„Espresso No.2 – Hallo wach“ von Kaffee Brewda

Frau Antje testet zur Abwechslung mal wieder eine Röstung aus ihrer Nachbarschaft:

Den ‚Espresso No.2 – Hallo wach‘ (50% Arabica/50% Robusta) von Kaffee Brewda. Geröstet in der Hamburger Speicherstadt. Zufällig gefunden beim Einkaufen in der Rindermarkthalle. 7,50€ für’s halbe Pfund.

Erik Brockholz, der Röster, ist, so verrät mir Kaffee Brewdas Website, zweifacher deutscher Vizeröstmeister und Goldmedaillengewinner der Röstergilde. Also offenbar jemand mit viel Erfahrung und Können.

Noch bevor es mit dem Testen losgeht, scheitere ich gleich mal am Verschluss der 250g-Packung: Durch ein Aufziehen der Lasche soll die Clipleiste freigelegt werden. Stattdessen reißt mir die Lasche ab. Und das sowohl auf der einen, wie auf der anderen Seite. Grmpf.

Ich öffne die Packung notgedrungen mit der Schere und stelle fest, dass der Clipverschluss nur an einer Innenseite der Packung befestigt ist.

Okay, doofe Tüte, kann passieren. Es gibt ja Klammern.

Die recht dunklen, paranussbraunen, matten Bohnen darin duften warm und sehr angenehm röstig.

Der Duft enthält erfreulicherweise nichts Grünes, das mich, die eingeschworende „Ab-Second-Crack-Anhängerin“, abschrecken könnte.

Der Espresso läuft sämig und glatt. Rehbraune Crema mit schöner, satter Konsistenz (kein Wunder bei 50% Robusta). Geschmeidiges Mundgefühl.

Beim Schmecken fällt mir als Erstes ein ganz kurzes, mild-säuerliches Aufblinken auf der Zungenspitze auf. Oh! Das hatte ich nicht erwartet! Dann kommt etwas Herbes, Rauhes, leicht Wildledrig-Stumpfes durch, während das Mild-Säuerliche sich nach einem Sekundenbruchteil verliert.

Ich fühle mich ein klein wenig an die zarte, sich an kräftigere Aromen anlehnen wollende Mehligkeit von grünen Bohnen erinnert. Des weiteren an zuckerreduziertes Mandelmarzipan, an kratzige Mostbirnenschale und an, auf wenige, malzige Aromen konzentrierte, dunkle Schokolade.

In meinem Körper wirkt der ‚Hallo wach‘ eher neutral bis kühlend als warm. Auch das erstaunt mich, nachdem er so warm geduftet hatte.

Nach 6 Bezügen stelle ich fest:
Was mir bei diesem Espresso persönlich fehlt, sind die Obertöne, das Erhebende, Feine, Betörende von nachtschwarzen, temperamentvollen Edelkakaokompositionen und die marmeladig-schwingende Süße von kandierter Frucht – also das, was die großen süditalienischen Röstungen allesamt mitbringen, so unterschiedlich diese ansonsten auch voneinander sein mögen.

‚Hallo wach‘ ist eine Mischung, die eher das Bild eines umgepflügten schleswig-holsteinischen Ackers im nebligen Spätherbst in mir wach ruft. Alles ein bisschen schwer, kühl, gedämpft und klobig an den Schuhen. … Und damit kein falscher Eindruck entsteht: Ich liebe Schleswig-Holstein im November! Nur im Espresso wünsche ich mir mehr Vulkanerde, auf der Orangenbäume wachsen, und weniger neblige Ackerfurche. Was sicherlich von einem norddeutschen Röstmeister etwas viel verlangt ist.

In jedem Fall handelt es sich um hochwertige, kunstvoll geröstete Bohnen. Der ‚Hallo wach‘ sorgt durchaus für eine interessante Erfahrung und ist sicherlich eine Empfehlung für alle, die es auch mal friesisch-herb, karg und schnörkellos-bodenständig mögen.

„Uberfrettchen“ von Quijote

Ein herbstsonniges Hallo an diesem Oktobersamstag aus Frau Antjes Espressoverkostungs-Studio.

