Heute im Test: „Espresso Crema Napoli“ von der Rösterei VEE aus dem bayrischen Taufkirchen.
Die Rösterei VEE wurde sowohl 2014 als auch 2018 von der Zeitschrift „Der Feinschmecker“ empfohlen.
‚Vee‘, so habe ich gelesen, spreche man ‚Wie‘, wie das englische ‚V‘. Es stehe für ‚Victory‘, also ‚Sieg‘.
An anderer Stelle las ich, dass es Kusaya „Vee“ Tismer und ihr Mann Hans-Wolfram seien, zwei studierte Physiker, die die Rösterei seit 1999 betreiben.
Ich hatte jedenfalls damit zu kämpfen, die 250g-Tűte, die ich direkt im Rösterei-Vertrieb bestellt hatte, noch 2 Wochen liegen zu lassen, damit die offenbar ganz frisch gerösteten Bohnen Zeit zum Ausgasen und Nachreifen haben. Denn aus dem Aromaschutzventil entwichen feine Wölkchen des allerleckersten Kaffeearomas, das wohl je meine Nase erreicht hat! Meine Selbstbeherrschung hat dann letztlich űber den „Ich will Genuss! Jetzt! Sofort!“-Impuls gesiegt. Es war nicht leicht, kann ich euch sagen! Die warmen, betörenden Duftschwaden in meiner Wohnung, die neben Kaffee-Röstaromen ein bisschen was Armagnac-Artiges hatten, waren ein einziges, großes, lockendes Versprechen … ✌
Nach ein paar Tagen hat sich dieser Duft dann etwas verloren.
Auf der goldenen Packung steht, wie ihr auf dem Foto erkennen könnt, „Feinster Grand Cru-Kaffee – Gourmet-Kaffee aus selektiertem Anbaugebiet“.
Der Begriff ‚Grand Cru‘ kommt ursprünglich aus dem Weinanbau und heißt „große (Anbau-)Lage“. Er bezeichnet dort Weinanbaugebiete, in denen besonders edle Reben wachsen.
Soweit ich weiß, gibt es in der Kaffeebranche
keine verbindliche Regelung darüber, wie ein Grand Cru-Kaffee beschaffen sein muss. Dem Aufkleber auf der goldenen Verpackung ist zu entnehmen, dass die Espresso-Mischung Bourbon-/Blue Mountain-Arabica enthält. Und dann steht da noch „Superiore“, das italienische Wort für „herausragend“. Sowie „wuchtige Kaffees vom Indopazifik und aus Lateinamerika in perfekter Balance“. Auf der Website des Hauses Vee wird nichts űber die genaue Zusammensetzung geschrieben. Im Online-Shop von Roastmarket lese ich zu diesem Blend: „95%Arabica/5%Robusta“. Der „Espresso Crema Napoli“, lässt VEE wissen, sei eigens für die anspruchsvollste Art der Kaffeezubereitung, der des Espresso, kreiert worden.
Nach all diesen Superlativen (leider ohne wirklich genaue Angaben) und nach dem anfänglichen wunderbaren Duft, rechne ich mit großem sinnlichem Vergnügen beim Trinken. Und räume ein, dass der Espresso, der direkt nach dem „Marrone“ von Blasercafé von mir verkostet wird, es ein wenig schwerer haben könnte, höchstes Lob von mir zu bekommen.
Ok – nun der Test:
Die Bohnen duften beim Öffnen der Packung nach feinstem Haselnuss-Nougat. Dazu kommt eine winzige Spur herber Stumpfheit, ähnlich wie von grűner Bananenschale. Kein sonnig-sűffiger Armagnac mehr. Trotzdem lecker und besonders.
Schönes tiefdunkles Braun, keinerlei Bruch, verschiedene Bohnentypen und – größen.
12, 3g, den Mahlgrad lasse ich erstmal bei 15 Klicks, die noch vom Marrone eingestellt sind (also sehr fein!). Sattes, gleichmäßiges Mahlgefűhl ohne Krachen und Rumpeln. 12 Sekunden Präinfusion. 83,6ºC auf meinem BG-Thermometer zu Beginn des Bezugs. Ich muss ordentlich Pressdruck am Hebel aufbauen, nach den ersten Tropfen läuft es schön sämig. Allein der Anblick in der Tasse gefällt mir schon sehr. Bezugszeit 20 Sekunden. Dichte mittelblonde Crema.
Sehr angenehmer Duft, der etwas Dunkelschokoladig-Beeriges mit einem kleinen bisschen was Grűnem hat.
Ich bin wirklich neugierig auf’s Schmecken!
Da ist beim ersten Schluck sofort edle, tiefdunkle Schokolade. In diese webt sich reife, gelbe Stachelbeere samt zart-pelziger Beerenhaut. Dadurch fließt auf harmonische Weise eine Melange aus filigran-säuerlicher Sűße mit einer Nuance von etwas Adstringierendem (Zusammenziehendem) in den dunklen, feinbitter-herben Schokoladenton. Das Adstringierende bremst sanft die Geschmeidigkeit im Mund. Es ist wie ein kleines Ausrufezeichen, das kurz wachsam innehalten lässt. Ein winziges, vorűbergehendes, samtiges, die Schleimhaut zusammenziehendes Reiben im oberen Gaumen, wie es z.B. vom Beißen auf – da ist sie wieder! – unreife Bananenschale ausgelöst wird (Nein, der Kaffee schmeckt NICHT nach unreifer Bananenschale! Es ist nur eine Note im Mundgefűhl!). Hinzu kommt, spätestens beim zweiten Hinschmecken, eine minimale, die Gesamtkomposition ausbalancierende, gut eingebundene Spur Salzigkeit.
All das bleibt im Abgang und lange darűberhinaus erhalten. Allem voran die tolle, schmelzende Bitterschokoladigkeit.
Insgesamt habe ich den „Espresso Crema Napoli“ zum Zeitpunkt der Veröffentlichung 6 mal, wie beim ersten Mal zubereitet, getrunken. Das oben Genannte hat sich jedes Mal bestätigt. Der sehr feine Mahlgrad und eine mittlere Brűhtemperatur bei (an der BG-Temperatur von 83,5ºC orientierten) 93-94ºC sind genau richtig, um diesen Bohnen das Beste zu entlocken.
Ein sehr herausragender, interessanter, edler und leckerer Espresso, der alle Geschmäcker gut ausgewogen in sich vereint. Ich kann ihn uneingeschränkt allen empfehlen, die wuchtige Schokoladigkeit mit viel zusätzlicher, individueller Aromenfűlle zu schätzen wissen!