„Modica“ von Caffè Maisto

Liebe Anhänger des Dunkelespresso-Kultes, ich sag’s euch gleich vorweg: In dieser Rezension wird es zunächst viel um Schokolade gehen. Wirklich um Schokolade. Und erst dann auch um eine wunderbare, schokotrunkene Espressomischung.

Maisto Caffè ist vielen von uns schon länger bekannt als Alleinvertreiber der köstlichen Caffè del Sole-Mischungen, die die neapolitanischen Rösterei ‚Coffee for Life srl‘ produziert. Daneben gibt es die Eigenmarke „Maisto Caffè“. Eine der Mischungen aus dieser Reihe trägt den Namen ‚Modica‘ – benannt nach einem barocken Städtchen am südlichen Dreieckszipfel Siziliens. Man betont Modica übrigens auf dem o und spricht es aus, wie das o in Konzert: [ˈmɔːdika]

Als meine Liebste und ich Modica vor Jahren besuchten, war es März. Wir hatten Dauerregen, gelegentlich sogar durchsetzt von großen, nassen Schneeflocken. Alles war klamm und die Fensterscheiben der Läden, Bars und Restaurants waren dick beschlagen. Draußen war es verdammt ungemütlich. Immerhin gab es eine Heizung in unserem Zimmer der bezaubernden Unterkunft, was in sizilianischen B&Bs ganz und gar keine Selbstverständlichkeit ist. Aber wer sitzt schon die ganze Zeit im Zimmer, wenn es, trotz Bindfadenregen und Kälte, vor der Tür viel zu entdecken gibt?

Sehr schnell fanden wir heraus, womit wir uns tagsüber gelegentlich aufwärmen konnten:
Mit köstlicher, heißer, dickflüssiger Trinkschokolade ! Die wurde wirklich in jeder Bar angeboten, pur, mit Chili, mit Zimt, mit Ingwer und in vielen anderen Varianten.

Modica ist seit dem 16. Jahrhundert bekannt für die Produktion und Verarbeitung von Schokolade, und auch jetzt noch arbeiten in der Stadt zahlreiche Chocolatiers (der wohl bekannteste ist ‚Bonajuto‘, des weiteren gibt es ‚Luchino‘, ‚Sabadì‘, die ‚Antica Dolceria Rizza‘ und sicher noch weitere).
Heute gilt Modica als einer der vier Schokoladen-Hotspots in Italien.

Achtung!
Der ab hier folgende, kursiv geschriebene Text ist exklusiv für Schoko-Nerds und Kulinarik-Neugierige!

Alle, denen Schokoladenkultur und – genuss komplett Latte sind, scrollen bitte weiter bis dort, wo nach der zweiten gestrichelten Linie fett das Wort „Verkostung“ zu lesen ist! Da geht’s dann richtig los mit dem zu besprechenden Espresso, versprochen …

Unverbesserliche Kakao-Schleckermäuler und Wissbegierige mögen mir hingegen ab hier unbeirrt durch’s Kursive folgen.

______________________________

Da ihr euch möglicherweise gefragt habt, welches denn die anderen drei italienischen Schokoladen-Hotspots sind, möchte ich diesbezüglich sogleich Licht ins Dunkel bringen. Es handelt sich um:

1. Turin im Piemont – mit den Chocolatiers ‚Domori‘, der Schokoladen der obersten Extraklasse herstellt, ‚Guido Gobino‘, dessen Schokoladen ich ebenfalls sehr schätze, ‚Peyrano‘, ‚Guido Castagna‘, ‚Baratti e Milano‘, ‚Venchi‘, ‚Leone‘ (Ja, die von den bekannten „Pastiglie Leone“! Die machen auch tolle Schokoladen!) und ‚Pfatisch‘ (Betonung auf dem a),

2. Perugia in Umbrien, wo die berühmten ‚Baci‘ aus der Schokoladenfabrik ‚Perugina‘ herstammen, und wo jedes Jahr Europas größtes Schokoladenfestival „Eurochocolate“ stattfindet.
Meine Liebste ließ dazu den folgenden Satz fallen: „Wirklich? Perugia? Also die Marke Perugina ist in Italien ungefähr so, wie Barilla für Nudeln.“ Da hat sie wohl recht. Mir ist das Zeug eh viel zu süß. Die Firma ‚Perugina‘ gehört übrigens zum Nestlé-Konzern (während Barilla ein eigener, weltweit agierender Konzern ist, der sich u.a. Marken wie ‚Wasa Knäckebrot‘ einverleibt hat). Hotspot heißt, wie wir also sehen, nicht zwingend, dass dort hohe Qualität zu finden ist.