Heute im Test: Das „Uberfrettchen“ von der hamburgischen Rösterei Quijote.

Bevor es zur eigentlichen Verkostung kommt, werdet ihr euch etwas gedulden müssen. Denn Quijote ist eine ziemlich doll andere Rösterei als die meisten. Mich in die Themen hineinzulesen, denen Quijote sich in besonderer Weise widmet, hat mich nachdenklich gemacht.

Es geht um den Kaffeeweltmarkt, um Kaffeebauern, um den Schwindel, der oft mit Gűtesiegeln betrieben wird, um Direkthandel und Transparenz und Ökologie und Kooperation …

Und um Komplexität.

Űber letzteres möchte ich zuerst was schreiben. Danach was  űber das Unternehmen „Fairtrade“, gefolgt von der Vorstellung einer wirklich fairen Alternative zu sogenanntem Fairtrade-Kaffee. Ich habe ein bisschen was űber die Rösterei Quijote zusammengetragen. Dann werde ich einen inneren Konflikt von mir in Dialogform beschreiben. Und erst dann kommt die Verkostung. Wer gleich dorthin möchte, möge die Scrollfunktion nutzen (‚Die Verkostung‘ ist fett geschrieben 🙂  ) .

Alsdann …  Kaffeehandel.  Geld. Verlockungen. Gewissen. Ein weites Feld.

Ich weiß, dass ich, als Bewohnerin eines der  reichsten Länder der Erde, sehr privilegiert bin.

Und ich erlebe mich oft als latent űberfordert. Inmitten all der unfassbar komplexen, vielfach von uns Menschen selbst geschaffenen Zusammenhänge, finde ich es ganz schön schwer, immer wieder neu zu einer gesunden Balance zu gelangen zwischen innerer Authentizität und von mir erkannter äußerer Notwendigkeit. Meine eigenen Bedürfnisse vermag ich in der Regel ganz gut zu erkennen und zu benennen. Was im Außen jedoch geschieht, ist für mich oft buchstäblich nicht mehr zu fassen.

Wir werden so sehr űberflutet von Informationen jeglicher Art, dass wir nur einen Bruchteil davon auch nur ansatzweise erfassen, geschweige denn verdauen können.

Die Anforderungen, denen ich mich im Alltag gegenüber sehe, ändern sich regelmäßig so viel schneller, als ich hinterherkomme. Worauf konzentrieren? Wann einfach „Stop!“ sagen und ruhen lassen? Oder beiseite schieben? Technische Neuerungen űberholen mich von allen Seiten. Mich verlangt es nach immer häufigeren Pausen. Und ich bin wirklich sowas von froh, dass ich noch so atmen darf, wie ich es seit bald 60 Jahren gewohnt bin. Also ohne App, ohne elektronisches Boosting, ohne das bremsende Wissen, jemand anderem dadurch etwas zu nehmen. Atmen, frűher kaum beachtete, als banal empfundene Selbstverständlichkeit, hat sich für mich zu einer Oase des Guten, Eindeutigen, Wohlbekannten entwickelt. Űberhaupt meinen Körper wahrzunehmen. Innezuhalten. Zu spűren, was in mir passiert und einfach damit zu sein, finde ich mittlerweile wunderbar beruhigend – gerade angesichts all dessen, was es „da draußen“ zu bedenken gibt.

Und doch: Es wurde und wird so manches durchaus körperlich fűhlbare Begehren geweckt, das ich ohne Kolonialisierung, Werbung und Globalisierung sicherlich so niemals verspürt hätte. Das Begehren von Kaffee gehört dazu. Kaffee, genau genommen Espresso, der von weit weg űber viele Stationen zu mir kommt, und der für mich – zum Glück nicht als einziger Weg dahin – eng mit Pausieren und mit Sinnes-Genuss verknüpft ist. 

Wir, in den reichen Ländern, denken zu viel und sitzen zu viel und konsumieren von frűh bis spät. Auch ich ertappe mich des öfteren dabei, unversehens in diesen Sog geraten zu sein. Wir sind ständig mit irgendwas beschäftigt, halten, manche regelhaft, andere zumindest phasenweise, zu wenig inne und wir nehmen zu wenig wahr. Wir sind von Vielem, das uns vertraut ist, letztlich doch entfremdet. Wir verwechseln Habenwollen mit Brauchen, spontane Impulse mit echten Bedűrfnissen, Befriedigung mit Liebe. Und das Schlimmste: Wir leben auf Kosten anderer, die in den Ländern leben, die wir ausbeuten.

