Tornqvist – Hamburg/Schanzenviertel

Frau Antje hat heute in ihrer Mittagspause, die länger war als sonst, ihren Horizont erweitert. Ich erzähl euch jetzt mal, wie.

Zuerst war ich in einem ehemaligen Hamburger Pförtnerhäuschen, das jetzt ein „Coffeekiosk“ ist. Draußen hing ein Pascucci-Schild und ich dachte: ‚Pascucci kann ja lecker sein‘. War aber nicht lecker. Ich meine: Der Kaffee an sich war nicht eklig oder so. Der erste war halt viel zu lang, obwohl ich um einen Ristretto, gebeten hatte. Den hab ich zurückgehen lassen. Zur zweiten Tasse sagte die Frau hinter dem Tresen: „Da ist ja fast nichts drin“, aber das wenige, was drin war, war so schnell durchgelaufen und demzufolge so labberig, dass ich es zwar bezahlt, aber stehen lassen habe.

Und dann war Frau Antje mutig. Echt mutig! Sie ist nämlich zu „Tornqvist“ gegangen.

Draußen auf der Scheibe von „Tornqvist“ steht in unűbersehbaren, weißen Lettern ‚It‘ s a fruit‘.

Vor dieser Scheibe standen einige Leute mit kleinen, weißen Schalen in der Hand.

Drin sah es ein bisschen aus, wie in einem Science Fiction-Raumschiff. Als ich mich in dem űberschaubar ausgestatteten Raum umsah, entdeckte ich eine wirklich abgespacete Espressomaschine in mattschwarz. Auf der gegenűberliegenden Seite der mittig gelegenen Treseninsel war die Drip Brew-Abteilung. Und dann waren da vier schwarze Designobjekte, die sich bei genauerer Betrachtung als Kaffeeműhlen entpuppten. Zwei fűr Espresso und zwei für „Drip Coffee“. Das stand nicht dran – ich habe es geschlussfolgert. Bestimmt waren all diese Geräte ganz schön teuer gewesen in der Anschaffung.
Wenige, recht puristisch wirkende Sitzmöbel standen in dem Raum rum. Dennoch wirkten die Menschen darauf, als ob sie unendlich viel Zeit hätten und tiefenentspannt säßen. Viele knabberten langsam an interessant aussehendem Gebäck und manche schauten sich gegenseitig tief in die Augen während sie knabberten. Es gab auch Tische. Geműtlich wirkte das alles nicht auf mich.

Hinter dem Raumschiff-Tresen waren zwei sanft aussehende, lieb dreinblickende, hűbsche junge Männer mit ganz sanften Stimmen und sanften Bewegungen in Zeitlupe ein bisschen mit Diesem und Jenem beschäftigt. Sie haben hier gepinselt und da mit der Hand streichelnd drűbergewischt und haben dann nochmal ganz genau gekuckt auf das, was sie gewischt hatten – und haben dann nochmal drűbergestreichelt. Das, was sie gewischt und gestreichelt haben, waren Siebträger. Die wurden vor dem Wischen gewogen. Und dann anders hingelegt und nochmal gewogen. Und nochmal anders hingelegt, gestreichelt – und erneut gewogen.

Alle Getränke werden bei „Tornqvist“ auf randlosen, schwarzen Brettchen serviert, in denen jeweils ein Zettel in einer Vertiefung steckt, auf dem steht, dass Kaffee ganz viele Aromen hat, und dass man dem in diesem Établissement gerecht werden wolle. Die Tassen auf den Brettchen sahen, wenn sie von hier nach da balanciert wurden, äußerst absturzgefährdet aus. Das schien allerdings nur ich zu befürchten. Bei „Tornqvist“ wird mit traumwandlerischer Sicherheit balanciert.

Espresso reicht man hier in kleinen Matcha-Schalen. Und er heißt auch gar nicht Espresso, sondern ‚Shot‘. Das ist sicherlich konsequent. Denn wozu sollte man sich sprachlich an etwas anlehnen, das dem, was man zubereitet nicht im Entferntesten ähnelt?

