‚Caffè del Sole – Nero Bar‘ und ‚Caffè del Sole – Crema‘ von der Rösterei ‚Coffee for Life srl‘

Frau Antje hat wieder einmal ihre Espressogenuss-Fühler nach Bella Napoli ausgestreckt:

Heute möchte ich euch zwei paradiesisch leckere Espressi der Marke ‚Caffè del Sole‘ vorstellen, die in Deutschland erst seit der Pandemie erhältlich sind. Zum Glück! So hat die Krise auch ein wenig ihr Gutes für uns Dunkelespresso-Fans nördlich der Alpen – aber ich greife vor …

Lasst mich zunächst etwas darüber erzählen, wer die Bohnen röstet. Und dann ein bisschen was darüber, warum und auf welchem Wege wir sie jetzt in Deutschland bekommen können.

‚Caffè del Sole‘ ist die Marke einer 2013 gegründeten Rösterei mit dem Namen ‚Coffee for Life srl‘. Diese hat ihren Sitz in Casoria, einer Stadt in Kampanien, die ungefähr so viele Einwohner hat, wie Bayreuth, und Teil des napoletanischen Metropolitanstadt-Flickenteppichs ist. 

Die Rösterei ‚Coffee for Life‘ ist klein. Gerade mal 6 Menschen verdienen in dem Betrieb ihren Lebensunterhalt – als da sind:

Die beiden Inhaber, Sergio Vilone und Daniele Capitelli, beide gelernte Steuerprüfer mit großer Begeisterung für Kaffee, sowie 4 Angestellte.

(Im unteren Bild links: Sergio Vilone, rechts: Daniele Capitelli)

Derzeit werden vier Bar-Mischungen der Marke ‚Caffè del Sole‘ hergestellt:
‚Rosso‘ (in Deutschland ‚Crema‘ genannt), ‚Nero‘, ‚Gold‘ und ‚DEK‘ (entkoffeiniert).

Hier ein kurzer Einblick in den Rösterei-Betrieb:

Durchschnittlich 10 mal pro Arbeitstag wird der Röster befüllt. Pro Rösterfüllung sind das ca. 90kg Kaffeebohnen. 

Abnehmer für die Bohnen sind in normalen Zeiten vor allem lokale Bars.

Ihr könnt euch vorstellen, was der coronabedingte Lockdown in Italien sowohl für die Bar- als auch für die Kaffeerösterei-Betreiber dort bedeutet hat! Alles zu! Wirklich geschlossen! Monatelang …

Und hier kommt nun der 19jährige Berliner Jungunternehmer und Software-Entwickler Nicola Maisto ins Spiel.
Nicolas Großmutter, Maria Palma, betrieb eine Bar in Giugliano in Campania, einer kleinen Stadt, die ebenfalls zur Metropolstadt Neapel gehört, und nicht weit von Casoria entfernt liegt: Die ‚Bar Cante‘. Seit dem Jahr 2000 heißt dieselbe Bar ‚Caffetteria 2000‘ und wird von Nicolas Onkel, Fabio Maisto, und dessen Frau Pina weitergeführt. Fabio Maisto und Sergio Vilone, der Rösterei-Betreiber, sind gute Freunde. Beide mussten durch die Corona-Maßnahmen krasse Umsatzeinbußen verzeichnen.

 

Was mir an Maisto Caffè, neben der zugewandten, warmherzigen Kommunikation, besonders gut gefällt, ist, dass die gelieferten Bohnen jedes Mal wirklich frisch sind. Frische ist ein wesentlicher Anspruch des Familienunternehmens.

https://maisto-caffe.com/

Die Verkostungen:

Für beide verkosteten Mischungen gilt:

Die jeweilige Tüte enthielt satt warm-röstig duftende, makellose, leicht glänzende Bohnen.

Röstgrad: Dark French.

Es waren keinerlei Bruch oder verkohlte Stellen zu finden.

Die Bohnen wurden mit der HG1 gemahlen und alle Espressi habe ich mit der Strietman CT2 zubereitet.

1. Caffè del Sole ‚Crema‘ (Rosso) :

Das erste, was mir zu dieser Mischung aus 52% Robusta- und 48% Arabicabohnen einfällt, ist: „Espresso gewordenes Tiramisù“.

Da ist tatsächlich einen ausgedehnten Moment lang diese betörende Mischung aus Espresso, Eigelb, Mascarpone, Löffelbiskuits, Kakaopulver und Amaretto auf der Zunge – und das, obwohl von den genannten Zutaten ja nur erstere vorhanden ist.

Ein Hauch von Leder kommt mitunter durch, vor allem bei Brühtemperaturen unter 94-95ºC.

Dasselbe gilt für robustatypische Noten von mineralreicher, vulkanischer Weinberg-Erde mit etwas knarziger Holzigkeit anbei. Auch diese treten vor allem bei Bezugstemperaturen um 92-93ºC hervor. Je höher die Brühtemperatur, desto mehr tritt das Erdig-Holzige in den Hintergrund. Bei 95ºC ist es nur noch ein fernes Echo.