Wir zerstören systematisch die Umwelt, als wäre diese ein Haifischgebiss, das bei Zahnausfall die nächste Reihe parat hat.

In vielen von uns ringt das schlechte Gewissen mit den Verlockungen all der Möglichkeiten, abzutauchen in etwas, das wir mit Entspannung, Freude, Erholung, Genährtwerden verbinden. Was aber leider allzuoft einen Haken hat. Seien es Urlaubsreisen, die mit Flűgen verbunden sind, sei es ein wärmender Eintopf auf Fleischbasis, seien es Mangos, Bananen, Schokolade, sei es das CO2-intensive Anschauen eines Videos im Internet, das etwas Schönes, Erfreuliches zeigt, was eine gute Freundin erlebt hat und mit mir teilen möchte, sei es űberhaupt der Besitz eines Smartphones, sei es eine mollig geheizte Wohnung. Oder eben Kaffeetrinken statt heimischer, in fußläufiger Nachbarschaft handgeernteter Kräutertees.  Vielen von uns ist dieses Ringen, dieses Abwägen, zu einer Art mahnendem Schatten geworden, der uns fast űberall hinbegleitet. Auch mir. 

Es ist oft schwer, Schein von Sein zu unterscheiden. Ideologie wird allzuoft als Tatsache hingestellt. Bedrohliche Tatsachen werden verharmlost. Informationen werden mit Verschwörungstheorien vermengt. Allgegenwärtige Schwarz-Weiß-Darstellungen im Internet sind Hűrden beim differenzierenden Suchen, Sammeln und Abwägen von echten Fakten. 

Viele, Einzelne, Firmen und Institutionen, behaupten, sich für ein sozialeres, gerechteres Miteinander und für Umweltschutz einzusetzen. Preisen sich damit an. Doch die Wahrheit ist oft eine ganz andere. Zumindest existiert die Eindeutigkeit des Edlen und Guten so, wie sie beworben wird, in der Umsetzung nur äußerst selten. 

Das Unternehmen „Fairtrade“ z.B. schreibt űber sich selbst: „Bei Produkten mit dem Fairtrade-Siegel haben Sie die Gewissheit, dass die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Bauern und Beschäftigten durch Fairtrade-Preise und -Prämie verbessert werden.“
Klingt ja erstmal sehr beruhigend. Gewissheit! Wer sehnt sich nicht danach? Ich als Verbraucherin werde in den Traum gelullt, nur wenige Cent mehr zu zahlen für ein Produkt und allein damit bereits die Welt ein deutliches Stück weit zum Guten zu verändern.

Schön wär’s! Der Traum hält der Wirklichkeit bedauerlicherweise nicht stand.

Wer bei“ Fairtrade“ nur an Weltläden und Idealisten in handgefärbten, selbstgestrickten Kratzwollpullis denkt, vergisst, dass das Geschäft mit dem Siegel sich mittlerweile einen riesigen Markt erschlossen hat, der längst die Mitte der Gesellschaft bedient. In Deutschland gibt es tausende verschiedener Produkte, erhältlich im Onlinehandel, in Supermärkten, Cafés, Restaurants, Baumärkten, etc. Die Gewinne sind gigantisch. Das Siegel klebt praktisch überall: Auf Kleidung, Holz, Reis, Bananen, Blumen, Trockenfrüchten, Schokolade, Gewűrzen oder Zucker.

Das wichtigste Produkt im Geschäft mit dem guten Gewissen ist jedoch, soviel ich weiß, nach wie vor Kaffee.

