Heute im Test:
Der Granbar „Satèn“ von der Rösterei LOLLO CAFFÈ aus Scisciano bei Neapel.
Heureka!
Frau Antje hat diese Miscela (ca 70% Arabica/30% Robusta) bezwungen!
Ich dachte schon, wir werden keine Freunde mehr. Im Rahmen der Parameter, die bei mir normalerweise zum sicheren Espresso-Glűck führen, geriet der „Satèn“ die ersten Male dermaßen bitter, dass ich ihn allen Ernstes mit Tausendgűldenkraut-Tee verglich. Oder mit Momordica, der indischen Bittergurke. Sowas trink ich normalerweise ja nur freiwillig, wenn mein Magen mal sehr zwickt.
Philipp Wanivenhaus von www.vettore.at , wo ich die Bohnen erstanden hatte, riet mir dann, eine deutlich höhere BG-Temperatur zu wählen. Okay, gesagt, getan.
Mit 95ºC bei PI-Beginn wurde er schon gut trinkbar und der, für mich wahrnehmbare, sehr bittere Beigeschmack ließ sich auf ein erträgliches Maß eindämmen.
Schöne tiefdunkle Kakaonoten, echte Lakritze, dunkles Karamell, Zitrusfruchtschale mitsamt dem (recht bitteren) weißen Inneren. Wunderbar sämige Konsistenz. Ein bisschen kratzigborstig noch.
Mit 95,5ºC, also diesem halben Grad mehr zu Beginn der PI, ist er nun richtig oberlecker geworden.
13,9g.
Da kam aber noch ein zweiter Trick hinzu, abgekuckt von den Baristi der Passalacqua-Bar „Mexico“ an der Piazza Dante in Neapel – wo mir der Espresso so gut geschmeckt hat, wie selten sonst irgendwo:
Ich hab ihn nämlich so fein gemahlen, dass er fast bis zum Ende nur getröpfelt ist (Mahlgrad 8’0“ mit meiner Apollo). Das hat lange gedauert, bis die Tasse ristretto-voll war! Wie eben dort in Neapel.
*tröpfel* … *tröpfel* … *tröpfel* …
Und nun, so dermaßen unverschämt „űberextrahiert“ nach hier gängigen Maßstäben, war der „Satèn“ ein Gedicht:
Tiefdunkle Kakao-Masse, verschwindend wenig Lakritz, dunkles Karamell, ein Hauch Bitterorangenschale, eine winzige Prise feinstes Meersalz, etwas Zwieback. Eine Sämigkeit, die ihresgleichen sucht. Es hat wenig gefehlt, und der Löffel hätte in der Tasse gestanden. Traumhaft weicher schwarzschokoladiger, orangenschaliger Abgang. Elegant und dreckig zugleich. Die Sumpfsau mit Perlenhalsband unter den napoletanischen Espressi. Exzentrisch zum Davonrennen bis 95,5ºC. Fast widerlich …
… und plötzlich reibt sie ihren schlammigen Kopf an dir, gibt Pfötchen und schenkt dir ein Tässchen wahre Gaumenfreude, die dich für den Rest des Tages beseelt sein lässt.
Diese Espresso-Mischung war eine etwas größere Herausforderung für mich. Ich bin froh, dass ich es, trotz ihrer abtörnenden Bitter-Angriffe nicht aufgegeben habe, mich um sie zu bemühen! Zur Belohnung hat sie mich in ihren Schokoladen-Sumpf mitgenommen, mich mitsuhlen und vor Wonne entzűckt grunzen lassen.
Es hat sich wie ein heißes, dickes Ganzkörper-Schlammbad angefűhlt, das bis in die letzte Zelle hinein wärmt und nährt, ohne jedoch schläfrig und schwer zu machen. Im Gegenteil: Bei aller wonnigen Wohligkeit bleibt der Kopf klar! Ein tolles Gefühl! Bitte mehr davon!
*grunz*
Eine kaffeeodyssee! 🙂
Das ergebnis, auf dem 2. foto sehr sichtbar, ist ein dicker (sämiger!) rest im tässchen… ich fand ihn superlecker!
p.s. aber am anfang war er eindeutig bitter. Er hat aber schnell nachgelassen, nix mit 1000güldenkraut mehr – zum glück!
Ja, entweder er schmeckt richtig scheußlich – oder zum Niederknien köstlich. Der Grat dazwischen ist extrem schmal.