„Special“ von Ginevra

Heute im Test:
Die reine Robusta-Mischung „Special“ der Rösterei Ginevra.

Der Sitz der kleinen Familien-Rösterei ist in Caltanissetta, mitten im Landesinneren Siziliens. Auf der Rückseite der leuchtenden, eidottergelben Packung schreibt Laura Ginevra einige Sätze zur Firmen-Geschichte. Sie erzählt von der ersten Röster-Generation der Famile, ihrem Großvater väterlicherseits, Massimino, der 1923 mit einem kleinen Hand-Röster begonnen, und von der zweiten Generation, ihrem Vater Pietro, der von seinem Vater wiederum das Rösthandwerk beigebracht bekommen habe. Jetzt scheint offenbar Laura an der Reihe zu sein – als dritte Röster-Generation der Ginevras. Davon steht aber nirgends was. Auch auf der Facebook-Seite werden immer wieder nur Massimino und Pietro genannt. Einzig ihr Name unter dem kurzgefassten Spotlight auf die ersten beiden Röster-Generationen lässt mich vermuten, dass das Geschäft mittlerweile in die Hände der Enkelin űbergegangen ist.

Das Logo der Rösterei gefällt mir gut: Eine Kaffeebohne mit Zylinder, Monokel, weit auslagerndem, spitzem Moustache und heller Fliege űber dem flatternden, schwarzen Gehrock.

Damals. 1923.

In Sachen Transparenz ist der Firmen-Website nur eine, für süditalienische Kaffee-Röstereien typische, sehr allgemein gefasste Information zu entnehmen: Nämlich, dass die Bohnen afrikanischer und asiatischer Herkunft seien. … Okay. Familiengeheimnis, schon klar. Das kenne ich schon von anderen Röstereien aus der Gegend. Da brauche ich gar nicht erst hinzuschreiben, um mehr zu erfahren. Steht ja auch im Klartext auf der Packung: „Segreta ricetta“, geheimes Rezept. Ist so. Punkt. Da wird nix verraten. „Sie werden das sicherlich verstehen“  …

Sehr schöne, gleichmäßig samtig pekannussbraun geröstete, unterschiedlich große und verschieden geformte Bohnen von offensichtlich hoher Qualität.

Keine Fehler, so gut wie kein Bruch, nichts Verbranntes.

Warmer holzig-karamelliger Duft.

Ich nehme 13,3g und mahle mit der Apollo Handműhle bei Mahlgrad 8’1“.

BG-Temperatur zu Beginn der Präinfusion 92ºC, zu Beginn des Hebelns 96ºC. Es tröpfelt gute 10 Sekunden lang (gezählt, nicht gemessen), dann quillt ein dickflűssiger Strahl gemächlich in die Tasse.

Grandiose Crema-Bildung, was bei 100% Robusta nicht anders zu erwarten war.

Leicht stumpfes Mundgefühl, auch das typisch für Robusta.

Knorrige, warme Aromenakkorde, die mich an den balsamischen, herben Duft einer alten Strand-Kiefer denken lassen, den sie aus all ihren Poren keucht, wenn Ende Juli vor Hitze die Luft zu schwimmen scheint. 

Ein erdiger, trockener, wohlschmeckender Dreiklang: Gedarrtes, leicht meersalziges, sommerwarmes Holz, reine, dunkle, Forastero-Kakaomasse (ähnlich der geschmacklich etwas spröden und doch in Erinnerung bleibenden „Massa de Cacau 100%“ von Claudio Corallo), sowie mitteldunkles Karamell-Malz.

Zu dieser rauhen, schokokaramelligen Holzigkeit gesellt sich – deutlicher hervortretend, wenn ich den Espresso nicht gar so hoch konzentriert zubereite – eine unaufgeregte, fast laszive Spur von schwarzer Kirsche. Dicksaftig, süßfuchtig, schwer – und dabei von einer zurückhaltenden, weichen Trägheit, die keinem anderen Aroma die Show stehlen will.

Eine satte, knarzige, breite Süße, die sanft wie allerfeinstes Schleifpapier über Zunge und Gaumen reibt und sodann langsam, glutvoll durchdringend den Brustraum wärmt. Auch den Bauch nach und nach.  Alles in mir gibt sich genüsslich dahinrieselnd der sonnengetränkten Schwerkraft hin.

Der „Special“ löst sinnliche Wohligkeit aus – doch ohne auch nur im geringsten zu schmeicheln oder gar zu kokettieren. Eher schmirgelt er die Wohligkeit in einen hinein. Rrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrrr.

Es ist ein bisschen wie das zutiefst befriedigende, verankernde, ausgesprochen freundliche, warme Gefühl, das in mir entsteht, wenn ich knusprige Haferflockenmakronen esse. 

Und genau so klingt es dann noch lange auf der Zunge und im Körper nach. Ausgesprochen freundlich und warm. Bodenständig. Klasse!

2 Antworten auf „„Special“ von Ginevra“

  1. Wie immer, ein Genuss das zu lesen. Ich hatte gerade den Massimo von Supremo, sortenreiner Hochland-Robusta aus Uganda (die sind nicht so geheimniskrämerisch.) Leider ist mein Bericht samt Fotos von der Facebookseite verschwunden, versehentlich unwiderruflich gelöscht. Der Massimo könnte Dir auch gefallen. Aktuell habe ich den „Siena“ in der Tasse. Bisher der beste von Supremo. Beschreibe ich in Kürze.

    1. Lieber Harald,
      das ist ja wirklich sehr schade, dass dein Erfahrungsbericht zum „Massimo“ auf Facebook verschwunden ist! Ich hätte ihn gerne gelesen.
      Mir ist es auch schon passiert, dass fb einen Text von mir geschluckt hat – seitdem schreibe ich sowas zuerst als Word-Dokument, speichere es dort und kopiere es dann bei Facebook rein oder in meinen Blog.
      Danke für dein Feedback und für die Empfehlung. Der Siena steht jetzt auf meiner Liste! 🙂

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