und

3. die Region Toskana und ihr sogenanntes „Chocolate Valley“ – mit den Chocolatiers ‚Amedei‘ (der einige meiner absoluten Lieblingsschokoladen produziert. Einsame Spitze!), ‚Trinci‘, ‚de Bondt‘ und ‚Majani‘ in Pisa, der ‚Pasticceria Mannori‘ in Prato, und den Chocolatiers ‚Slitti‘, ‚Roberto Catenari‘ und ‚Casa Tuscani‘ bei Pistoia.
Trinci und Slitti sind übrigens gleichermaßen berühmt für ihre Kaffees, wie für ihre Schokoladen! So weit liegt beides eben nicht auseinander … .

Zurück nach Modica: Die Organisation ‚Slow Food‘ hat sogar ein Presidio für die sizilianischen Schokoladen-Spezialitäten eingerichtet, um sie aktiv zu fördern und zu schützen.

Seit vielen Generationen wird in Modica weitgehend dieselbe, schon bei den Mayas und Azteken bekannte, Verarbeitungstechnik angewandt: Das Vermischen von kalter Kakaomasse mit Zucker.
Während in der Schweiz Rodolphe Lindt im Jahr 1879 das Conchieren mittels eines speziellen Knet- und Rührwerkes erfand, das Schokoladen geschmeidig und einheitlich werden ließ, hielten die Chocolatiers von Modica an ihrer althergebrachten Tradition fest und stellten weiterhin gewalzte Schokolade mit typisch rauher, körniger Textur her: Diese ist matt, porös und, da die Zuckerkristalle durch die kalte Verarbeitung nicht aufgelöst sind, knuspert und kracht sie deutlich beim Kauen. In heißer Trinkschokolade bekommt man von Zuckerkristallen natürlich nichts mehr mit.

Ich konnte damals nicht umhin, mich auch der einen oder anderen bröckelig-körnigen Tafel-Schokolade zu widmen, da dort in den Bars überall Schalen voller Probierbröckchen zum Naschen rumstanden.

(Foto: Elizabeth Lemon)

Weil die Reise nun aber schon lange zurück liegt, habe ich, als Erinnerungsstützen, eigens für diese Rezension zwei Schokoladen-Spezialitäten aus Modica in mein Espressoverkostungs-Studio einfliegen lassen:

Die Sorte ‚Noce Moscata‘ (Muskatnuss) von ‚Bonajuto‘, die erwartungsgemäß sehr zuckerknirschig daherkommt, was ich durchaus reizvoll finde, zart muskatig und karamellig schmeckt, und, für meinen Geschmack, deutlich die Grenze meiner persönlichen Zuckertoleranz bei Schokolade überschreitet. Der Kakaogehalt liegt bei 65%.

Die zweite Besucherin aus Modica ist die ‚Crude 100% Bio‘ der jungen Chocolaterie ‚Sabadì‘, die mich wirklich begeistert.

Sie besteht einzig und allein aus ecuadorianischem Arriba-Nacional-Kakao (noch nicht einmal ein Zusatz von Kakaobutter!), und wurde, wie alle Schokoladen aus Modica, höchstens bis 45ºC erhitzt und nur gewalzt.

Da sie keinen Zucker enthält, entfällt das Knirschen beim Kauen. Dafür ist das Mundgefühl so unglaublich dicht und wuchtig, dass ich jedes mal assoziiere, in ein schwarzes Loch von staubtrockenen Kakaonoten gesogen zu werden. Bis zu den Fußsohlen geht der Sog, während die Geschmacksknospen minutenlang in einer schweren, spröden, streng-nektarischen, unglaublich intensiven Aromenmasse voller tropenblumiger Nuancen kleben bleiben. Die Venus Fliegenfalle für Fliegen, die es lieber herb als süß mögen!
Das Echo dieser Erstaunlichkeit hält gut eine Stunde lang an. Sensorisch hochinteressant – und tatsächlich überaus befriedigend. Wer sich für 100%ige Schokoladen zu begeistern vermag, sollte die puristischste Rohkakao-Kreation von Sabadì unbedingt probieren! Gibt’s u.a. bei Viani: https://www.viani.de/de/tafelschokoladen/crude-100-bio-raw-schokolade-sabadi-50-g, oder bei 1001 Sense: https://www.1001sense.com/marken/brands-o-s/sabadi/sabadi-crude-100.html. 