Desillusionierenderweise gibt es genűgend Belege dafür, wie das Unternehmen „Fairtrade“ mit dem guten Gewissen der Konsumenten in erster Linie selber Geld verdient. Ein nicht unerheblicher Teil der Einnahmen geht von vorneherein schonmal für die umfangreiche Verwaltung drauf.
Es stimmt zwar, dass die Bauern mehr Geld für ihre Ware bekommen – das wird ihnen jedoch für hohe jährliche Zertifizierungs- und Beratungskosten weitgehend wieder abgezogen – bzw. műssen sie sogar in Vorleistung treten.
Der Ökonom Bruce Wydick von der University of San Francisco wurde in der ‚Zeit‘ zitiert, Entwicklungsökonomen seien sich mittlerweile darüber einig, dass Fairtrade-Kaffee eines der uneffektivsten Mittel zur Bekämpfung von Armut sei.
Darűberhinaus scheint es erwiesen zu sein, dass sich „Fairtrade“ regelmäßig und systematisch mit qualitativ minderwertiger Ware beliefern lässt. Ketten wie Starbucks schműcken sich mit dem „Fairtrade“-Siegel, was es für mich nicht unbedingt glaubwürdiger macht.
Kein Wunder, dass ich mich an keinen einzigen „Fairtrade“-Kaffee erinnern kann, der mir wirklich gut geschmeckt hätte (was, gerade angesichts der Lage der allermeisten Kaffeebauern, natürlich ein Wohlstandsproblem, doch nichtsdestotrotz meine privilegierte Realität ist).

Ähnliches Ernűchterndes ist űber die Biosiegel bekannt, allen voran das sogenannte EG-Bio-Siegel, das eine Farce sondergleichen ist. Eine Zertifizierung wűrde den meisten Kleinbauern finanziell das Genick brechen, auch wenn sie alle Kriterien bei weitem erfüllen. Aus diesem Grund stammen die meisten zertifizierten Bioprodukte leider aus landwirtschaftlichen Industriebetrieben.

„Fairtrade“ ist also offenbar keine Lösung. Weder was Fairness noch was Qualität angeht. Biosiegel auch nicht. Was dann? Gibt es fairen Kaffeehandel?

Ja.

Was es GIBT sind:
Röstereien, die sich sehr ernsthaft sowohl für wirklich sozial faire und ökologisch nachhaltige Kaffeeproduktion einsetzen, als auch für hohe Rohkaffee- und Röstqualität.
Manche von ihnen haben sich zusammengeschlossen unter der Bezeichnung „Transparent Trade Coffee“ (TTC).
Die wesentlichen Ansatzpunkte von TTC sind:

1. Direkter Einkauf bei kleinbäuerlichen Produktionsgemeinschaften ohne Zwischenhändler und Makler.

2. Eine klar definierte, nachvollziehbare, vertraglich festgelegte Vereinbarung, nach der den Bauern nicht nur ein fairer Rohkaffeepreis bezahlt und eine bestimmte, garantierte Abnahmemenge vor Beginn der Ernte vorfinanziert wird. Sondern darűberhinaus fließt ein bestimmter Prozentsatz von den Einnahmen des gerösteten Kaffees zu den Kaffeebauern zurűck. Mit anderen Worten: Die Kaffeebauern erhalten einen prozentualen Anteil des Verkaufspreises, den die Kaffeekonsumenten am Ende bezahlen. Der Fachbegriff dafür ist „Return to Origin“ (RTO)

3. Transparenz

Eine dieser sozial engagierten Röstereien ist „Quijote“ in Hamburg.

Auf der Website der Rösterei ist zu lesen: „Quijote ist in der Spezialitätenkaffeebranche weltweit führend in Bezug auf den ‚Return to Origin‘ (RTO). Dies ist der prozentuale Anteil des Verkaufspreises vom Röstkaffee, den die Produzenten erhalten. Er liegt bei uns zwischen 29% und 34 % und ist somit weit höher als branchenüblich. http://transparenttradecoffee.org/transparentcoffees
Dies hat zwei Gründe: Wir haben einerseits als Unternehmen keine Gewinnerzielungsabsicht über unsere Löhne hinaus und andererseits wollen wir keine soziale Selektion unserer Kunden über den Preis.“

Quijote, so lese ich weiter, sei gleichberechtigt als Kollektiv organisiert, was bedeute, dass alle Entscheidungen gemeinsam getroffen werden und an alle Kollektivmitglieder der gleiche Lohn ausgezahlt wird. Dieser sei begrenzt auf den hamburgischen Durchschnittslohn. Des Weiteren wird eine Produktions-Obergrenze von 79t gerösteten Kaffees genannt.
Wichtig sei der persönliche Kontakt und Austausch mit den Partnerkooperativen, sprich den Kaffeebauern vor Ort.
Und Bioanbau sei eine Selbstverständlichkeit. Auf Siegel verzichte man – dafür werden die Rohkaffeeverträge veröffentlicht.