Einer der sehr sanft wirkenden Männer hat mir nach vielen Minuten des Wartens und Beobachtens ganz lieb erklärt, was für Shot-Sorten es gibt. Nämlich eine mit ganz viel Frucht aus Äthiopien. Himbeere und Grűntee und noch irgendwas, meine ich zu erinnern. Und eine aus El Salvador, mit Noten von Walnuss, Karamell und Spuren von Birne. Ich hab dann letztere Sorte bestellt. Um einen „Ristretto“ zu bitten wäre mir hier unangebracht vorgekommen.

Ab dem Moment meiner Bestellung war es mir vergönnt, 20 Minuten lang fasziniert dem Workflow der beiden jungen Männer beiwohnen zu können, der mich an den zweier sanfter, wiederkäuender Kűhe irgendwo auf einer friedlichen, futuristischen Alm erinnerte. Trotzdem hat es mit der Latte Art nicht immer ganz geklappt, was ich sympathisch fand. Einmal sah das Milchschaumgemälde aus wie „Birne“. Ja, wie DER Birne. Erinnert ihr euch? Ist ja jetzt auch schon tot.
Es dauerte alles sehr, sehr lange. Gras braucht eben seine Zeit, bevor es sieben Mägen passiert hat.

Allmählich wurde ich ein wenig schläfrig.
Kurz bevor mir im Stehen am Tresen endgültig die Augen zufielen, bekam ich schließlich doch noch mein Getränk. Ich habe es auf dem schwarzen Brettchen zu einem der spartanischen Sitzplätze balanciert. Dabei wurde ich wieder wach, was auch deswegen gut war, weil meine heute verlängerte Mittagspause sich dem Ende zuneigte.
Puh! Geschafft!

Crema? Vergesst es!
*schnupperschnupper*
Mmmh.
Roch wie sehr feiner Tee. …
*nipp*
„Oh!   … OH!  …  OH!
*schwenk*
*schmatz*
Leute, was soll ich sagen?
*schlűrf*
Es war hammer-lecker! Wirklich!
Äonen entfernt von sűditalienischem Espresso. Was ich allerdings nicht anders erwartet hatte.
Leicht. Mild. Ein bisschen säuerlich, ohne auch nur eine Spur ätzend dabei zu sein. SO angenehm säuerlich! Und es hat tatsächlich nach Walnuss, Karamell und Spuren von Birne geschmeckt! Außerdem ein bisschen nach Pflaume und Pfirsich und nach einem winzigem Hauch Maté und nach griechischem Bergtee und nach einem Echo ( … Echo … Echo … ) von Kaffeewasser – auch wenn all das in der Beschreibung so nicht stand.

Mein Körper räkelte sich innerlich. Da war sowas wie ein warmer, belebender innerer Windhauch. Eine klärende Brise im Kopf, vor allem hinter den Augen. Entspannung im Leberbereich. Ein Empfinden von Genährtwerden mit purer Leichtigkeit und Aromenvielfalt. Wenn ich jetzt ketzerhaft schreiben wűrde ‚mit sowas wie einem allerleckersten, warmen, eindeutig koffeinhaltigen Fruchtsaft-Kräutertee-Mischgetränk‘ wűrde ich dem Trank aus El Salvador in der weißen Matcha-Schale nicht gerecht werden. Es schmeckte einfach anders.

Vor lauter fasziniertem Beobachten und vor lauter Wonne habe ich es völlig versäumt, den Laden von innen und den ‚Shot‘ zu fotografieren. Wenigstens habe ich, als ich wieder draußen war, noch ein Foto von der Scheibe mit den weißen Lettern geknipst.

2,80 € űbrigens.

Da will ich wieder hin!
Irgendwann mal. Vielleicht bald. Dann gibt’s auch die weiteren Fotos.