Nicht, dass jetzt bei meinen geschätzten Lesern die Idee aufkommt, kalt gewalzte, 100%ige Schokolade sei immer so, wie eben beschrieben. Mitnichten!

Ein wunderbares Gegenbeispiel dazu ist die komplett in Sao Tomé e Principe produzierte ‚100% Puro Cacau‘ des eigenwilligen Kakaoproduzenten, Meister-Chocolatiers und Kaffee(Liberica!) – bauern Claudio Corallo:

Die flachen, stumpfen Täfelchen duften süß-aromatisch und verlockend. Nach dem Abbeißen bahnt diese Schokolade sich ihre Aromen-Präsenz in Mund und Nase zunächst sanft und zurückhaltend wie eine laue, leicht herbe Brise. Ein ganz leises, fernes tropisches Echo ist da beim ersten Hinschmecken zu vernehmen. In keinem Moment kommt Corallos 100%ige wuchtig daher. Im Mundgefühl ist und bleibt sie recht unprätentiös. Und dann sitzt du da, und glaubst plötzlich, die Regenwälder selbst zu schmecken, zart und traumgleich, doch gleichwohl in all ihrer aromatischen Tiefe, Breite und Buntheit.  … Es reicht ein winziges Stück, und du bist für den Rest des Nachmittags erfüllt davon. 

Ganz schnell möchte ich noch erwähnen, dass Claudio Corallo eine Schokoladensorte in seinem Sortiment hat, die Libericakaffee enthält. Ich werde sie demnächst pflichtschuldigst probieren!

Soweit mein heutiger Lobgesang auf die betörende, vielgestaltige, Zwillingsschwester der dunklen Espressoröstung, die ich am allerliebsten habe, wenn sie nackt und völlig ungeschminkt ist. Nach diesem, für mich unumgänglichen, Schokoladen-Exkurs komme ich nun zurück zum eigentlichen Thema, Espresso, und zur hier zu verkostenden Bohnenmischung namens ‚Modica‘.

Ich war wirklich äußerst gespannt darauf, als wie schokoladig der Espresso sich bei aller Erwartung schließlich erweisen würde. Und an welche Schokolade er mich erinnern würde.

______________________________

Verkostung:

Für den Modica gilt: Die Bohnen sind am besten nach mindestens 8 Wochen ab Röstdatum. Vorher fand ich den Espresso eher enttäuschend aromenstumpf, wenig obertonreich und schüchtern in seiner Süße. Ich dachte schon „Na ja, geht so, die erste Charge war besser“ – und dann explodierten die Aromen plötzlich wie Knospen am ersten richtig warmen Frühlingstag.

Die Bohnen von unterschiedlicher Größe sind so gleichmäßig dunkelbraun und leicht glänzend, wie man es üblicherweise von dunklen Schokoladen kennt.

Wirklich satt dunkel.
Und sie duften warm, nach Tabak und spät geerntetem Heu, also ein bisschen cumarinwürzig, sowie nach getrockneten Feigen und tatsächlich auch nach dezidiert-aromatischer, purer, bestenfalls minimal gesüßter Schokolade.

Nicht allzu fein gemahlen fließt bei 95ºC ein sämiger Faden in die Tasse. Wunderbare Crema, weicher, warm-aromatischer Geruch, der alles enthält, was ich oben bereits geschrieben habe.

Eine Freundin, der ich nach dem gemeinsamen Abendessen diesen Espresso kredenzt hatte, drückte ihre ersten Eindrücke so aus: „Mmmmmmmh …  … Ganz weich! … Rund!  ….  Voll! …“.  Ja, das trifft es wunderbar. Danke für deine völlig unbefangenen Worte, Julia.

Bereits beim ersten winzigen Schluck zieht sodann eine warme, üppige, Dunkelkakaospur hinter’s Brustbein. Mächtig und fein zugleich. Erdig-holzig. Weiterhin Heu, Tabak, getrocknete Feige.

