Bei meinen ersten Versuchen mit dem „Mr. Pablo“ von Torrcaffè dachte ich ja: „Okay, ganz nett, aber er geht schon mit einiger Distanz am Herzen meiner neapolitanischen Espressoseele vorbei. Kein Wunder! Ist ja auch aus Norditalien, genauer gesagt: Bibbione, in der Nähe von Parma.“
Frau Antje hat sich zum Glück getäuscht!
Denn ihre Beziehung zu dem Mitbringsel des gut gelaunten Sombreroträgers wurde besser und besser. Was zum einen daran gelegen haben mag, dass die Bohnen (ca. 80% Arabica/20% Robusta) sich zu ihrem Vorteil entwickelt haben, seit ich die Tüte geöffnet habe. Und sicherlich auch daran, dass ich sie zunehmend besser zu händeln weiß.
Inzwischen bin ich sowas von begeistert von den Bohnen aus der leuchtend gelben Tüte, die übrigens traditionell über Holzfeuer geröstet wurden!
Philipp Wanivenhaus (von Vettore.at), der ihn mir verkauft hat, empfahl mir einen klassischen Bezug mit „etwas mehr im Siebträger“, und meinte, er sei recht dünn im Körper, was er im Abgang und im Nachgeschmack wieder aufhole. Das kann ich so nicht bestätigen. So, wie ich ihn derzeit beziehe, hat er so viel Körper wie ein Bär unmittelbar vor dem Winterschlaf!
Möglicherweise eine Frage der Charge?
Ich bezieh ihn tatsächlich ziemlich tröpfelig und bei 95ºC. Dafür braucht er eine Mühleneinstellung, die deutlich gröber ist als alles, was ich von dunklen Espressobohnen gewohnt bin.
Das 15g Sieb ist so voll, dass der Siebträger samt Puckscreen gerade eben noch eingespannt werden kann (Input: 15,2g).
Wie warmer Akazienhonig vom Löffel läuft er mittelschnell herab und plustert sich dann schokoduftend und körperfüllig in der Tasse.
Das Aromenbukett ist wirklich besonders. Würzig trifft es gut, und ich möchte das Würzigkeitsfeld etwas ausdifferenzieren: Da sind milde, herb-süße, vollmundig-süffige Trinitariokakao-Aromen mit Noten von Pfefferkuchen, von Kastanienwaldboden nach dem Sommerregen, von Kastanienhonig. Eine feine, sehr edel rüberkommende Rauchigkeit. Deutliche Anklänge von dunklem Karamell. Ein Körnchen Meersalz. Toll❣️
Nota bene: Bei etwas niedrigerer Bezugstemperatur (93-94ºC) kommen Noten von Liebstöckel und Holunderrinde, sowie von Wildleder heraus, die ich persönlich nicht unbedingt täglich im Espresso haben muss, auch wenn sie punktuell durchaus spannend sind. Wohingegen auch 96ºC der Mischung gut bekommen, indem sie dazu beitragen die süßen, schokoladigen und karamelligen Röstaromen zu betonen.
Voller Überzeugung verleiht Frau Antje dem „Mr. Pablo“ ihre Tazzina d’Oro! So ein leckerer, dunkler Espresso!