„Gran Miscela Bar“ von Caffè Moreno

Wer nach Neapel reist und guten, dunkel gerösteten Espresso mag, wird sich sehr wahrscheinlich frűher oder später auf den Weg machen zum historischen ‚Gran Caffè Gambrinus‘ an der Piazza Tieste e Trento (Via Chiaia, 1). Frűher oder später, weil man sich nach diversen wunderbaren ersten Espressi an allen möglichen Ecken und Enden der Stadt vielleicht, so, wie ich, fragt, was jetzt noch an unerreichtem Espresso-Genuss kommen soll. 

Das ‚Gambrinus‘ wird in allen Reiseführern, ob in Buchform oder online, erwähnt. Es ist zweifelsohne ein Touristenmagnet: Pompöse, geschichtsträchtige, hohe Räumlichkeiten mit Marmor, Stuck, Lűstern, Spiegeln und Malereien wohin das Auge blickt. Eine Vergangenheit voller illustrer Persönlichkeiten aus Intellektuellen- und Kűnstlerkreisen oder mit gekrönten Häuptern.
In einer Vitrine befindet sich eine Angela Merkel-Reliquie in Form eines etwas ausgebleichten Fotos von ihr, neben einer unűbersehbar unabgespűlten, vergilbten Espressotasse, aus der die Cancelliera – laut Textkärtchen – vor Jahren ihren Kaffee geschlűrft haben soll.

Ein Extra-Raum voller űppiger, sűßer Patisserie-Leckereien aus Teig, Cremefűllungen, Schokolade, kandierten Frűchten, Sahne oder Eiscreme …

Und Caffè Moreno (nicht zu verwechseln mit der Aldi Nord-Eigenmarke Moreno!) – produziert von der 1970 gegründeten, mittelständischen Privatrösterei Moreno am Stadtrand von Neapel (in der Via Capri 1, direkt an der Autobahn Richtung Caserta).

Die Bohnen-Mischung thront, in einer eigens für das ‚Gambrinus‘ entworfenen, leuchtend blauen 3kg-Hopperdose, mit dem Logo des Cafés versehen, auf der vielbetriebenen Műhle. Neben der Espressomaschine Unmengen von Tassen im Kochendwasser-Bad.

Im Ausschank ist die „Gran Miscela Bar“ – wie mir der am wichtigsten aussehende Mann vom Personal später bestätigte.
Hätte der warme, nussig-karamellige Duft dieses Kaffees nicht den ganzen Raum erfüllt und mich sofort in Verzűcken versetzt, hätte vermutlich mein Fluchtimpuls gesiegt. So viele Menschen, die sich vor der Kasse und dem langen Tresen drängten!

Doch meine Geruchsrezeptoren gaben das Signal für den Großhirn-Befehl: Du bleibst!

So stellte ich mich also in die Schlange an der Kasse, löste dort den sogenannten ‚Scontrino‘ (einen kleinen Papierzettel, auf dem stand, dass ich einen Espresso bezahlt hatte), den ich anschließend, als ich einen Platz ergattert hatte, auf den spiegelnden Tresen legte, und bat, als der Bar-Mann danach griff, um einen Caffè ristretto.
Kurz und gut: Der Espresso war der Hit!

Ich war hin und weg und stellte mich erneut in die Schlange vor der Kasse, um ein Kilopaket der soeben genossenen Mischung zu erstehen.

In den kommenden 6 Tagen trank ich noch zwei weitere Male Espresso an diesem űberfűllten, duftenden Ort. Der letzte wurde von einem anderen Mann an der Espressomaschine bezogen als die ersten zwei. Er war leider ein bisschen hingeschludert und fűr meinen Geschmack etwas zu lang. In der bunten, lärmenden Masse der Leute um mich herum befand ich, es sei nicht der richtige Zeitpunkt, um mich zu beschweren …
Und ich hatte ja mein Kilopaket für unsere Ferienwohnung am See in Norditalien!

Zur Verkostung:

Die Bohnen sind von unterschiedlicher Größe, dunkel geröstet, einiges an Bruch.

Auf der insgesamt wenig aussagekräftigen Website von Caffè Moreno ist von einer „5 Länder-Mischung“ die Rede. Genaueres ist dort nicht zu erfahren. Der wichtig dreinblickende, uniformierte Mann vom Gambrinus-Personal sagte mir, die Mischung setze sich ungefähr zu 80% aus Arabica- und zu 20% aus Canephora(„Robusta“)-Bohnen zusammen.
Die Bohnen duften nach gerösteten Nűssen und tiefdunklem Karamell.
Ich nehme etwas űber 15g Bohnen. Mahlgrad mit meiner Comandante: 16 Klicks. Zubereitung mit der Aram (28 Umdrehungen hoch, 24 Umdrehungen runter, die letzten sind schwergängig, was bisher bei mir eine Voraussetzung war für Espressi mit sirupartiger Konsistenz).
Heraus kommt ein wunderbar dickflűssiger, dunkler, kurzer Espresso mit schöner Crema, der warm-nuss-karamellig duftet.

Warmes, schmelzend samtweiches, Mundgefűhl.
Das Tief-Dunkelkaramellige ist beim Schmecken die bittersűße Grundnote, in die sich ein, zwei Sekunden später Spuren von – mit etwas geriebener, herb-spritzig-fruchtiger Orangenschale – zu dunklem Konzentrat gekochtem Pflaumenmus mischen. Geröstete Walnuss gesellt sich dazu. Eine winzige Prise Salzigkeit rundet die Komposition elegant ab. Schokolade? Nein. Und sie fehlt auch nicht einen Moment lang. Alle Erwartungen an Schokoladennoten sind voll befriedigt durch etwas Anderes, das sich schmeichelnd warm im ganzen Körper ausbreitet. Und dann kommen sie doch noch um die Ecke. Verhalten, rabenschwarz und edel. Je feiner der Mahlgrad, desto deutlicher die dunklen Kakaonoten. Sie erinnern an die 80%ige „Extra Bitter“ von Guido Gobino, eine meiner Lieblingsschokoladen.
Am Ende hallt ein walnussig dunkelwűrziges Schoko-Karamell-Echo lange ganz weich nach. Ein Espresso mit hohem Glűckspotential!

Direktimport nach Deutschland und Vertrieb durch http://vero-gusto.de (STS Stumpf GmbH)

Achtung: Die Rösterei Caffè Moreno gibt 12 Monate Mindesthaltbarkeit auf ihren Packungen an! Wenn ihr also bestellt, und zunächst mit Schrecken und Verärgerung davon ausgeht, dass die Bohnen schon űber ein Jahr alt sind, weil ihr 24 Monate gewohnt seid, habt ihr vermutlich ziemlich frischen Kaffee vor euch  🙂

Nachtrag: Inzwischen nehme ich für die Zubereitung in der Aram 16,3 – 16,5g, das lässt den Moreno „Gran Miscela Bar“ als Ristretto noch sämiger und intensiver werden – ein Gedicht!

Wenn ich statt 3 Schlucken 4 Schlucke Ristretto möchte (was meistens der Fall ist), nehme ich 18g. Mahlgrad nach 2 1/2 Wochen Packungsanbruch: 15 Klicks mit RedClix-Tool (wobei jede Comandante anders zu sein scheint).

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