Keinerlei schmeckbare Säuren. Dafür eine austarierte, kaffeelikörige, ganz leicht rauchige Süße.

Dunkles Karamell ist auch vorhanden.

Die Dunkelkakaospur breitet sich wohlig in alle Richtungen aus. Eine klitzekleine Salzigkeit. Noten von gerösteter Pekannuss. Ein zartes Echo von Vanille.

Ich fühle mich an die köstliche ‚Extreme Dark 99% Kakao‘ des Amsterdamer Schokoladenherstellers Lovechock erinnert (übrigens auch eine Rohschokolade, der allerdings Kakaobutter zugefügt wurde. Plus das eine, sehr geschmacksprägende Prozent neben Kakaomasse und Kakaobutter, bestehend aus Vanille, Lucumapulver und Meersalz).

Während ich noch der warmröstigen Pekannuss und der Vanille nachhänge und darin schwelge, kommt sie unversehens um die Ecke gebogen, und zwar ohne die Harmonie auch nur im Geringsten zu stören:

Süße, RICHTIG SÜSSE, milde Zitrusfrucht. Oh! Etwas, was ich in unkandierter Form nur von der süßen iranischen Zitrone kenne, der Limu Shirin (der afghanische Obst- und Gemüse-Händler, bei dem ich diese Früchte zum ersten Mal gekauft habe, sprach es „Limuuuschrin“ aus, mit Betonung auf dem u – es klang unglaublich weich).

Die, im Gegensatz zu Zitronen, kugelrunden Limu Shirin haben null vernehmbare Säure und schmecken trotzdem auf ganz milde Weise zitronig. Vielleicht vergleichbar mit in Zuckerwasser gekochter Zitronenschale, einem Getränk, das in Italien ‚Canarino‘ (Kanarienvogel) heißt, und bei Magenverstimmung getrunken wird.

Süße Zitrone in schmelziger, üppiger, voll schwingender Dunkelschokolade: Ein absolutes Highlight der Espresso-Komposition!

Arabica/Robusta? Herkunft der Bohnen? Rösterei? Die Fragen hatte ich natürlich auch. Ich muss euch die Antworten noch ein Weilchen vorenthalten – aus Gründen. Ich kenne sie selber noch nicht. Diese Infos werden demnächst nachgeliefert. Habt bitte ein wenig Geduld! Bis dahin schätze ich einfach mal 70% Robusta und vermute, der süßen Zitronenaromen wegen, eine afrikanische Herkunft zumindest eines Teiles derselben. Dazu bestimmt irgendwas mit Brazilian Santos. Lassen wir uns überraschen und warten wir gespannt auf die Enthüllung … 

Frau Antjes ‚Tazzina d’Oro‘ möchte ich der wunderbaren Mischung jedoch jetzt schon verleihen. Chapeau, Caffè Maisto ! Ganz großes Dunkelespresso-Kino!

 

 

 

 

 

‚Caffè del Sole – Nero Bar‘ und ‚Caffè del Sole – Crema‘ von der Rösterei ‚Coffee for Life srl‘

Frau Antje hat wieder einmal ihre Espressogenuss-Fühler nach Bella Napoli ausgestreckt:

Heute möchte ich euch zwei paradiesisch leckere Espressi der Marke ‚Caffè del Sole‘ vorstellen, die in Deutschland erst seit der Pandemie erhältlich sind. Zum Glück! So hat die Krise auch ein wenig ihr Gutes für uns Dunkelespresso-Fans nördlich der Alpen – aber ich greife vor …

Lasst mich zunächst etwas darüber erzählen, wer die Bohnen röstet. Und dann ein bisschen was darüber, warum und auf welchem Wege wir sie jetzt in Deutschland bekommen können.

‚Caffè del Sole‘ ist die Marke einer 2013 gegründeten Rösterei mit dem Namen ‚Coffee for Life srl‘. Diese hat ihren Sitz in Casoria, einer Stadt in Kampanien, die ungefähr so viele Einwohner hat, wie Bayreuth, und Teil des napoletanischen Metropolitanstadt-Flickenteppichs ist. 

Die Rösterei ‚Coffee for Life‘ ist klein. Gerade mal 6 Menschen verdienen in dem Betrieb ihren Lebensunterhalt – als da sind:

Die beiden Inhaber, Sergio Vilone und Daniele Capitelli, beide gelernte Steuerprüfer mit großer Begeisterung für Kaffee, sowie 4 Angestellte.