Das Aroma von zerlassener Butter zeigte sich bei allen Temperaturen.

Mandel ebenfalls, die ja schon im Amaretto des Tiramisù mitschwingt.

Süße, gelbe Weintrauben.

Dunkler, aromenfülliger, minimal herb-beeriger Edelkakao, der mich an ‚Le 100% Criollo‘ von François Pralus erinnert.

Des weiteren punktet der ‚Crema‘ durch sehr gefälligen, dichtcremigen Schmelz im Mund.

Zuweilen, v.a. bei niedrigerer Brühtemperatur, bekommt dieser Schmelz einen leicht tanninigen Anflug. Bei 95ºC kann dieses minimal Gerbsäurige, Zusammenziehende allerdings nur noch erahnt werden – es ist dann so wundervoll eingebettet in das gesamte buttrige Tiramisù-Bukett, dass es viel eher interessant als störend wirkt.

Der ‚Crema‘ wärmt auf’s Angenehmste Brust- und Bauchraum und entspannt das Herz, ohne jedoch einzulullen. Dafür ist er viel zu  faszinierend in seinen Aromennuancen. 

Eine absolute Meister-Komposition, der ich voller Überzeugung Frau Antjes Tazzina d’Oro verleihe!

 

2. Caffè del Sole ‚Nero Bar‘ :

Diese Mischung aus 70% Robusta und 30% Arabica ist mein erklärter Liebling aus der Caffè del Sole-Reihe!

Ich habe ihn mit 14,1g, deutlich feinem Mahlgrad und 95ºC Brühtemperatur am leckersten gefunden.
Aromenfunkelnd, weit, duftend, kraftvoll, mit sanftem, seidigem, sämigem Mundgefühl.

Er ist in einer geradezu lasziven Weise ganz leicht rauchig. Tiefe, dunkle, ausgesprochen elegante Tabakaromen lassen in mir Fantasiebilder von einem Salon der 1920er Jahre aufsteigen:

Androgyne Nachtgeschöpfe mit Pagenköpfen und Hosenanzügen, oder auch mit Wasserwellenfrisuren, Glockenhüten, Perlenketten bis zum Bauchnabel und fransigen Charleston-Kleidern, die sich katzenartig an Säulen schmiegen oder in Ledersessel gegossen haben, mitsummend, Rauchringe blasend, am White Lady-Cocktail nippend, vielsagende Blicke versendend, engtanzend, während das Grammophon kratzig Bessie Smith spielt, den ‚Empty Bed Blues‘ vielleicht, und Zigaretten auf langen Spitzen glühend im Takt wippen …

Da ist eine betörende Komposition, die mich an herbsüße Paranuss erinnert, an sehr edlen, venezolanischen Criollo-Kakao und ebenfalls, wie beim ‚Crema‘, an zerlassene Butter.

Dazu kommt eine Spur von ganz weichem Eierlikör. Also keinesfalls solcher mit durchdringend stechender Alkoholspitze, sondern seidiger, dunkeldottriger, mild-cremiger Eierlikör, der zu einem Stück Puertofino-Schokolade von Domori gereicht wird (> Die Puertofino MÜSST ihr probieren, wenn ihr dunkle Schokolade mögt!)

Wunderbarerweise blinkt inmitten der rauchig-schokoladigen Nachtschwärze kokett und unverhofft eine winzige Dessertlöffelspitze voller Cherimoya-Aromen auf:

Diese süß-aromatische Melange, die etwas von  reifer Banane, sonnengetränkter Ananas, Hochsommer-Himbeere, Williamsbirne und einem Hauch Zimt hat. Kaum zu erhaschen, wie eine Sternschnuppe, und doch absolut mit-prägend für diesen grandiosen Espresso.

Ja, und er schmeckt tatsächlich auch nach Niederegger Marzipan-Brot, wenn die Bohnen mindestens ca. 3-4 Wochen alt sind.

Wer lieber die erdigeren, holzigeren Robusta-Noten betonen möchte, bevor es zu aphrodisierend wird, sollte auf jeden Fall mit niedrigeren Bezugstemperaturen (92-93ºC) experimentieren!

Auch bei gröberem Mahlgrad zeigt der ‚Nero Bar‘ sich übrigens tadellos und absolut köstlich – er bekommt dann mehr von einer leichteren, süßen, schoko-rauchigen Nachmittags-Klarheit.

Seine fruchtschwärmerische, schillernd-sinnestrunkene, rauchgeschwängerte Mitternachts-Verruchtheit zeigt sich jedoch erst mit zunehmender Dichte durch feineres Mahlen und langsameren Bezug (40-50 Sekunden stehen ihm sowas von hervorragend!).

Der ‚Nero Bar‘ wärmt durch und durch und strotzt dabei vor sinnlicher Eleganz. Er hat mich jedes Mal erneut zurücklehnen, die Augen schließen und genussvolle Seufzer von mir geben lassen.

So ein toller Espresso! Wow!

Frau Antje ist restlos begeistert und verleiht auch dem ‚Nero Bar‘ von Caffè del Sole freudig ihre Tazzina d’Oro!