Wow! Ich bin schwer beeindruckt!

Aber wird der Kaffee der sűd-italophilen Prinzessin auf der Espressobohne auch schmecken?

„Pfui!“ sagt mein Gewissen, „die setzen sich wirklich für ’ne bessere Welt ein – und du hast nix besseres zu tun als dir Sorgen zu machen um die Erfüllung deiner Gourmet-Ansprüche. … Suuuper, Frau Edelgaumen! Nobel geht die Welt zugrunde! Dann geh mal schön deine erlauchten Geschmacksknospen polieren!“ …
„Hör zu, Gewissen!“, entgegnet mein lukullisches Ich, “ Du bist hier nicht der einzige, was zu melden hat. Mich gibt es auch, wie du wohl weißt – und ich werde mich von dir nicht mundtot moralisieren lassen! Ob’s dir gefällt oder nicht! Die Welt wird durch strangulierte Sinnlichkeit nun mal nicht lebenswerter! Du gibst dann womöglich mal Ruhe – aber alle anderen kriegen depressive Verstimmungen vor lauter Verzicht. Genuss ist wichtig für die Seele! Die Welt braucht glűckliche Menschen! Nur unglückliche Menschen zetteln Kriege an. So seh ich das! … “
„Ich finde, du űbertreibst es mit deinem abgehobenen Geschmecke!“ faucht das Gewissen, „Die Kaffeebauern sind dir wohl egal?! Das, was da passiert, ist auch eine Form von Krieg! Schnall das doch mal! Sei froh, dass du űberhaupt was zu trinken hast! Heißgetränk ist Heißgetränk! Maaaannnn ey!“
„Huh! Banause!“ Die innere Feinschmeckerin wendet sich schaudernd ab.
Harmonie mischt sich vorsichtig ein: „Vielleicht finden wir ja was, was euch beiden gefällt … “


*grummel*
*schweig*

Zum Uberfrettchen:

Die Mischung setzt sich zusammen aus 30%  washed Arabica und 30% natural Arabica  jeweils Ernte 2019 der Kooperative COMSA in Marcala, Honduras, sowie 40% washed Robusta aus der Ernte 2019 der Kooperative O. Wayanad in Kerala, Indien.

Die Verkostung:

Die unterschiedlich großen Bohnen sind schön gleichmäßig palisanderfarben geröstet. Eher dunkel  aber weit entfernt von sehr dunkel.

Sie duften angenehm warm-karamellig mit etwas Grűnem dabei.

Bester Bezug:

12,6g, BG-Temperatur bei Beginn des Bezuges (La Pavoni Professional) 94ºC, Bezugszeit 20 Sekunden.

Leuchtend rotbraune, dichte Crema, karamellig-sűffiger Duft, der bereits ein Quäntchen Säure verrät.

Beim Schmecken zeigt sich die Säure als hintergrűndig genug, weich und gut eingebunden. Sie hat tatsächlich was Cognacartiges. Gleichzeitig nehme ich etwas minimal (!) Adstringierendes, Stumpfes wahr, das mich an Grűne Walnuss und Stachelbeere mit Haut erinnert.

Die wunderbare 100%ige Zotter-Kakaomasse kommt mir in den Sinn. Ja, und auch Mousse (au Chocolat dűrfte gemeint sein)  wie es auf der Packung steht, kommt hin. Und dunkles Mandelkrokant. Das Uberfrettchen ist ausgesprochen rund, weich und űppig im Schmelz. Lecker!

