslich an. Eine winziger, würziger Anflug von Tabak, ganz zart und zurückhaltend. Süße! Eine weiche, runde, gar nicht so schwere Süße! 

Insgesamt ist der ‚Soave‘ für mich ein ungemein befriedigender Espresso, der mir vor allem den Brustraum weitet und wärmt.
Langer, weicher Abgang, wirklich mindestens eine dreiviertel Stunde lang. Das ganze Treppenhaus riecht sowas von köstlich nach dem Bezug, dass ich mehrfach von meinen Nachbarn begeistert darauf angesprochen worden bin.

Wer ein Café hat, und Kundschaft über die Nase anlocken möchte, sollte diese Bohnen für den Ausschank in Erwägung ziehen! Was der Nase versprochen wurde, wird auch dem Gaumen gegenüber ganz und gar gehalten!

Eindeutiges Wow!

P. S. : Die Fotos sind teils von Erminia Viccaro, meiner Lebensgefährtin, teils von mir. Das Foto mit den Rad-Rennfahrern habe ich von der Gallitelli-Facebook-Homepage stibiezt. Ich hoffe, das ist okay  …

 

 

6 Antworten auf „„Soave“ von Gallitelli“

  1. Fantastisch ein wahrer Hochgenuss alles in allem deine wundervolle, so geniale Beschreibung sowie auch die bezaubernd schönen Fotos Süditaliens☀️☀️☀️

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