(Im unteren Bild links: Sergio Vilone, rechts: Daniele Capitelli)

Derzeit werden vier Bar-Mischungen der Marke ‚Caffè del Sole‘ hergestellt:
‚Rosso‘ (in Deutschland ‚Crema‘ genannt), ‚Nero‘, ‚Gold‘ und ‚DEK‘ (entkoffeiniert).

Hier ein kurzer Einblick in den Rösterei-Betrieb:

Durchschnittlich 10 mal pro Arbeitstag wird der Röster befüllt. Pro Rösterfüllung sind das ca. 90kg Kaffeebohnen. 

Abnehmer für die Bohnen sind in normalen Zeiten vor allem lokale Bars.

Ihr könnt euch vorstellen, was der coronabedingte Lockdown in Italien sowohl für die Bar- als auch für die Kaffeerösterei-Betreiber dort bedeutet hat! Alles zu! Wirklich geschlossen! Monatelang …

Und hier kommt nun der 19jährige Berliner Jungunternehmer und Software-Entwickler Nicola Maisto ins Spiel.
Nicolas Großmutter, Maria Palma, betrieb eine Bar in Giugliano in Campania, einer kleinen Stadt, die ebenfalls zur Metropolstadt Neapel gehört, und nicht weit von Casoria entfernt liegt: Die ‚Bar Cante‘. Seit dem Jahr 2000 heißt dieselbe Bar ‚Caffetteria 2000‘ und wird von Nicolas Onkel, Fabio Maisto, und dessen Frau Pina weitergeführt. Fabio Maisto und Sergio Vilone, der Rösterei-Betreiber, sind gute Freunde. Beide mussten durch die Corona-Maßnahmen krasse Umsatzeinbußen verzeichnen.

 

Was mir an Maisto Caffè, neben der zugewandten, warmherzigen Kommunikation, besonders gut gefällt, ist, dass die gelieferten Bohnen jedes Mal wirklich frisch sind. Frische ist ein wesentlicher Anspruch des Familienunternehmens.

https://maisto-caffe.com/

Die Verkostungen:

Für beide verkosteten Mischungen gilt:

Die jeweilige Tüte enthielt satt warm-röstig duftende, makellose, leicht glänzende Bohnen.

Röstgrad: Dark French.

Es waren keinerlei Bruch oder verkohlte Stellen zu finden.

Die Bohnen wurden mit der HG1 gemahlen und alle Espressi habe ich mit der Strietman CT2 zubereitet.

1. Caffè del Sole ‚Crema‘ (Rosso) :

Das erste, was mir zu dieser Mischung aus 52% Robusta- und 48% Arabicabohnen einfällt, ist: „Espresso gewordenes Tiramisù“.

Da ist tatsächlich einen ausgedehnten Moment lang diese betörende Mischung aus Espresso, Eigelb, Mascarpone, Löffelbiskuits, Kakaopulver und Amaretto auf der Zunge – und das, obwohl von den genannten Zutaten ja nur erstere vorhanden ist.

Ein Hauch von Leder kommt mitunter durch, vor allem bei Brühtemperaturen unter 94-95ºC.

Dasselbe gilt für robustatypische Noten von mineralreicher, vulkanischer Weinberg-Erde mit etwas knarziger Holzigkeit anbei. Auch diese treten vor allem bei Bezugstemperaturen um 92-93ºC hervor. Je höher die Brühtemperatur, desto mehr tritt das Erdig-Holzige in den Hintergrund. Bei 95ºC ist es nur noch ein fernes Echo.

Das Aroma von zerlassener Butter zeigte sich bei allen Temperaturen.

Mandel ebenfalls, die ja schon im Amaretto des Tiramisù mitschwingt.

Süße, gelbe Weintrauben.

Dunkler, aromenfülliger, minimal herb-beeriger Edelkakao, der mich an ‚Le 100% Criollo‘ von François Pralus erinnert.

Des weiteren punktet der ‚Crema‘ durch sehr gefälligen, dichtcremigen Schmelz im Mund.

Zuweilen, v.a. bei niedrigerer Brühtemperatur, bekommt dieser Schmelz einen leicht tanninigen Anflug. Bei 95ºC kann dieses minimal Gerbsäurige, Zusammenziehende allerdings nur noch erahnt werden – es ist dann so wundervoll eingebettet in das gesamte buttrige Tiramisù-Bukett, dass es viel eher interessant als störend wirkt.