Meinen ganz persönlichen, konditionierten Glűcks-Geschmack wűrde dieser so schon tolle Espresso vermutlich noch mehr treffen, wenn der Röstmeister/die Röstmeisterin ihn noch ein klein wenig dunkler werden ließe. Ein wenig mehr Röstaromen anstelle des ganz ganz leicht Zusammenziehenden, etwas Stumpfen, noch Grűnen, wűrden ihn fűr mich noch runder machen. Anderen schmeckt wahrscheinlich genau dieser Hauch Rest-Grűnheit besonders gut und sie wűrden ein kleines Mehr an Röstaromen bereits als störend bemängeln. Geschmackssache halt.

In jedem Fall gibt es eine klare Empfehlung von mir. Nicht nur wegen des Fairness- und Nachhaltigkeits-Bonus. Das Uberfrettchen ist klasse! Wobei ich keine Ahnung habe, was das ‚Uber‘ vor dem Frettchen bedeutet.

Tornqvist – Hamburg/Schanzenviertel

Frau Antje hat heute in ihrer Mittagspause, die länger war als sonst, ihren Horizont erweitert. Ich erzähl euch jetzt mal, wie.

Zuerst war ich in einem ehemaligen Hamburger Pförtnerhäuschen, das jetzt ein „Coffeekiosk“ ist. Draußen hing ein Pascucci-Schild und ich dachte: ‚Pascucci kann ja lecker sein‘. War aber nicht lecker. Ich meine: Der Kaffee an sich war nicht eklig oder so. Der erste war halt viel zu lang, obwohl ich um einen Ristretto, gebeten hatte. Den hab ich zurückgehen lassen. Zur zweiten Tasse sagte die Frau hinter dem Tresen: „Da ist ja fast nichts drin“, aber das wenige, was drin war, war so schnell durchgelaufen und demzufolge so labberig, dass ich es zwar bezahlt, aber stehen lassen habe.

Und dann war Frau Antje mutig. Echt mutig! Sie ist nämlich zu „Tornqvist“ gegangen.

Draußen auf der Scheibe von „Tornqvist“ steht in unűbersehbaren, weißen Lettern ‚It‘ s a fruit‘.

Vor dieser Scheibe standen einige Leute mit kleinen, weißen Schalen in der Hand.

Drin sah es ein bisschen aus, wie in einem Science Fiction-Raumschiff. Als ich mich in dem űberschaubar ausgestatteten Raum umsah, entdeckte ich eine wirklich abgespacete Espressomaschine in mattschwarz. Auf der gegenűberliegenden Seite der mittig gelegenen Treseninsel war die Drip Brew-Abteilung. Und dann waren da vier schwarze Designobjekte, die sich bei genauerer Betrachtung als Kaffeeműhlen entpuppten. Zwei fűr Espresso und zwei für „Drip Coffee“. Das stand nicht dran – ich habe es geschlussfolgert. Bestimmt waren all diese Geräte ganz schön teuer gewesen in der Anschaffung.
Wenige, recht puristisch wirkende Sitzmöbel standen in dem Raum rum. Dennoch wirkten die Menschen darauf, als ob sie unendlich viel Zeit hätten und tiefenentspannt säßen. Viele knabberten langsam an interessant aussehendem Gebäck und manche schauten sich gegenseitig tief in die Augen während sie knabberten. Es gab auch Tische. Geműtlich wirkte das alles nicht auf mich.

Hinter dem Raumschiff-Tresen waren zwei sanft aussehende, lieb dreinblickende, hűbsche junge Männer mit ganz sanften Stimmen und sanften Bewegungen in Zeitlupe ein bisschen mit Diesem und Jenem beschäftigt. Sie haben hier gepinselt und da mit der Hand streichelnd drűbergewischt und haben dann nochmal ganz genau gekuckt auf das, was sie gewischt hatten – und haben dann nochmal drűbergestreichelt. Das, was sie gewischt und gestreichelt haben, waren Siebträger. Die wurden vor dem Wischen gewogen. Und dann anders hingelegt und nochmal gewogen. Und nochmal anders hingelegt, gestreichelt – und erneut gewogen.