Espressolution

‚Espressolution‘ (Juliusstr. 12 im Schanzenviertel) ist ein kleines Ladengeschäft für Espresso aus Sűditalien (Saicaf, Passalacqua und Molinari). Außerdem kann man dort Bialetti-Herdkännchen kaufen und Zubehör dafür, und es gibt einen Kaffeeausschank, eine kleine Auswahl an italienischem Gebäck und Sűßigkeiten, frisch zubereiteten Toast und hausgemachtes Pesto Genovese. Der Laden wird inhabergefűhrt von Stefan Marvulli und Antonio Fiammingo, zwei Hamburgern mit apulischen Wurzeln.

Hier treffen sich v.a. Anwohner zum frűhen oder späten Frűhstűck oder zum Nachmittags-Kaffee und Berufstätige vor der Arbeit und in ihrer Mittagspause. Viel Stammkundschaft. Man steht zwischen Kartons, voll mit Kaffeebohnen in Kilopacks und gemahlenem Kaffee in Originaldosen, an einem der zwei langen Stehtische. Oder man sitzt bei gutem Wetter auf Stűhlen oder Treppenstufen vor der Tür.

Die Chefs in diesem Laden wissen, wie man guten Espresso macht – und sie stehen selber an der Espressomaschine.

Der „Miscela Oro“ von Saicaf (80% Arabica/20% Robusta) im Ausschank ist ein anständiger, aromatischer, wenig eigenwilliger Espresso. Nicht zu wuchtig, nicht zu mild. Nur mäßig schokoladig, dafür deutlich nussig. Dicht und einigermaßen cremig im Mundgefűhl. Zu vernachlässigende Säure, kaum Bitterstoffe. Langes, angenehm nussartiges, ganz leicht karamelliges Geschmacks-Echo. Einen ordentlichen Ristretto kriegen die beiden Männer problemlos hin. Und schon ist Frau Antje sehr zufrieden.

Im ‚Espressolution‘ gibt es also Espresso, der diesen Namen wirklich verdient, und der nicht nur in Milchgetränken zu ertragen ist.
An manchen Tagen ist er besonders rund, fast sämig und lecker. Gut genug ist er immer.

Top Adresse!

Kopiba

Kaffeerösterei und Café am Neuen Pferdemarkt in Hamburg .

Im Ausschank: ‚Vivace‘. 70% Arabica/ 30% Robusta. Ausgewiesen als „kräftig und wűrzig“. Gibt’s auch mit EG-Bio-Siegel. Zum Mitnehmen oder Online-Bestellen kosten 250g 6,50 €. Bio 6,90€.

Die Kellnerin stellt mir mit distanzierter Miene die Tasse hin.

Ein Blick auf das Getränk meldet mir: Der bestellte Ristretto ist eher als Lungo zu mir gekommen. Wobei ich befürchte, dass der normale Espresso noch länger geworden wäre …

Schnell dahinschwindende, blasse Crema. Das Ganze macht mir schon optisch einen deutlich unterextrahierten Eindruck.

Na gut – dann nipp ich mal daran: Sauer ist er nicht. Das finde ich schonmal gut.

Darüberhinaus kommt allerdings nicht mehr viel. Null Sämigkeit. Wenig Geschmackskörper.  Die evtl. in den Bohnen geborgene Aromenvielfalt geht in diesem Extraktionszustand in Labberigkeit unter. So gut wie keine Schokoladigkeit. Fad-nussiger Grundgeschmack. Eine wässrige Ahnung von dunklem Karamell. Ein Hauch Pappkarton-Flavour. Schal. Flach.

Immerhin ist er mir gut bekommen.

Schade, dass dem Personal eines Rösterei-Cafés nicht beigebracht wird, wie man aus den Bohnen des Hauses einen anständigen Espresso zubereitet. Ich vermute, der ‚Vivace‘ kann mehr.