Der ‚Crema‘ wärmt auf’s Angenehmste Brust- und Bauchraum und entspannt das Herz, ohne jedoch einzulullen. Dafür ist er viel zu  faszinierend in seinen Aromennuancen. 

Eine absolute Meister-Komposition, der ich voller Überzeugung Frau Antjes Tazzina d’Oro verleihe!

 

2. Caffè del Sole ‚Nero Bar‘ :

Diese Mischung aus 70% Robusta und 30% Arabica ist mein erklärter Liebling aus der Caffè del Sole-Reihe!

Ich habe ihn mit 14,1g, deutlich feinem Mahlgrad und 95ºC Brühtemperatur am leckersten gefunden.
Aromenfunkelnd, weit, duftend, kraftvoll, mit sanftem, seidigem, sämigem Mundgefühl.

Er ist in einer geradezu lasziven Weise ganz leicht rauchig. Tiefe, dunkle, ausgesprochen elegante Tabakaromen lassen in mir Fantasiebilder von einem Salon der 1920er Jahre aufsteigen:

Androgyne Nachtgeschöpfe mit Pagenköpfen und Hosenanzügen, oder auch mit Wasserwellenfrisuren, Glockenhüten, Perlenketten bis zum Bauchnabel und fransigen Charleston-Kleidern, die sich katzenartig an Säulen schmiegen oder in Ledersessel gegossen haben, mitsummend, Rauchringe blasend, am White Lady-Cocktail nippend, vielsagende Blicke versendend, engtanzend, während das Grammophon kratzig Bessie Smith spielt, den ‚Empty Bed Blues‘ vielleicht, und Zigaretten auf langen Spitzen glühend im Takt wippen …

Da ist eine betörende Komposition, die mich an herbsüße Paranuss erinnert, an sehr edlen, venezolanischen Criollo-Kakao und ebenfalls, wie beim ‚Crema‘, an zerlassene Butter.

Dazu kommt eine Spur von ganz weichem Eierlikör. Also keinesfalls solcher mit durchdringend stechender Alkoholspitze, sondern seidiger, dunkeldottriger, mild-cremiger Eierlikör, der zu einem Stück Puertofino-Schokolade von Domori gereicht wird (> Die Puertofino MÜSST ihr probieren, wenn ihr dunkle Schokolade mögt!)

Wunderbarerweise blinkt inmitten der rauchig-schokoladigen Nachtschwärze kokett und unverhofft eine winzige Dessertlöffelspitze voller Cherimoya-Aromen auf:

Diese süß-aromatische Melange, die etwas von  reifer Banane, sonnengetränkter Ananas, Hochsommer-Himbeere, Williamsbirne und einem Hauch Zimt hat. Kaum zu erhaschen, wie eine Sternschnuppe, und doch absolut mit-prägend für diesen grandiosen Espresso.

Ja, und er schmeckt tatsächlich auch nach Niederegger Marzipan-Brot, wenn die Bohnen mindestens ca. 3-4 Wochen alt sind.

Wer lieber die erdigeren, holzigeren Robusta-Noten betonen möchte, bevor es zu aphrodisierend wird, sollte auf jeden Fall mit niedrigeren Bezugstemperaturen (92-93ºC) experimentieren!

Auch bei gröberem Mahlgrad zeigt der ‚Nero Bar‘ sich übrigens tadellos und absolut köstlich – er bekommt dann mehr von einer leichteren, süßen, schoko-rauchigen Nachmittags-Klarheit.

Seine fruchtschwärmerische, schillernd-sinnestrunkene, rauchgeschwängerte Mitternachts-Verruchtheit zeigt sich jedoch erst mit zunehmender Dichte durch feineres Mahlen und langsameren Bezug (40-50 Sekunden stehen ihm sowas von hervorragend!).

Der ‚Nero Bar‘ wärmt durch und durch und strotzt dabei vor sinnlicher Eleganz. Er hat mich jedes Mal erneut zurücklehnen, die Augen schließen und genussvolle Seufzer von mir geben lassen.

So ein toller Espresso! Wow!

Frau Antje ist restlos begeistert und verleiht auch dem ‚Nero Bar‘ von Caffè del Sole freudig ihre Tazzina d’Oro!