Alle Getränke werden bei „Tornqvist“ auf randlosen, schwarzen Brettchen serviert, in denen jeweils ein Zettel in einer Vertiefung steckt, auf dem steht, dass Kaffee ganz viele Aromen hat, und dass man dem in diesem Établissement gerecht werden wolle. Die Tassen auf den Brettchen sahen, wenn sie von hier nach da balanciert wurden, äußerst absturzgefährdet aus. Das schien allerdings nur ich zu befürchten. Bei „Tornqvist“ wird mit traumwandlerischer Sicherheit balanciert.

Espresso reicht man hier in kleinen Matcha-Schalen. Und er heißt auch gar nicht Espresso, sondern ‚Shot‘. Das ist sicherlich konsequent. Denn wozu sollte man sich sprachlich an etwas anlehnen, das dem, was man zubereitet nicht im Entferntesten ähnelt?

Einer der sehr sanft wirkenden Männer hat mir nach vielen Minuten des Wartens und Beobachtens ganz lieb erklärt, was für Shot-Sorten es gibt. Nämlich eine mit ganz viel Frucht aus Äthiopien. Himbeere und Grűntee und noch irgendwas, meine ich zu erinnern. Und eine aus El Salvador, mit Noten von Walnuss, Karamell und Spuren von Birne. Ich hab dann letztere Sorte bestellt. Um einen „Ristretto“ zu bitten wäre mir hier unangebracht vorgekommen.

Ab dem Moment meiner Bestellung war es mir vergönnt, 20 Minuten lang fasziniert dem Workflow der beiden jungen Männer beiwohnen zu können, der mich an den zweier sanfter, wiederkäuender Kűhe irgendwo auf einer friedlichen, futuristischen Alm erinnerte. Trotzdem hat es mit der Latte Art nicht immer ganz geklappt, was ich sympathisch fand. Einmal sah das Milchschaumgemälde aus wie „Birne“. Ja, wie DER Birne. Erinnert ihr euch? Ist ja jetzt auch schon tot.
Es dauerte alles sehr, sehr lange. Gras braucht eben seine Zeit, bevor es sieben Mägen passiert hat.

Allmählich wurde ich ein wenig schläfrig.
Kurz bevor mir im Stehen am Tresen endgültig die Augen zufielen, bekam ich schließlich doch noch mein Getränk. Ich habe es auf dem schwarzen Brettchen zu einem der spartanischen Sitzplätze balanciert. Dabei wurde ich wieder wach, was auch deswegen gut war, weil meine heute verlängerte Mittagspause sich dem Ende zuneigte.
Puh! Geschafft!

Crema? Vergesst es!
*schnupperschnupper*
Mmmh.
Roch wie sehr feiner Tee. …
*nipp*
„Oh!   … OH!  …  OH!
*schwenk*
*schmatz*
Leute, was soll ich sagen?
*schlűrf*
Es war hammer-lecker! Wirklich!
Äonen entfernt von sűditalienischem Espresso. Was ich allerdings nicht anders erwartet hatte.
Leicht. Mild. Ein bisschen säuerlich, ohne auch nur eine Spur ätzend dabei zu sein. SO angenehm säuerlich! Und es hat tatsächlich nach Walnuss, Karamell und Spuren von Birne geschmeckt! Außerdem ein bisschen nach Pflaume und Pfirsich und nach einem winzigem Hauch Maté und nach griechischem Bergtee und nach einem Echo ( … Echo … Echo … ) von Kaffeewasser – auch wenn all das in der Beschreibung so nicht stand.

Mein Körper räkelte sich innerlich. Da war sowas wie ein warmer, belebender innerer Windhauch. Eine klärende Brise im Kopf, vor allem hinter den Augen. Entspannung im Leberbereich. Ein Empfinden von Genährtwerden mit purer Leichtigkeit und Aromenvielfalt. Wenn ich jetzt ketzerhaft schreiben wűrde ‚mit sowas wie einem allerleckersten, warmen, eindeutig koffeinhaltigen Fruchtsaft-Kräutertee-Mischgetränk‘ wűrde ich dem Trank aus El Salvador in der weißen Matcha-Schale nicht gerecht werden. Es schmeckte einfach anders.

Vor lauter fasziniertem Beobachten und vor lauter Wonne habe ich es völlig versäumt, den Laden von innen und den ‚Shot‘ zu fotografieren. Wenigstens habe ich, als ich wieder draußen war, noch ein Foto von der Scheibe mit den weißen Lettern geknipst.

2,80 € űbrigens.

Da will ich wieder hin!
Irgendwann mal. Vielleicht bald. Dann gibt’s auch die weiteren Fotos.

Espressolution

‚Espressolution‘ (Juliusstr. 12 im Schanzenviertel) ist ein kleines Ladengeschäft für Espresso aus Sűditalien (Saicaf, Passalacqua und Molinari). Außerdem kann man dort Bialetti-Herdkännchen kaufen und Zubehör dafür, und es gibt einen Kaffeeausschank, eine kleine Auswahl an italienischem Gebäck und Sűßigkeiten, frisch zubereiteten Toast und hausgemachtes Pesto Genovese. Der Laden wird inhabergefűhrt von Stefan Marvulli und Antonio Fiammingo, zwei Hamburgern mit apulischen Wurzeln.

Hier treffen sich v.a. Anwohner zum frűhen oder späten Frűhstűck oder zum Nachmittags-Kaffee und Berufstätige vor der Arbeit und in ihrer Mittagspause. Viel Stammkundschaft. Man steht zwischen Kartons, voll mit Kaffeebohnen in Kilopacks und gemahlenem Kaffee in Originaldosen, an einem der zwei langen Stehtische. Oder man sitzt bei gutem Wetter auf Stűhlen oder Treppenstufen vor der Tür.

Die Chefs in diesem Laden wissen, wie man guten Espresso macht – und sie stehen selber an der Espressomaschine.

Der „Miscela Oro“ von Saicaf (80% Arabica/20% Robusta) im Ausschank ist ein anständiger, aromatischer, wenig eigenwilliger Espresso. Nicht zu wuchtig, nicht zu mild. Nur mäßig schokoladig, dafür deutlich nussig. Dicht und einigermaßen cremig im Mundgefűhl. Zu vernachlässigende Säure, kaum Bitterstoffe. Langes, angenehm nussartiges, ganz leicht karamelliges Geschmacks-Echo. Einen ordentlichen Ristretto kriegen die beiden Männer problemlos hin. Und schon ist Frau Antje sehr zufrieden.

Im ‚Espressolution‘ gibt es also Espresso, der diesen Namen wirklich verdient, und der nicht nur in Milchgetränken zu ertragen ist.
An manchen Tagen ist er besonders rund, fast sämig und lecker. Gut genug ist er immer.

Top Adresse!

Kopiba

Kaffeerösterei und Café am Neuen Pferdemarkt in Hamburg .

Im Ausschank: ‚Vivace‘. 70% Arabica/ 30% Robusta. Ausgewiesen als „kräftig und wűrzig“. Gibt’s auch mit EG-Bio-Siegel. Zum Mitnehmen oder Online-Bestellen kosten 250g 6,50 €. Bio 6,90€.

Die Kellnerin stellt mir mit distanzierter Miene die Tasse hin.

Ein Blick auf das Getränk meldet mir: Der bestellte Ristretto ist eher als Lungo zu mir gekommen. Wobei ich befürchte, dass der normale Espresso noch länger geworden wäre …

Schnell dahinschwindende, blasse Crema. Das Ganze macht mir schon optisch einen deutlich unterextrahierten Eindruck.

Na gut – dann nipp ich mal daran: Sauer ist er nicht. Das finde ich schonmal gut.

Darüberhinaus kommt allerdings nicht mehr viel. Null Sämigkeit. Wenig Geschmackskörper.  Die evtl. in den Bohnen geborgene Aromenvielfalt geht in diesem Extraktionszustand in Labberigkeit unter. So gut wie keine Schokoladigkeit. Fad-nussiger Grundgeschmack. Eine wässrige Ahnung von dunklem Karamell. Ein Hauch Pappkarton-Flavour. Schal. Flach.

Immerhin ist er mir gut bekommen.

Schade, dass dem Personal eines Rösterei-Cafés nicht beigebracht wird, wie man aus den Bohnen des Hauses einen anständigen Espresso zubereitet. Ich vermute, der ‚Vivace‘ kann mehr.